Friday, July 14, 2006

Taken for a Ride

Dr. Z trägt einen Walross-Schnauzbart, spricht Englisch mit ziemlich drolligem Akzent und ist so ungefähr der netteste Deutsche, den man sich hier in Detroit vorstellen kann. Eigentlich heißt er ja Dieter Zetsche, was aber sowieso niemand richtig aussprechen kann. Bis vor ein paar Monaten war Dr. Z noch CEO von Chrysler. An dem Tag, als er Vorstandschef von DaimlerChrysler wurde, knallten im HeadquarterDas Nordamerika-Headquarter von DaimlerChrysler in Auburn Hills © Cornelia Schaible in Auburn Hills - das ist bei mir gleich um die Ecke - die Sektkorken. Morgens um acht. "Und so etwas ist bei DaimlerChrysler eigentlich nicht üblich", sagte mir ein leitender Ingenieur, ein Deutscher.

Als Dr. Z nach Deutschland ging, um fortan den Konzern an die Kandare zu nehmen, waren die Detroiter richtig traurig. Aber jetzt ist Dr. Z auf einmal wieder präsent - jedenfalls optisch. Ganz weg war er nie, schließlich lebt seine Familie noch in einer Detroiter Vorstadt. Das ist kein Problem, DCX hat praktisch einen eigenen Flughafen hier in Oakland County. Dr. Z muss sich nicht durch Kontrollen am Metro-Airport quälen. Anyway, seit ein paar Tagen prangt jedenfalls ein riesiges Konterfei von Dieter am Chrysler-Turm und erschreckt die Autofahrer auf der I-75. "AskDrZ.com" steht da noch. Und dann schaltet man abends den Fernseher ein, und da ist er schon wieder! In einem Werbespot. Auf www.AskDrZ.com, wo Zetsche als sein eigener Avatar auftritt, kann man sich den Spot ebenfalls ansehen. Das Ganze ist eine höchst originelle Werbekampagne - und eine recht hintersinnige dazu.

"Welchen Nutzen hatte eigentlich die Fusion zwischen DaimlerBenz und Chrysler?" fragt ein eifriger Journalist zu Beginn des TV-Spots. "Steig' ein" sagt Dr. Z nur knapp und nimmt den jungen Mann mit auf eine Spritztour, die sich als wahre Höllenfahrt entpuppt. Der Schreiberling, der zunächst eifrig in seinen Block kritzelt, wird dabei immer blasser um die Nase. Dr. Z bleibt ungerührt und quasselt unentwegt. Dahinter steckt nun allerdings mehr, als dass sich Dieter Zetsche selbst auf die Schippe nimmt, wie Marc Pitzke heute auf "Spiegel Online" schreibt. "Dr. Z wirbt mit deutschem Akzent" - das ist lustig, ganz klar. Aber bei aller Selbstironie, mit diesem Filmchen verspottet Zetsche eher die Medien. Es ist eine späte Rache. Und Rache ist süß.

Es ist ja nicht so, dass alle spontan begeistert waren, als Zetsche im Jahr 2000 das Ruder in Auburn Hills übernahm. Die Zeitungen schrieben damals böse Dinge über die Deutschen, die sich Chrysler gekrallt hatten. Und was die Leute so über den angeblichen "Merger of Equals" redeten, "die Fusion unter Gleichen", ist auch nicht unbedingt zitierfähig. Vor allem den einstigen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, hier zu Lande "Mr. Shrimp" genannt, hatte man in Detroit gefressen. Und dann kam 2000 auch noch dieses Buch über die Hintergründe des Mergers heraus, verfasst von zwei "Detroit News"-Journalisten: "Taken for a Ride. How Daimler-Benz drove off with Chrysler", von Bill Vlasic und Bradley A. Stertz.

"Taken for a Ride" ist ein Wortspiel, das ins Deutsche übertragen nicht funktioniert - kurz und bündig bedeutet es: verarscht. Oder verschaukelt. So mag sich Dieter Zetsche in seinen Anfängen hier in Motor City auch ein wenig vorgekommen sein: Taken for a Ride. Aber zur Überraschung vieler schaffte es der schnauzbärtige Deutsche nicht nur, den Laden bei Chrysler wieder auf Vordermann zu bringen, sondern auch die Belegschaft für sich einzunehmen. Dass die Fusion letztendlich funktionierte, ist vor allem Zetsches Verdienst, sagt man in Detroit. Außerdem sorgte er auf der Autoshow dafür, dass bei der Chrysler-Präsentation wirklich Showtime war, und anschließend zapfte er Bier in der Feuerwache. Zetsche machte sich immer für eine Wiederbelebung von Downtown Detroit stark. Außerdem ist er ein Pistons-Fan. Und er setzte er sich dafür ein, dass die US-Nationalhymne immer schön gesungen wird. Ehrlich.

Nur die Sache mit dem "Taken for a Ride", das wurmt ihn wohl immer noch ein bisschen. Diese Journalisten. Was die alles wissen wollen. "Are you really a doctor?" fragt der Kerl, dem er auf der kurzen Autofahrt das Fürchten lehrt, mit banger Stimme. Da fährt Dr. Z den Karren an die Wand. Im Wortsinne, nicht bildlich. Bumm. "Noch Fragen?"

Nice ride, Dr. Z.