Wednesday, June 27, 2007

Warum ich kein Sofa besitze

Irgendwann nach dem Abitur stieg ich in den Zug und fuhr nach Marseille. Man hatte mir gesagt, das liege sehr weit im Süden. Das war mir recht, denn dort wollte ich hin.

Dummerweise kam mein Gepäck nicht gleichzeitig mit mir an. Ich wohnte als Aupair-Mädchen bei einer Familie, und als wir die Sachen endlich abholen konnten, wunderte sich meine Madame über das enorme Gewicht der drei Koffer. In mindestens einem davon waren nur Bücher. Ich wollte nicht ganz alleine in die weite Welt gehen.

Zu meinen Aufgaben gehörte es, einen kleinen Jungen zu beaufsichtigen, Mittagessen zu kochen und die Familie mit frischem Baguette zu versorgen. Manchmal schummelte ich und backte das alte Brot vom Vortag wieder auf, anstatt den Rest wegzuwerfen. Aber Monsieur merkte es meistens und meckerte. So ging ich gewöhnlich jeden Morgen erst einmal zur Boulangerie. Die Bäckerin war eine sehr resolute Matrone, die nur noch wenige Zähne im Mund hatte. Wenn ich warten musste, sah ich ihr zu, wie sie große Bleche Pizza mit der Schere in Vierecke schnitt. Die Pizza war mit Tomaten und Oliven belegt, und die Arbeiter aus der Nachbarschaft kauften sich ein oder zwei Stück als Imbiss.

Nachmittags besuchte ich die Sprachschule der Alliance Française, wo ich die Kunst des Konjugierens pflegte – es geht nichts über den Subjonctif imparfait – und „Le Rouge et le Noir“ von Stendhal las. In meiner Freizeit ging ich mit Freundinnen zum Strand oder stromerte am Alten Hafen herum. Einmal stieg ich zu Notre-Dame de la Garde hinauf, das ist die Kirche, die hoch über der Stadt auf einem Felssporn thront. Ich sah auf das Mittelmeer, nichts als Blau bis zum Horizont, und bemerkte, dass sich die Horizontlinie deutlich krümmte. Von der Notre-Dame de la Garde aus konnte ich tatsächlich erkennen, dass die Erde rund ist, und das gefiel mir außerordentlich.

Nach meinem Aupair-Jahr immatrikulierte ich mich an der Universität von Tübingen, wo ich bereits zur Schule gegangen war. Ich studierte im Hauptfach Germanistik, außerdem Allgemeine Sprachwissenschaft und Politikwissenschaft. Meinen Lebensunterhalt verdiente ich erst an der Kasse eines Supermarktes, dann im Schreibzimmer der Universitäts-Augenklinik. Dort tippte ich halbtags Arztbriefe und viele Seiten lange Gutachten für die Berufsgenossenschaft, in denen Begriffe wie Ophthalmoplegie oder Chorioiditis iuxtapapillaris vorkamen. Als die Verwaltung mir mitteilte, wann ich mein 25-jähriges Jubiläum im öffentlichen Dienst feiern würde, erschrak ich und meldete mich zum Examen an. Einen ähnlich sicheren Arbeitsplatz hatte ich allerdings nie wieder.

Noch als Studentin hatte ich meinen Mann kennengelernt, und als wir meine Magisterprüfung und sein Doktorexamen in Chemie glücklich hinter uns hatten, nahm er eine Assistentenstelle an der Universität Genf an. Ich machte erst noch ein Praktikum bei einem Radiosender und zog ein paar Monate später nach. Wir hatten einen kleinen Transporter gemietet, in dem wir die Ikea-Regale und das schwarze Ledersofa aus meinem Studentenzimmer transportierten, dazu viele Bücherkisten.

Ich hatte es allerdings versäumt, mich über die Zollformalitäten kundig zu machen, und als wir zur Grenze kamen, schlug der Schweizer Zollbeamte die Hände über dem Kopf zusammen. Nachdem wir aber einige Kartons geöffnet hatten, in denen zufällig nur Bücher waren, schaute er mitleidig und ließ uns passieren. Gegen Abend kamen wir am Genfer See an, und der Mont Blanc stand riesig und rosa über der gewaltigen Landschaft.

Ich hatte mich an der Universität Lausanne für ein Doktorandenstudium eingeschrieben, außerdem unterrichtete ich Deutsch an einer Privatschule und konjugierte mit meinen Nachhilfeschülern starke Verben. Am Wochenende stiegen wir auf alle Berge, auf die man ohne Seil und Haken kommt, aber wir wurden nie damit fertig, denn es sind ziemlich viele. Auch die kalte Jahreszeit, in der Genf mitunter wochenlang unter einer dichten Hochnebeldecke steckt, hatte ihre Reize: Mein Mann erklärte Käsefondue zu seinem Lieblings-Wintersport, und zur besseren Verdauung wanderten wir mit Schneeschuhen in den Jurabergen und lauerten Gämsen auf.

Wir besaßen kein Auto, dafür aber ein sogenanntes Generalabonnement. So lernten wir das Schweizer Kursbuch auswendig und versuchten mitunter, möglichst viele öffentliche Verkehrsmittel an einem Tag zu benutzen: Tram, Bahn, Postbus und als Krönung eine Fahrt auf einem alten Dampfschiff. Wahrscheinlich würden wir immer noch am Genfer See sitzen und sonntags in einer Wirtschaft hellgelben Chasselas aus kleinen Gläsern trinken, wenn die Stelle meines Mannes nicht befristet gewesen wäre. So zerlegten wir die Ikea-Regale in ihre Einzelteile, packten auch die Bücher wieder ein und die vielen Dias vom See und den Bergen.

Damals lebte mein Vater noch, und er besorgte uns eine winzige Wohnung in Rottenburg am Neckar, wo zu jener Zeit auch mein Bruder war. Die Bischofsstadt Rottenburg ist nur wenige Kilometer von Tübingen entfernt, liegt aber in einer ganz anderen Welt – selbst der Dialekt ist anders. Die Gegend ist ehemals vorderösterreichisches Gebiet und somit katholisch geblieben, im Gegensatz zum reformierten Alt-Württemberg. Ich selbst bin evangelischer Konfession, und so erlebte ich nun im Schatten des Domes, dessen Ding-dang-dong den Tag zerteilte, das katholische Brauchtum im Jahreslauf mit. Nicht zuletzt die Fasnacht, die noch bewusst als die Zeit vor dem Frühjahrsfasten erlebt wird. Ich fand das spannend.

Als ich anfing, als freie Mitarbeiterin für das „Schwäbische Tagblatt“ zu schreiben, war ich schnell auf die Fasnacht und andere lokale Themen festgelegt. Und nachdem ich einige Jahre lang über Land und Leute berichtet hatte und eine Stelle frei wurde, fand ich mich plötzlich als festangestellte Redakteurin wieder. Mein Mann war unterdessen beruflich weitergezogen, erst nach Texas, dann nach Japan. So musste ich mir wenigstens nie über mein Urlaubsziel Gedanken machen – einmal winkten wir dem japanischen Kaiser zu, und wir standen auch schon bei Sonnenaufgang auf dem Fuji. Aber das ist eine andere Geschichte.

Als mein Mann in Detroit sesshaft wurde und außerdem klar war, dass meine befristete Stelle nicht verlängert würde, packte ich vor ziemlich genau vier Jahren unseren Hausrat in 50 Kisten. Die Hälfte davon füllte ich mit Gedrucktem. Bücher sind wie Karnickel – wenn man nicht hinschaut, vermehren sie sich heimlich. Die Regale verschenkte ich, ebenso meine wunderbare kleine Waschmaschine aus der Schweiz.

Alles andere verpackte die Spedition in einen 10-Kubikmeter-Container – oder sie versuchte es wenigstens. Irgendwann kam nämlich ein Anruf: Es passe nicht alles rein. Der Vertreter der Firma hatte sich verschätzt. Das war zwei Tage vor meinem Abflug. Ich fuhr zur Lagerhalle der Spedition und sah, dass die Möbelpacker alles verstaut hatten, bis auf das schwarze Ledersofa. Was tun? Einige Kisten in Deutschland lassen? Ich entschied mich für die Bücher. Das Sofa blieb bei der Spedition, und meine Schwester holte es irgendwann ab. Jetzt steht es, glaube ich, zu Hause bei meinem Bruder im westfälischen Münster.

Inzwischen finden sich auch einige englischsprachige Titel in meinem Bücherregal. Ein neues Sofa habe ich mir noch nicht angeschafft.

Friday, June 22, 2007

Salut à Détroit

Erstaunlich, was die Leute so alles auf meine Seite bringt - ich meine die Suchbegriffe, die sie eintippen. Auch das wäre einmal einen Beitrag wert, vor allem die Spitzenreiter. Stichwort: belegte Seele. Hätte ich bekanntlich auch gern eine. Und das war ein Tübinger! Warum ging der nicht einfach zum Bäcker um die Ecke?

Heute beehrte schon jemand MOTOWN BLUES, der sich offenbar zum Thema "Detroit - Aussprache" so seine Gedanken machte. Das lobe ich mir. Denn immer wieder begegnen mir Deutsche, die auch nach Jahren in Michigan noch nicht wissen, wie man Detroit richtig ausspricht. Es heißt nämlich nicht DEEEtroit, jedenfalls normalerweise nicht, höchstens beim Basketball, wenn die Pistons drüben im Palace spielen, aber die haben jetzt ohnehin Sommerpause. Außerhalb des Basketball-Stadions liegt die Betonung auf der zweiten Silbe: DeTROIT. Ich hatte nie Mühe, mir das einzuprägen, schließlich brüllte es Eminem oft genug von der Bühne - D-TROIT! Das war beim Konzert im Ford Field, am 13. Juli 2003. Damals war ich erst seit ein paar Tagen in Motown. Wie die Zeit vergeht.

Am liebsten unterhalte ich mich mit meiner französischen Freundin Brigitte über die Stadt - Détroit [de'trwa], das hört sich doch gleich ganz anders an. Nie würde ein Franzose oder eine Französin dieses klangvolle Wort à l'anglaise aussprechen. "Aber wieso - das war doch keine französische Stadt", meinte eine Bekannte, der ich davon erzählte. Nun, so kann man sich täuschen.

Knapp 306 Jahre ist es jetzt her: Am 22. Juli 1701 erreichten die Kanus von Antoine de la Mothe Cadillac, von Montreal kommend, den Beginn der Gewässerenge zwischen Lake Huron und Erie, le détroit genannt. Am nächsten Tag ruderte Cadillac mit seinen Mannen den Lake St. Clair hinunter, dann an Belle Isle vorbei und an der Stelle, wo heute die Ambassador Bridge USA und Kanada verbindet. Erst am Tag darauf entdeckten sie, wieder stromaufwärts paddelnd, das nette Plätzchen an der Biegung des Flusses, wo die Detroiter heutzutage Feste feiern. "Voilà Détroit!" rief Cadillac, hoch erfreut. Und dabei blieb es.

Leider konnten die Engländer und Amerikaner, die irgendwann ins Spiel kamen, den Namen der Stadt nicht richtig aussprechen. Bois Blanc, eine der Inseln im Detroit River, verballhornen die Einheimischen gar zu "Boblo", wie ich erst kürzlich lernte. Aber immerhin haben sie den Anreisetag von Cadillac nicht vergessen: In einem Monat, am 22. Juli, wird wieder gefeiert. Auch das lange vernachlässigte Ufer, an dem die ganze Geschichte begann, kommt wieder zu Ehren: Heute beginnen die Detroit International River Days, eine sechstägige Sause. Salut!

Sunday, June 17, 2007

Dad's Day

Weather.com wünscht heute einen „Happy Father’s Day“. In der Tat widmen die USA den Vätern einen richtigen Feiertag, der immer am dritten Sonntag im Juni begangen wird. Und beim amerikanischen Vatertag handelt es sich um ein Pendant zum Muttertag, nicht etwa um einen Sauftag. Das heißt, Dad verbringt den Tag mit der Familie, die Kinder erfreuen ihn mit Selbstgebasteltem, und die Gattin überreicht ihm einen neuen Schlips. Natürlich kriegt er zur Feier des Tages auch seine Leibspeise serviert.

Im vergangenen Jahr waren wir am Samstagabend vor dem Vatertag irgendwo zu einem Gartenfest eingeladen. Ich erinnere mich nur noch vage daran, was dort auf dem Grill brutzelte – ich glaube, es waren Schweinerippchen. Ich weiß aber noch genau, dass sich ein ziemlich großer Teil der Unterhaltung um das Vatertagsmenü drehte, das am nächsten Tag bei der ebenfalls eingeladenen Nachbarsfamilie serviert werden sollte. Mom hatte offenbar mehrere Pfund King crab legs im Supermarkt erstanden, und während die anderen Gäste noch die letzten Schweineknochen abnagten, schwärmte Dad schon von den kommenden Genüssen. Das war nicht sehr höflich, weckte aber allenthalben Taschenkrebs-Gelüste.

So gesehen ist der deutsche Vatertag, nämlich der zum Sauffest umfunktionierte kirchliche Feiertag Himmelfahrt, vom Brauchtum her schon etwas volkstümlicher. Es geht um Männerrituale. Was im Übrigen einen tiefen Einblick in das Rollenverständnis deutscher Väter erlaubt: Wenn sie sich feiern, hat die Familie nichts zu melden. Dann zieht die Herrlichkeit mit Bollerwagen und Bierfässchen durch die grüne Flur und empfindet das als Befreiung. Weder die Kirche noch engagierte Väter sind darüber recht glücklich. Der alkoholisierte Pseudo-Vatertag hat kein besonders tolles Image.

Aber auch in Amerika erreicht der Vatertag längst nicht die gleiche Popularität wie der Muttertag. Daran kann nicht einmal der Glückwunschkarten-Hersteller Hallmark etwas ändern: 150 Millionen Karten werden laut "Time Magazine" zu Mutters Ehrentag verschickt, Väter kriegen bloß 100 Millionen Kartengrüße. Vielleicht liegt es daran, dass sich in diesem Land ebenfalls eine Menge Väter von ihrer Familie absetzen. Und zwar ganzjährig.

Thursday, June 7, 2007

Mackinac Island, die Insel der Pferde

Klipp-klapp. Klipp-klapp. Das gleichmäßige Klackern der Pferdehufe ist das einzige nennenswerte Verkehrsgeräusch auf Mackinac Island, und es hat eine entschieden heitere Note. Natürlich hätten wir auch zu Fuß gehen können, von der Anlegestelle ist es wirklich nicht weit nach Mission Point. Zumal das Gepäck von der Fähre direkt ins Hotel gebracht wird. Aber die meisten Teilnehmerinnen der GPWA-Reisegruppe, die an einem milden Maienabend von der Fähre steigen, nehmen ein Pferdetaxi. Denn das lässt einen am einfachsten hineinfinden in den gemächlichen Rhythmus, der auf der Insel herrscht.

Die öffentlichen Transportmittel auf Mackinac Island fahren alle zweispännig. Dem Fahrgast beschert das einen nicht alltäglichen Ausblick: Links und rechts vom Kutschbock, auf dem einePercheron-Gespann vor einer Kutsche des Grand Hotels © Cornelia Schaible junge Frau sitzt, bewegen sich zwei mächtige Pferdehintern gleichmäßig auf und ab. Es sind braune Kaltblüter mit fahlen Mähnen, schwere Belgier, die klassischen Zugpferde in Amerika. Genau wie die Percheron stammen sie von jenen massigen Pferden ab, auf denen einst die alten Ritter in die Schlacht zogen.

Als ich zum ersten Mal auf dem Michigan State Fair in Detroit war, wunderte ich mich über die Vielzahl der Kaltblutrassen, die dort vorgeführt wurden – vor Kraft strotzende Pferde, die bei der landwirtschaftlichen Leistungsschau unter anderem einen Truck ziehen mussten. Auf dem State Fair werden auch die prächtigsten Gespanne gekürt. Inzwischen ist mir klar, warum so viele Zugpferde ausgerechnet in Michigan das Postkutschenzeitalter überlebt haben: Sie werden noch gebraucht. Mennoniten und Amische spannen im Frühjahr das Rösslein an, um es bei der Feldarbeit einzusetzen. Vor allem aber haben die Pferde im Bundesstaat, in dem die horseless carriage einst ihren Siegeszug antrat, buchstäblich eine Rückzugsinsel gefunden: Mackinac Island.

Die Insel in den Straits of Mackinac ist bereits seit 1898 autofrei: Die Pferde vertrugen den Lärm der Motorkutschen nicht und scheuten. Auf Druck der Mackinac Horsemen’s Association wurden die Autos daraufhin vom idyllischen Eiland verbannt. In den Sommermonaten leben über 600 Pferde auf Mackinac Island; im Winter sind es immerhin noch 30 Stück, die Taxi- und Transportdienste leisten. Neben Zugpferden gibt es selbstverständlich auch Reitpferde, und Gäste können sogar ihr eigenes Pferd für einen Ausritt auf der Insel mitbringen. Die Arnold Ferry Line nimmt auch Pferde mit an Bord.

Auf der Insel der Pferde gelten auch besondere Verkehrsregeln: Ein Pferd hat immer Vorrang. Zum Glück ist das Hufegeklapper nicht zu überhören. Und obwohl gerade die Zugpferde besonders gutmütig sind, sollte man sie nicht einfach streicheln – sie schlafen zuweilen im Stehen und könnten sich unnötig erschrecken. Wer ein Buggy für eine kleine Insel-Spritztour mietet, wird in die equine etiquette eingeführt.

Für Pferdenarren gibt es im Sommer auf der Insel Traumjobs. Im Park des Grand Hotels treffe ich eine schon etwas ältere, einfach gekleidete Frau, die auf einer Bank sitzt und eine Zigarette raucht. Sie genießt den Blick auf das historische Luxushotel, in dem sie nie absteigen wird. Wir kommen ins Gespräch, und sie erzählt mir, dass sie übers Wochenende auf der Insel ist, um ihre Tochter zu besuchen „Sie fährt hier Taxi.“

Nachtrag vom 28. Mai 2008:
Mehr zum Thema steht jetzt auf suite101: Zeitreise nach Mackinac Island

Tuesday, June 5, 2007

Deutsch an Detroiter Schulen: ein Trauerspiel

Wer Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, hat in Metro Detroit genug zu tun – jedenfalls im Bereich der Erwachsenenbildung. Viele Unternehmen vermitteln ihren Ingenieuren und Managern Deutschkurse im Betrieb, das spart Zeit und setzt die Mitarbeiter ein Stück weit unter Erfolgszwang. Mehr als 300 deutsche Unternehmen haben ein Werk oder eine Niederlassung in Südostmichigan, und so gehören Deutschkenntnisse einfach zum guten Ton. Und zum Geschäft.

Der Bedarf an Deutschkursen für Erwachsene im Raum Detroit wird künftig sicher noch wachsen: An den High Schools der Metropole wird nämlich immer seltener Deutsch angeboten. An der King High School in Detroit etwa ließ man den Deutschunterricht auslaufen, in der Vorstadt West Bloomfield können Schüler demnächst kein Deutsch mehr lernen, und an der Seaholm High School in Birmingham ging die Deutschlehrerin weg und wurde nicht dauerhaft ersetzt. Von den drei High Schools in Farmington wird demnächst nur noch eine Schule die Sprache anbieten: die Farmington High School, wo Janet Harris Deutsch unterrichtet.

Obwohl ihre eigene Stelle zumindest im Moment nicht bedroht sei, fühle sie sich trotzdem von den Kürzungen betroffen, sagt Janet Harris: „Ich habe fast neun Jahre lang im Bezirk Deutsch unterrichtet, und ich habe so fleißig gearbeitet, um das Programm aufzubauen.“ Die Schülerzahl sei mit der Zeit stetig gewachsen, obwohl Deutsch immer mit Französisch und Spanisch konkurrieren musste – und diese beiden Sprachen werden in Farmington im Gegensatz zu Deutsch bereits in der Middle School angeboten. Deswegen sei es nun eine große Enttäuschung für sie, dass die Deutsch-Lehrkraft der beiden anderen High Schools eingespart werde – wer dort trotzdem Deutsch lernen möchte, soll künftig pendeln. Eine wenig attraktive Alternative.

„Es heißt, es bestehe nicht genug Interesse“, erklärt Janet Harris. „Aber das stimmt nicht: Die Nachfrage für Deutsch ist sogar gestiegen!“ Woher kommt dann diese ablehnende Haltung gegen Deutsch-Programme an High Schools, obwohl das Erlernen mindestens einer Fremdsprache in Michigan für jede/n Schüler/in in vier Jahren Pflicht sein soll? Laut Harris überwiegt immer noch die Vorstellung, dass Deutsch unmäßig schwer sei. „Doch das ist einfach absurd“, sagt die Deutschlehrerin, die ursprünglich aus England stammt und in Bath sowie in Freiburg studiert hat. Sie wisse auch gar nicht, woher dieses Missverständnis komme – wahrscheinlich von schlecht beratenen Entscheidungsträgern, die selbst keine Fremdsprache sprechen.

Sicher gebe es einige grammatische Schwierigkeiten im Deutschen, sagt die Lehrerin, in der die Sprache von Goethe und Schiller eine starke Fürsprecherin gefunden hat. „Aber jede Sprache ist auf ihre Weise schwierig.“ Und für die Anfängerstufe spiele die Grammatik ohnehin keine große Rolle – die Aussprache des Deutschen ist bekanntlich schnell und einfach zu lernen. „Außerdem steht das Englische dem Deutschen sehr viel näher als dem Französischen oder Spanischen“, wirbt Harris. Obwohl Spanisch heute in den USA sehr wichtig ist, gibt es für sie trotzdem einen wichtigen Grund, eher Deutsch zu lernen: „Wenn eine Firma jemanden einstellen möchte, der Spanisch kann, sucht man nach einem native speaker.“

Nicht nur in Michigan, wo Deutschland der wichtigste ausländische Investor ist, gibt es gute Gründe, dem Wirtschaftspartner auch sprachlich entgegenzukommen. US-Niederlassungen deutscher Firmen beschäftigen gut eine Million Amerikaner. Umgekehrt sind 2000 US-Unternehmen in deutschsprachigen Ländern geschäftlich tätig. Und so wird vielen Amerikaner erst bewusst, dass sie Deutsch können sollten, wenn sie ins Berufsleben eintreten. Was Johnny nicht lernt, lernt John immer mehr.