Thursday, October 23, 2008

Memo: The Winner Takes It All

Gestern hatte ich ein Live-Gespräch mit der Volkshochschule Offenburg. Angekündigt wurde die Veranstaltung im "Offenburger Tageblatt" (und anderen Medien) mit einem Interview, das ich hier auszugsweise wiedergebe:

Frau Schaible, Sie leben an den Großen Seen. Da haben sich in der Vergangenheit viele deutsche Auswanderer angesiedelt. Spürt man den deutschen Einfluss noch?
Manchmal wünscht man sich seinen deutschen Akzent natürlich weg. Aber dank meines Akzents bekomme ich viele schöne Geschichten deutschstämmiger Michiganer zu hören. Nach offiziellen Angaben hat jeder vierte Einwohner des Bundesstaates deutsche Vorfahren. Sobald ich den Mund aufmache, klickt bei denen etwas. Und dann erzählen sie mir von ihrem deutschen Großvater oder ihrer Großmutter, die einst in die Staaten auswanderten, um ihr Glück zu machen.

Werden Sie als Deutsche oft nach Ihrer Meinung zu den Kandidaten gefragt?
Politische Diskussionen sind etwa bei Partys tabu – deshalb werde ich gerade als Deutsche – unter vier Augen – oft nach meiner Meinung zur politischen Situation in den USA gefragt, weniger nach den Kandidaten selbst.(...)

Wie ist die Situation in Detroit?
Die Metropolregion Detroit, das wirtschaftliche Zentrum des Bundesstaates Michigan, zeichnet sich durch drei charakteristische Merkmale aus: die ums Überleben kämpfende Autoindustrie, starke Gewerkschaften und eine überwiegend von Afroamerikanern bewohnte Innenstadt. Das spricht alles für die Demokraten. Tatsächlich hat Michigan, derzeit regiert von der Demokratin Jennifer Granholm, in allen Präsidentschaftswahlen nach 1988 demokratisch gewählt. Zu Großveranstaltungen mit Barack Obama in Detroit und in der Hauptstadt Lansing kamen jeweils zwischen 15.000 und 30.000 Leute, und zwar aus allen Schichten der Bevölkerung. Die Events des Republikaners John McCain zogen deutlich weniger Publikum an.

Derzeit liegt Obama vorne. Glauben Sie noch an Überraschungen?
Ich denke, dass diese Wahl auch ganz anders als gedacht und prognostiziert ausgehen kann. Umfragen sind überhaupt mit Vorsicht zu genießen – die Bevölkerung in den einzelnen Bundesstaaten wählt den Präsidenten ja nicht direkt, sondern sie bestimmt die Wahlmänner. Und zwar geht das nach dem "The-winner-takes-it-all"-Prinzip: Die einfache Mehrheit entscheidet, und dann stellt die siegreiche Partei alle Wahlmänner des jeweiligen Staates. Die Stimmen für den Gegenkandidaten fallen schlichtweg unter den Tisch. Der Demokrat Al Gore erhielt mehr Wählerstimmen als George W. Bush – und wurde trotzdem nicht Präsident. Und nicht vergessen: Vor vier Jahren wurde George W. Bush im Amt bestätigt. Das sagt auch schon einiges aus. […]

Monday, October 20, 2008

Wahlkampf im Vorgarten

Gelegentlich soll ich fürs deutsche Publikum erklären, wie eigentlich der Wahlkampf in den USA aussieht. Also, abgesehen von Fernsehdebatten und Werbespots. Wie sich das im Straßenbild bemerkbar macht. „Gibt’s eigentlich auch Wahlplakate?“, wurde ich kürzlich gefragt. Nein, die gibt’s nicht, jedenfalls nicht im öffentlichen Raum – hier hängen definitiv keine Politikerporträts an Straßenlaternen.

Der Wahlkampf in den USA wird überwiegend in den Vorgärten ausgetragen. Bunte Rasenschildchen verraten die politischen Präferenzen der einzelnen Wohnsiedlungen; manchmal prangen die Namen des bevorzugten Kandidaten auch an Hauswänden oder an einer anderen exponierten Stelle. Im Appartmentkomplex nebenan hat einer „Obama for President“ an der Balkonbrüstung hängen. Klar, nicht jeder hat einen Vorgarten. Dazu sollte man erwähnen, dass nicht nur die Namen der Präsidentschaftskandidaten den herbstlich mit Laub gesprenkelten Rasen zieren: Am 4. November werden auch ein gutes Drittel des Senatsmitglieder und das komplette Repräsentantenhaus neu gewählt, dazu sind in manchen Staaten Gouverneurswahlen, zusätzlich müssen in Landkreisen und Gemeinden vom Bürgermeister bis zum Polizeichef viele Ämter neu besetzt werden – ein Wahlmarathon. Daher treiben es manche Vorgartenbesitzer ziemlich bunt.

Nun ist es aber offenbar so, dass sich Hausbesitzer am liebsten dann politisch outen, wenn der Nachbar sein Kreuzchen an der gleichen Stelle macht – so manch eine Subdivision in den Vorstädten scheint ganz auf McCain zu setzen. Die koordinierte Abstimmung per lawn sign machtUS-Präsidentschaftswahlkampf im Vorgarten © Cornelia Schaible es nicht einfach, für illustrative Zwecke beide Kandidaten-Schilder gleichzeitig aufs Bild zu bekommen.

Bei unserem letzten Kurztrip an die Sleeping Bear Dunes wurden wir schließlich fündig: Die Wochenendhausbesitzer am Crystal Lake in Benzie County scheinen nicht unbedingt erpicht darauf, in politischer Harmonie mit dem Nachbarn zu leben. Der Grundstückbesitzer der Obama-Seite meines Fotos meinte jedenfalls sinngemäß, der Anblick würde seinen Nachbarn schon fuchsen. „Manche klauen die Schilder auch“, fügte er noch vieldeutig hinzu. Diese Art von nachbarlichem Wahlkampf ist auch bereits in einem Youtube-Video festgehalten.

Die Schilder müssen auch sonst für einiges herhalten. Am Tag zuvor hatte ich bereits versucht, ein ähnliches Bild in Northport aufzunehmen. Da fiel mir plötzlich auf, dass das Obama-Schild – offenbar auf McCain-Territorium – von Löchern übersät war. Es handelte sich eindeutig um Einschusslöcher – irgendjemand hatte mit der Schrotflinte darauf geschossen.

Mir war das schon von weitem aufgefallen, weil ich eine Gegenlichtaufnahme versucht hatte. Durch die Löcher im Obama-Logo fielen Sonnenstrahlen.

Wednesday, October 8, 2008

McCain looked old

"Brokaw looked old. McCain looked old. Obama looked young."

TOM SHALES, Kolumnist der "Washingon Post", über die gestrige zweite Debatte der US-Präsidentschaftskandidaten, moderiert vom altgedienten NBC-Journalisten Tom Brokaw. Während Barack Obama sprach, wanderte John McCain im Hintergrund ziellos umher, was ziemlich unheimlich wirkte - "Gollum with a mic" schrieb Bob Cesca auf der "Huffington Post".