Thursday, March 24, 2011

Fotos von meiner Festplatte – Phlox in Florida

Phlox (Phlox subulata) in Florida © Cornelia Schaible
Florida kennt nicht wirklich vier Jahreszeiten, aber einen Frühling gibt es schon – zumindest in der nördlichen Hälfte des Bundesstaates. Und dann wird klar, warum der Eroberer Juan Ponce de Léon dieses Land „Florida“ nannte, als er 1513 an der östlichen Küste landete: Bis heute sprießen überall Blumen, sogar auf den mickrigen Grünstreifen zwischen Verkehrswegen. Das Foto habe ich vor genau drei Jahren aufgenommen, an der Straße, die nach Cedar Key führt. Von Weitem sah man nur einen pinkfarbenen Blütenteppich, aber aus der Nähe wurde schnell klar, worum es sich dabei handelte: um wilden Phlox. Auf Deutsch würde man Sommer-Phlox oder Einjähriger Phlox dazu sagen, im Englischen heißt die Pflanze Annual Phlox, und die botanische Bezeichnung ist Phlox drummondii. In Süd-Texas sind uns diese in kräftigem Rosa prangenden Straßenränder dann wieder begegnet, allerdings schon früher im Jahr, in der letzten Februarwoche. In Texas ist die Pflanze ursprünglich auch beheimatet, habe ich soeben gelernt.

Tuesday, March 22, 2011

Die laufen mit Strom

Die Windkraftanlage bei Melchingen auf der Schwäbischen Alb kann man für eine Verschandelung der Natur halten oder für einen reizvollen Akzent im Landschaftsbild. Sicher ist, dass sie fürs dort ansässige Theater Lindenhof schon lange Teil der landschaftlichen Kulisse ist. Bei „Ritter, Tod und Teufel“ zog einst Don Quichotte in einer Ritterrüstung auf dem Moped gegen ein Windrad zu Felde. Auch die drei schwäbischen Grazien vom „Dohlengässle“ konnten über die Windturbinen nicht genug staunen – und sie tun es wahrscheinlich heute noch. „Laufet dia mit Strom?“

Die unschuldige Frage, die stets für viel Heiterkeit sorgte, fiel mir kürzlich aus gegebenem Anlass wieder ein. Wer hätte sich je darüber Gedanken gemacht, dass Atomkraftwerke – oder vielmehr deren Kühlsysteme – auf ununterbrochene Stromzufuhr angewiesen sind? Jawohl, die laufen mit Strom. Die jüngste Meldung „Fukushima wieder am Stromnetz“ wäre zum Lachen, wenn das Ganze nicht so unendlich traurig wäre.

Was anlässlich dieser Katastrophe auch bekannt wurde: Fermi 2, der von uns aus nächstgelegene Atommeiler in Monroe südlich von Detroit, ist baugleich mit den Reaktoren 1 und 3 des nach Erdbeben und Tsunami havarierten AKW Daiichi in Fukushima. Der Hersteller ist General Electric. Beim großen nordamerikanischen Stromausfall von 2003 war Fermi 2 sechs Stunden lang abgeschaltet, schrieb Laura Bermann kürzlich in der „Detroit Free Press“. Und es habe damals Komplikationen mit dem Backup-Generator gegeben. Wie schön, wenn man so etwas erst erfährt, nachdem alles glimpflich ausgegangen ist.

Vor fast 45 Jahren lief ein Störfall im gleichen AKW allerdings gründlich aus dem Ruder: Bei einer Fehlfunktion im Kühlsystem des Reaktors Fermi 1, Prototyp eines Schnellen Brüters, kam es zu einer partiellen Kernschmelze, bei der nach Angaben des Betreibers keine Strahlung nach außen freigesetzt wurde. „We almost lost Detroit“ lautet indessen der Titel eines Buches über diesen Vorfall, und es gibt auch einen Song darüber. Aber die Amerikaner vergessen schnell. Und sie sind nicht die einzigen.

Wednesday, March 9, 2011

Die Sache mit dem Niedergang von Detroit

Hallo Herr D.,

ich muss gestehen: Zunächst wollte ich mich darauf beschränken, Ihnen viel Glück bei Ihrer Reportage über den „Niedergang der Autoindustrie in Detroit“ (oder wie immer der Arbeitstitel lautete) zu wünschen und Ihnen dann noch den Tipp zu geben, doch auf alle Fälle die leer stehende Packard-Fabrik zu filmen – die wird bei diesem Thema immer bemüht, wie etwa kürzlich im „SPON“. Sie verstehen die Pointe nicht? Nun: Die Packard Plant ist schon seit über einem halben Jahrhundert dicht; das heißt, Sie sind genau genommen ein bisschen spät dran mit Ihrem Thema.

Aber nun sind Sie ja „unglaublich interessiert“ an dieser Reportage, und das ist löblich. Also, zum besseren Verständnis noch einmal von vorne: Die Autoindustrie in Detroit ist seit Jahrzehnten im Rückgang begriffen, mit dem Ergebnis, dass es nur noch eine verschwindend geringe Anzahl von Autofabriken in der City selbst gibt. Hauptsächlich Chrysler produziert noch in Detroit, und dann gibt es noch den riesigen Komplex von Detroit Diesel, aber der gehört heute zur Daimler Truck Division. Von den „Großen Drei“, von denen gerade zwei eine Nahtod-Erfahrung hatten, hat nur GM wirklich etwas mit Detroit zu tun.

Häh, werden Sie jetzt denken, was erzählt die da? Detroit ist doch immer noch die US-Autostadt – das heißt es jedenfalls immer. Yes Sir, aber es gibt da ein kleines Missverständnis: Es kommt immer darauf an, was Sie genau unter Detroit verstehen. Natürlich ist es immer noch und – jetzt erst recht wieder – Motown. Hier spielt die Musik (oder eben nicht, denn das Motown-Label ist schon lange nach LA gezogen, aber Sie können Hitsville noch im Museum sehen). Ich war vor einem Monat auf der Autoshow, und ich kann Ihnen versichern, das war wieder ein mächtig große Sause, und alle waren sie da – sogar Porsche.

Deswegen möchte ich jetzt noch etwas weiter ausholen. Jedes Mal, wenn ein deutscher Journalist den Auftrag bekommt, über Detroit zu berichten, passiert folgendes: Der- oder diejenige klickt auf Wikipedia, und da steht zum Thema Detroit und unter dem Stichwort „Bevölkerung“ Folgendes: „Durch den Beginn der Massen-Automobilproduktion ab 1909 wuchs die Einwohnerzahl der Stadt bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf rund 1,85 Mio. stark an. Seit den 1950ern hat Detroit allerdings mehr als die Hälfte seiner Einwohner verloren. 2009 waren es noch etwa 910.000 Einwohner. Dies hat eine Ursache in der allgemeinen Wirtschafts-, Immobilien- und Automobilkrise in den USA“ und so fort. Da haben wir’s ja, denkt sich der Journalist, und dann fällt ihm wieder ein, dass Detroit zu den schrumpfenden US-Städten gehört. Und dann schreibt er etwas von Massenentlassungen, die es jüngst bei GM, Ford und Chrysler gegeben hat.

Schon falsch. Denn Ford und Chrysler haben ihr Headquarter überhaupt nicht in Detroit, jedenfalls nicht in der City of Detroit: Ford ist in Dearborn, Chrysler in Auburn Hills. Das sind Städte in der Detroit Metropolitan Area, kurz Metro Detroit. Will heißen: Detroit ist eine Metropole. Metro Detroit hat indessen nicht 900.000 Einwohner, sondern viereinhalb Millionen. Die ganze Agglomeration besteht aus drei Countys (Wayne, Oakland und Macomb) und Dutzenden von Citys. Natürlich gibt’s zwischendrin auch ein paar Autofabriken, aber die sind ansonsten überall im Mittleren Westen und darüber hinaus verstreut (übrigens auch in Kanada – Detroit ist eine wichtige Grenzstadt).

Nun ist das an und für sich nichts Besonderes: Metropolen besitzen immer einen Kranz von Vorstädten, die selbstständig geblieben sind. Auch Chicago – Greater Chicago hat um einiges mehr Einwohner als die City of Chicago. In Detroit ist das Verhältnis zwischen Stadt und Umland allerdings extrem. Aus Gründen der Segregation hat man es unterlassen, selbst kleinere Kommunen direkt bei Detroit einzugemeinden (überhaupt bräuchten die USA dringend eine Gemeindereform, auch sonstwo). Jenseits von 8 Mile (Sie werden den Film kennen) heißt alles anders, ist aber faktisch immer noch Detroit. Ein Teil der Infrastruktur funktioniert aber durchaus wie in einer ganz normalen Großstadt, so ist etwa die Strom- und Wasserversorgung zentralisiert.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Die City of Detroit ist also die Inner City von dem, was gewöhnlich Detroit genannt wird und offiziell Metro Detroit heißt. Aber das Ganze ist in Wirklichkeit ein großer Kuchen, der sich streckenweise über 50 Kilometer in die Landschaft frisst. Und schrumpfen tut da gar nichts – die Leute haben sich nicht in Luft aufgelöst, und sie sind auch nicht in den Süden gezogen (jedenfalls nicht alle): Viele Ex-Detroiter wohnen jetzt einfach irgendwo in einem McMansion in einer Vorstadt. Deutsche wohnen übrigens gerne in einem Haus am See (Oakland County ist eine Seenplatte, die auf die letzte Eiszeit zurückgeht).

Und apropos Kuchen: Metro Detroit ist natürlich das typische Beispiel einer Doughnut-City – will heißen, die von den üblichen Problemen geplagte Inner City ist umgeben von einem Speckgürtel aus Vorstädten. Nirgendwo anders passiert es allerdings, dass die Inner City dauernd mit dem Ganzen verwechselt wird. Vor allem im Hinblick auf die Kriminalität. Das wäre aber so, als würde man die Bronx plus ein Stück von Manhattan als repräsentativ für New York City bezeichnen. Die Verbrechensraten sähen dann auch nicht gerade schön aus. Einige Städte in Oakland County gehören indessen zu den sichersten in den ganzen USA. Auch das ist Detroit.

Nun aber zurück zur City of Detroit, die ebenfalls besser ist als ihr Ruf. Für viele Metro Detroiter hat Downtown heute die Funktion einer Ausgehmeile: Dort befinden sich sich die Sportstadien, Museen, Kasinos und viele Restaurants. Und manchmal, wenn man einen Parkplatz sucht, wünscht man sich, die Stadt wäre so einsam und verlassen wie in den Artikeln der ausländischen Berichterstatter. Ein weiterer großer Vorteil: Nachdem die Deindustrialisierung von Detroit – wie bereits erwähnt – schon so lange andauert, hat man streckenweise schon ganz ordentlich aufgeräumt. Die Riverfront mit Blick aufs kanadische Windsor etwa ist schon richtig hübsch. Interessantes Detail: Nirgendwo sonst in den USA kann man in südlicher Richtung nach Kanada ausreisen.

Ein relativ neuer Bürgermeister namens Dave Bing, ein Ex-Basketballer und Geschäftsmann, will nun die Stadt wieder verdichten, leerstehende Häuserzeilen abreißen und Leerflächen begrünen. Urban Gardening ist ein ganz großes Thema; die wollen richtige Farmen in die Stadt bringen. „Time“ Magazine hat über das alles in jüngster Zeit sehr ausführlich berichtet; ein ganzes Jahr lang war dazu ein Korrespondent in der Stadt. Meiner Meinung hat die Stadt Detroit sowieso noch eine große Zukunft, denn sie besitzt im Überfluss, was in diesen ganzen Boom-Städten im Süden der USA Mangelware ist: Wasser. Die Großen Seen halten das größte Süßwasserreservoir der Erde. Und nun ein Quiz: Wie heißt das Gewässer, an dem Detroit liegt (was man auf meiner Website sieht)?

Bei alledem sollte man nicht vergessen: Das geschrumpfte Detroit hat immer noch mehr Einwohner als San Francisco. Und selbstverständlich gibt’s auch mehr als genug Ruinen und leerstehende Fabrikgebäude von der Sorte, die Filmemacher immer so cool finden. Im lokalen Jargon existiert übrigens ein schönes Wort für eine solche Dokumentation, die nur auf den Zerfall fixiert ist und die Aufbauarbeit außen herum geflissentlich übersieht: Ruinenporno. Ich kann Ihnen aber versichern, es gibt schon jede Menge Detroiter Ruinenpornos – Sie brauchen nicht noch einen zu drehen.

Mit besten Grüßen aus Detroit,

Cornelia Schaible