Wednesday, May 25, 2011

Morcheln und ein Truthahn im Regen

Es regnet ohne Unterlass, es regnet immerzu. Nein, das stimmt nicht ganz – es gibt auch Regenpausen. Am vergangenen Wochenende beispielsweise, da regnete es nur nachts. Tagsüber war es ganz angenehm. Überhaupt sollte man sich nicht beklagen, wenn man in Michigan wohnt und gravierende Unwetter kaum befürchten muss. Ganz im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten, wo derzeit entweder ganze Landstriche überflutet oder von Wirbelstürmen verwüstet sind. Das Wetter in diesem Land: eine einzige Katastrophe.

Der Regen hat – zumindest in Michigan – auch sein Gutes: Es gibt jede Menge Morcheln in diesem Frühjahr. Endlich kann man sich einmal richtig daran sattessen. Ich habe sogar schon versucht, im Backofen welche zu trocknen; das Ergebnis war allerdings nicht sehr überzeugend. Vielleicht werde ich im nächsten Jahr die Gefriermethode versuchen. Falls es dann wieder Morcheln gibt.

Da es dauernd regnet, ist das Morchelsuchen eine sehr feuchte Angelegenheit. Wenn man unter tropfende Büsche und Bäume kriecht, hilft auch eine Regenjacke nicht viel. Und von unten her wird man sowieso patschnass. So viel Nässe aus allen Richtungen ist unangenehm, da geht es mir wie den Gänsen. Die wirken ein bisschen missvergnügt, wenn sie derzeit auf dem Teich paddeln. Sie mögen wohl das Wasser nicht so gern, wenn es von oben kommt.

Der Dauerregen kommt auch anderem Federvieh bisweilen ungelegen. Als wir vor einer Woche im Stony Creek Metropark waren und uns nach dem Morchelsuchen wieder auf den Heimweg begaben, sahen wir auf einer Waldwiese das interessanteste Spektakel, das der Mai in Michigans freier Natur zu bieten hat: einen balzenden Truthahn. Seine beiden Truthennen waren nur wenige Schritte entfernt, eifrig auf der nassen Wiese pickend und Desinteresse heuchelnd, wie sich das für anständige Putendamen gehört. Ein paar Hirsche sahen sich das Schauspiel ebenfalls an. Die Show des Truthahns war indessen nicht sonderlich beeindruckend; mit triefenden Schwanzfedern ließ sich nicht wirklich ein Rad schlagen. Genau genommen sah er ziemlich bedröppelt aus. „How embarrassing“, sagte mein Mann.

Immerhin, schon am Freitagabend gab es eine Regenpause, und die nächste Portion Morcheln konnte trocken eingesammelt werden. Der Truthahn war im Übrigen auch wieder da, und dieses Mal schlug er ein prächtiges Rad. Nicht nur ein Mal, immer wieder. Die Hirsche hatten richtig was zu gucken. Nur die Truthennen pickten immer noch gleichgültig vor sich hin.