Wednesday, December 25, 2013

Wo wir in diesem Jahr Santa trafen

Es ist Weihnachten, und es schneit. Wie waren bei Freunden eingeladen, wo es einen Christbaum, Kinderlachen und Karaoke gab. Die Kinder durften bis zum Umfallen Geschenke auspacken, deswegen muss wohl irgendwann auch Santa dagewesen sein, obwohl wir den alten Herrn vor ein paar Tagen noch in Florida gesichtet hatten.

Wir saßen gerade im Restaurant, als er vorbeigefahren kam. Nein, nicht auf einem Schlitten – Santa kam per Boot. Das war nämlich ein Restaurant in Everglades City, direkt am Barron River gelegen und dadurch mit Verbindung zum Golf von Mexiko, damit es der Fisch nicht so weit in die Küche hat. Ich hatte schon vor dem Abendessen jemand sagen hören, dass es eine Christmas Parade geben werde, aber fälschlicherweise angenommen, es handele sich um einen Umzug auf der Straße. Das war dumm gedacht, denn da war ja niemand. In den Everglades konzentriert sich bis heute alles auf die Wasserwege; kein Wunder, dass Santa diese Route nahm.

Es war ein fast sommerlich warmer Abend, auf dem Fluss war es stockfinster, und das mit bunten Lämpchen geschmückte Santa-Schiff samt Begleitboot sorgte für einen bemerkenswerten Effekt. Als es langsam vorbeiglitt, gab es ein großes Gewinke und Gejohle. Die Gäste drängten sich auf der Aussichtsterrasse des Restaurants, das in den Fluss hineinragte und wo sich in dem Moment auch die Moskitos zum Abendmahl versammelten. Ich wollte aber lieber essen als gefressen werden, und so zog ich mich schnell wieder in den Gastraum zurück.

Aber abgesehen davon war alles sehr schön. Wie immer, wenn man vor Weihnachten in Florida auf Santa trifft.

Sunday, November 24, 2013

Zungenfertiges Deutsch

„Ich möchte mehr Deutsch lernen. Ich hoffe, dass ich zungenfertig Deutsch sprechen kann. […]

Nie fühlte ich mich mehr zu Hause in einem Klassenzimmer als dann, wenn ich im Deutschunterricht saß. Wenn ich Deutsch spreche, fühle ich mich intelligent. Ich denke, wenn man eine andere Sprache spricht, kann man die Welt aus einer anderen Perspektive sehen.“

Mein STUDENT Ashton in einem Aufsatz, in dem er sein Verhältnis zur deutschen Sprache beschreiben sollte. Ich finde, das ist ihm auf sehr überzeugende Art gelungen. Ich überlege gerade noch, ob das nicht ein geeigneter Slogan wäre: Wanna feel smart? Study German!

Thursday, November 21, 2013

Das Auto, in dem JFK erschossen wurde

Immer, wenn ich mit Studenten über die deutsche Nachkriegszeit rede, über den Mauerbau und die geteilte Stadt Berlin, kommen wir irgendwann zwangsläufig auch auf John F. Kennedy zu sprechen. Die Rede des US-Präsidenten vor dem Rathaus Schöneberg. Und dann der Satz, der Geschichte machte: „Ich bin ein Berliner!“ (Natürlich kommt auch regelmäßig irgendein Student mit der ollen Kamelle daher, John F. Kennedy habe sich versehentlich als das Gebäck bezeichnet, das die Berliner in Wirklichkeit „Pfannkuchen“ nennen – eine urbane Legende, die als „Jelly doughnut misconception” in die Fachliteratur eingegangen ist. Er hätte ja schlecht sagen können „Ich bin Berliner“, schließlich war er keiner. Insofern stärkte diese Solidaritätsbekundung nicht nur die Moral, sondern war auch grammatikalisch einwandfrei.)

Das war am 26. Juni 1963.

Weniger als fünf Monate später wurde der charismatische Präsident von zwei Schüssen tödlich getroffen. Das Attentat am 22. November 1963 ist als traumatisches Ereignis im kollektiven Gedächtnis der Amerikaner verankert, und wer damals wenigstens im Schulalter war, weiß noch genau, wo er sich gerade befand, als ihn die Nachricht ereilte.

Weil sich das Attentat bald zum 50. Mal jährt, liest man derzeit darüber viel. Mich hat es schon früher immer wieder beschäftigt – erstens, weil 1963 mein Geburtsjahr ist, und zweitens, weil Kennedys Präsidentenlimousine im Henry-Ford-Museum in Dearborn steht.

Mehr zum Thema auf Pagewizz: Das Auto, in dem John F. Kennedy erschossen wurde

Sunday, November 17, 2013

Everybody Can Keep Their Damn Insurance!

„Glaring at the reporters, the President continued, ,You heard me. If your insurance is crappy, then you just go ahead and keep it — the crappier, the better. Let’s pretend this whole thing never happened.”

A vein in his forehead visibly throbbing, the President added, ,You know, I really wish I hadn't spent the last three years of my life on this thing. I should've just gone around invading countries for no reason. That would’ve made everybody happy. Well, live and learn.‘“

Achtung, Satire! THE BOROWITZ REPORT, der seit einiger Zeit zum „New Yorker“ gehört, bringt es mal wieder auf den Punkt. Und insgeheim wünscht man sich, der Präsident hätte das wirklich gesagt.

Wednesday, October 2, 2013

Der 1. Oktober 2013

„The juxtaposition of Tuesday's two top stories was extraordinary.

The top story all day was that Republicans had shut down the federal government because President Obama wouldn't defund or delay the Affordable Care Act. The other major story was that the government's servers were crashing because so many people were trying to see if they could get insurance through Obamacare.

So on the one hand, Washington was shut down because Republicans don't want Obamacare. On the other hand, Obamacare was nearly shut down because so many Americans wanted Obamacare.“

EZRA KLEIN und EVAN SOLTAS im morgendlichen „Wonkbook“ der „Washington Post“. Ein historischer Tag also. Wie die Geschichte ausgehen wird, weiß man allerdings nicht. Das ist immer das Dumme an geschichtsträchtigen Ereignissen, die sich vor den Augen des Betrachters entfalten.

Friday, August 30, 2013

Semesteranfang, und noch scheint die Sonne

„Das Seltsame am Sommer ist, dass er so schnell vergeht.”

Das schreibt Malin in ihr Tagebuch. Und recht hat sie. Malin, das ist die älteste Tochter des Schriftstellers Melcher, der mit seinen insgesamt vier Kindern „Ferien auf Saltkrokan“ macht. Ich bin einmal mit einer Fähre durch die Schären vor Stockholm gefahren, aber das war natürlich kein kleiner tuckernder Dampfer wie im Buch von Astrid Lindgren, sondern eines dieser riesigen Schiffe, die nicht zu einer kleinen Insel fahren, sondern schnurstracks nach Finnland. Immerhin, es gab damals einen roten Abendhimmel, und als die Fähre durch die Schärenlandschaft glitt, winkten manchmal sogar Leute. Ich glaube allerdings nicht, dass wir an einer Insel vorbeikamen, die Astrid Lindgren als Vorbild gedient haben könnte. Dafür sah alles viel zu aufgeräumt und gediegen aus. Mehr Villen als bunte Sommerhäuser.

„Ferien auf Saltkrokan“, das war für mich immer die ultimative Sommersehnsuchtslektüre. Weil das Buch in meinem Elternhaus zurückgeblieben war und längst von meiner Schwester beschlagnahmt wurde, habe ich es mir kürzlich wieder gekauft. Amazon schickt einem so etwas innerhalb nützlicher Zeit über den Teich. Ich hätte mir natürlich auch die englische Ausgabe zulegen können, aber die scheint gerade vergriffen zu sein.

Es ist trotzdem seltsam, das Buch nach so vielen Jahren wieder in die Hand zu nehmen. Mit welcher Figur aus dem Buch sollte ich mich nun identifizieren? Etwa mit Melcher? Wahrscheinlich eher mit Tjorven. Die ist gewissermaßen alterslos.

Zum Lesen setze ich mich auf den Balkon, und die Sonne sticht noch ganz ordentlich, aber es ist September, und das Semester hat schon wieder angefangen. Man hat in Michigan wirklich das Gefühl, als finge die Uni mitten in den Ferien an. Weil es noch so warm ist. Am Ende des Semesters wird es dann Winter sein.

Aber immerhin steht diese sonnige Lektüre künftig in meinem Bücherregal. Ein bisschen Meer und Mittsommer zum Nachschlagen zwischen zwei Buchdeckeln. Denn so viel Sommer hat im richtigen Leben sowieso kein Mensch. Nicht einmal in Schweden.

Wednesday, August 14, 2013

Studentenstadt mit wechselnder Besetzung

„Dohoggeddiadiaemmerdohogged.“

Gesehen kürzlich, bei einem Heimatbesuch: Das Wortungetüm, ein klassisch schwäbischer Spruch, beschildert eine rustikale Bank in der Tübinger Altstadt. Die Bank befindet sich vor dem Restaurant „Mauganestle“ an der Burgsteige, die wir erklimmen, um mal wieder die Aussicht vom Schloss Hohentübingen zu genießen. Auf die Stadt und die Stätte meiner Bildung am Neckar. Die Bank selbst ist zu diesem Zeitpunkt übrigens verwaist – wer setzt sich schon am helllichten Tag vor ein Lokal. Aber vor dem benachbarten Wohnhaus sind sämliche Sitzgelegenheiten vergeben.

Ein paar junge Männer, offenbar Mitglieder einer Studenten-WG, hängen herum, blinzeln in den leicht bedeckten Himmel, rauchen und haben nichts zu tun. Als wir wieder herunterkommen, bietet sich das gleiche Bild gepflegten studentischen Müßiggangs, nur mit neuen Darstellern. Übrigens ist die ganze Stadt voll mit jungen Leuten, die keinerlei Eile zu haben scheinen, und in den Straßencafés ist kaum ein Tisch mehr frei. In der Tat: Da hocken die, die immer da hocken. Nur eben mit wechselnder Besetzung. Generationen von Studenten kommen und gehen, aber es sieht immer noch aus wie vor dreißig Jahren. Und falls das Studieren tatsächlich stressiger sein sollte als damals, lassen sich die heutigen Protagonisten davon nichts anmerken.

Warum sollten sie auch. Alles geht seinen gewohnten Gang; das Pflaster in den mittelalterlichen Gassen ist holprig, aber die Stocherkähne gleiten leicht über den Neckar. Alles beim Alten und doch immer wieder jung und gerade erst eingetroffen. Nur die arbeitende Bevölkerung, die das Ganze am Laufen hält, wird ernsthaft älter. Ich werfe einen Blick in die italienische Café-Bar am Affenfelsen, wie der Volksmund das Stück Mauer nennt, wo auch die hocken die da immer undsoweiter, und da steht tatsächlich Michele, der hinter seiner Espressomaschine grau geworden ist. Ansonsten hat er sich nicht verändert, und er bietet nach wie vor einen erfreulichen Anblick. Soll heißen, in der Rückenansicht. Ein echter Barista legt großen Wert auf den tadellosen Sitz seiner Hosen. Davon könnten die Jungen noch was lernen.

Ein Stück weiter auf dem Marktplatz steht der Crêpes-Mann in seinem Stand, gießt Pfannkuchenteig auf die heiße Platte und zieht ihn dann wieder ab, so dass nur eine hauchdünne Schicht zurückbleibt. Seit Jahrzehnten macht er das. Er ist irgendwie hängen geblieben in der Unistadt. Manch einer ist da verhockt. Goethe kam 1797; er blieb nur kurz. Im Gegensatz zu Hölderlin. Der zog 1807 in den Turm, der später nach ihm benannt wurde, und wohnte 36 Jahre lang dort. Bis zu seinem Tode. Das Gebäude an der Neckarfront ist postkartengerecht restauriert. Schräg gegenüber am anderen Ufer befindet sich mein altes Gymnasium, nur ein paar Schritte entfernt von der Hauptredaktion meiner Heimatzeitung. Ich bin nie sitzen geblieben.

Wenn man längere Zeit in den USA gelebt hat, kommt einem Europa älter vor. Sowieso. Was der spanischen Kolonisierung in Nordamerika voranging, ist im allgemeinen Bewusstsein wenig präsent. Die „Schätze der Menschheit“, die das Tübinger Schlossmuseum zeigt, sind vergleichsweise berühmt und auch Gegenstand des Lokalstolzes, wie das Elfenbeinpferdchen aus der Vogelherdhöhle, 35.000 Jahre alt. Wir treffen nachmittags kurz vor Torschluss ein und haben daher keine Gelegenheit zum Museumsbesuch, aber ich habe es schon früher mehrfach gesehen. Das kleine Kunstwerk relativiert manches.

Auf dem Rückweg die Burgsteige abwärts, kurz nach der Bank und den müßiggängerischen Studenten, fällt meinem Mann eine Jahreszahl auf: „1491“ steht da auf einem Schlussstein in einem Türbogen. 1491! Damals mussten bereits Studenten in diesen Gassen unterwegs gewesen sein – die Universität wurde 1477 gegründet.

Kolumbus war im Jahr 1491 gerade in Spanien und suchte nach einem Sponsor für seine Expedition. Erst nach dem Fall von Granada im folgenden Jahr hatte der Genueser Erfolg mit seinem Fundraiser.

Saturday, August 10, 2013

Redoxreaktionen im Red Ox

„[…] Um an der Oakland Universität Freunde zu finden, solltest du nur über organische Chemie reden. Wenn du nur über organische Chemie redest, wird niemand verstehen, worüber du redest. Das ist eine wirklich gute Sache! Es ist auch eine gute Idee, Anmachsprüche, die über organische Chemie sind, zu benutzen. Wenn du Anmachsprüche über organische Chemie benutzt, werden sich viele Frauen in dich verlieben.

Nahe bei der Oakland Universität gibt es viele Restaurants. Wenn du Hunger hast, probier das ,Red Ox‘ aus! ,Red Ox‘ ist eine Taverne, in der Chemiker über Redoxreaktionen diskutieren. […]“

Meine STUDENTIN Miranda in einem Aufsatz, der als Brief an einen fiktiven deutschen Austauschstudenten konzipiert war. Sie war sehr stolz auf ihren Text und das gelungene Wortspiel. Wir gehen auch in diese Kneipe, eine richtige American Sports Bar, aber ich würde mal vermuten, dass die Gespräche beim Bier typischerweise nicht von Redoxreaktionen handeln. Die Studentin schrieb das im Wintersemester; ich persönlich bevorzuge das Lokal in der wärmeren Jahreszeit, weil es dann ruhiger ist und man auch draußen auf der Terrasse sitzen kann. Drinnen auf den Riesenbildschirmen läuft derweil Baseball. Wie gestern. Solange die Tigers spielen, ist noch Sommer.

Sunday, July 14, 2013

Lack of Transparency by the Government

„I've taken a lot of "friendly fire" over this issue in this space, but will say once again: (1) there is no "news" in what Snowden has released given what has been covered in the press over the last 5-8 years. (2) The actual danger to civil liberties, based on what I've seen thus far, is pretty minimal as the very amount of metadata that's being gathered itself makes abuse less likely. (3) That being said, the lack of transparency by the government around these programs is disturbing and serves as fertilized potting soil for the tin-foil-hat-crowd. […]“

KOMMENTAR von User „TLM“ zum heutigen Artikel von Kevin Drum für die Online-Ausgabe von „Mother Jones“, Überschrift: „Edward Snowden Says He Could Destroy the NSA Anytime He Wants To“.

Monday, July 8, 2013

Ein leeres Nest

Neben dem Bett, das mir beim Besuch meiner Schwiegerfamilie als Schlafstatt dient, sitzt ein ziemlich großer Teddybär. Das leicht ramponierte Plüschtier hat Schlappohren und entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Schaf, was aber nichts daran ändert, dass es ziemlich verwaist aussieht. Obwohl es grinst. Die Nichte meines Mannes, der dieses Zimmer gehört, ist zum Studieren in eine andere Stadt gezogen, und Schmusetiere dürfen da nicht mit.

Fort. Ausgeflogen. Das ist der Lauf der Welt, sagt meine Schwägerin und hat natürlich recht – schließlich will keiner, dass der Nachwuchs den Absprung nicht schafft und für ewig im Kinderzimmer hocken bleibt. Die Nestwärme besitzt ein Verfallsdatum. Trotzdem: Dieses Jungmädchenzimmer, dessen Wände und Schranktüren mit Fotos tapeziert sind, stimmt mich schon ein wenig melancholisch.

Interessanterweise handelt es sich fast ausschließlich um persönliche Fotos, nicht etwa um Posters von Stars oder Sternchen. Bilder aus Kinderzeiten, mit Bruder und Schwester in Wanderkleidung vor Dolomitenspitzen. Ein Jugendbild der Mutter. Ein Bild des Großvaters mütterlicherseits, der vor ein paar Jahren verstarb – es muss ein schmerzlicher Verlust gewesen sein, denn die entsprechende Todesanzeige steht gerahmt auf dem Nachttisch. Gleich neben dem Wecker.

Die meisten Fotos zeugen von eher fröhlichen Zeiten: Das Hochzeitsfoto der Schwester, die ein paar Jahre älter ist, aber immer noch sehr jugendlich aussieht. Es ist eine wirklich schöne Braut. Schnappschüsse von Partys, auf denen sich junge Menschen die größte Mühe geben, cool auszusehen. Blödelbilder mit Freundinnen, die ein bunter Rahmen adelt. Der Bruder mit einem jungen Mann, der auch auf anderen Fotos zu sehen ist. Das muss der Freund sein.

Über dem Kopfende des Bettes hängen ein paar einzelne Fotos, mit Tesafilm an die Tapete geklebt. An einem davon steckt ein Papierfetzen, auf dem gekritzelt steht: „Schlaf schön mein Schatz.“ Ohne Komma. Ich schaue mir das Foto näher an und erkenne den als Freund identifizierten jungen Mann, der in einem Bett zwischen roten Kissen liegt und schläft. Und im Arm hält er, aber hallo, das plüschige Schaf. Genau das, das am anderen Ende des Bettes sitzt und dümmlich grinst.

Vielleicht behält sie wenigstens den Freund, und er darf ins Erwachsenenleben mitkommen.

Monday, June 3, 2013

Himmel oder Hölle?

„Not so fast: Vatican says Pope Francis got it wrong, atheists do go to hell“

Kein Witz, sondern die ÜBERSCHRIFT eines Artikels von Cheryl K. Chumley in der „Washington Times“ vom 30. Mai. Erlösung gibt es auch in Zukunft nur für waschechte Katholiken, oder so. Trotzdem erfreulich, dass es wieder einmal einen Papst gibt, der auch Dinge sagt, die man im Vatikan nicht so gerne hört.

Wednesday, April 10, 2013

Die Achtziger-Amnesie

Im Film „(500) Days of Summer“ spielt die Band The Smiths eine wichtige Rolle: Die beiden Hauptfiguren, verkörpert von Joseph Gordon-Levitt und Zooey Deschanel, treffen sich im Aufzug; der junge Mann hört Musik, das Mädchen spricht ihn darauf an, trällert auch ein paar Takte mit („To die by your side is such a heavenly way to die“), und er ist hin und weg. Und mich ließ der Kinobesuch leicht verwirrt zurück: Obwohl mir die Melodie vage bekannt vorkam, war mir weder der Song noch die Gruppe ein Begriff. Das war erstaunlich, schien es sich dabei doch um allgemeines Pop-Kulturgut zu handeln. Wenigsten kannte ich den Namen von Sänger Morrissey, wie sich nach kurzer Recherche herausstellte. Der war mir allerdings eher wegen seiner politischen Aussagen im „Rolling Stone“ aufgefallen. Aber warum hatte ich die Band damals in den Achtzigern überhaupt nicht wahrgenommen?

Es kann natürlich sein, dass die auf Youtube oft parodierte (und einmal sogar mit Legofiguren nachgestellte) Aufzugsszene die Band bei Jüngeren erst richtig bekannt gemacht hat. Bei Brit-Rock-Fans meines Alters liegen die Dinge schon anders. „(500) Days of Summer“ lief im Jahr 2009, und seither habe ich gelegentlich über diese popkulturelle Gedächtnislücke den Kopf geschüttelt. Diese Woche habe ich nun endlich kapiert, warum The Smiths bei mir nie auf dem Radar aufgetaucht waren. Das wurde mir klar, als ich nach Tod von Margaret Thatcher am 8. April Morrisseys Nachruf las: eine letzte Abrechnung. Der Musiker bezeichnet die Politikerin darin als „a terror without an atom of humanity“.

Diese und ähnliche Nachrufe lassen mich frösteln. Ich erinnere mich jetzt wieder, wie das war, in den Achtzigern, als ein scharfer Wind von der Insel wehte, und die soziale Kälte langsam in alle Ritzen und Winkel kroch. Wir sehnten uns nach Wärme und Sonne und fuhren nach Möglichkeit in den Süden, wo wenigstens das Wetter erträglich war. Was damals aus Großbritannien kam, wurde einfach ausgeblendet – das galt für die eiserne Lady, die weder für die Kunst im Allgemeinen noch für Popmusik im Besonderen etwas übrig hatte, ebenso wie für ihre Kritiker. „The Final Cut“ von 1982 ist bis heute das Pink-Floyd-Album, das mich am wenigsten interessiert hat. Und wen ich vorher nicht kannte, habe ich gar nicht wahrgenommen, wie ich jetzt weiß.

Dass Maggie Thatcher mit Betonfrisur und Handtasche im Anschlag durchregieren konnte, lag daran, dass sie demokratisch gewählt und anschließend zwei Mal im Amt bestätigt wurde. Jetzt ist sie tot, und die Geschichte wird über sie urteilen. Posthumer Hass ist idiotisch.

Saturday, April 6, 2013

Bitte mit Widmung


Meine Schwester und mein Schwager haben sich zu meinem runden Geburtstag etwas einfallen lassen. Ein Buch, natürlich, das kommt immer gut an und lässt sich am einfachsten verschicken. Damit das Geschenk auch wirklich ankommt. Aber wie wird daraus etwas Besonderes? Richtig, durch eine Widmung. Ich nehme an, noch vor dem Buchkauf überlegten sich die beiden, wer dafür wohl in Frage käme. Sie entschieden sich dann für einen gewissen empirischen Kulturwissenschaftler aus Tübingen.

„Ursprünglich sollte ja der Papst ein Grußwort zu Deinem Geburtstag schreiben“, lauteten die launigen Glückwünsche dazu, „aber nach dessen beruflicher Umorientierung ist Hermann Bausinger persönlich eingesprungen...“ Das lassen wir für diesmal gelten.

Nun ist der gute Professor Bausinger Jahrgang 1926 und seit zirka zwanzig Jahren emeritiert, aber er hat offenbar sein Zimmer in der Außenstelle des Ludwig-Uhland-Instituts behalten, und er empfängt auch immer noch zur Sprechstunde nach Vereinbarung, wie aus der Website der Universität hervorgeht. Es war also nicht allzu kompliziert, ihn aufzustöbern. Wie ich von meiner Mutter erfahren habe, kam Bausinger dem Widmungs-Wunsch in einer seiner Sprechstunden gerne nach, wurde aber vorsorglich noch mit einer Pralinenschachtel oder dergleichen bestochen. Ich habe zwar nie bei ihm studiert, im Gegensatz zu einigen ehemaligen Kollegen bei der Zeitung, war ihm aber wohl vom Namen her vage ein Begriff. „Hier sind die Berge, die Ihnen fehlen...“ schrieb er in das Bändchen „Albgeschichten“, das er mit herausgegeben hat. Da hat er wohl gegoogelt, denn dass ich die Berge vermisse, steht irgendwo in einer Bio.

Seit wann kenne ich eigentlich Bausinger? Wie gesagt, ich habe nie einen Kurs bei ihm belegt, höchstens einmal einen Vortrag von ihm gehört. Aber ich weiß genau, ich war einmal bei einer Pressekonferenz im Ludwig-Uhland-Institut, dessen Direktor er damals war, im Haspelturm des Schlosses. Nur, wie konnte das überhaupt sein? Bei der Zeitung fiel die Uni nämlich nicht in meinem Zuständigkeitsbereich, und zwar grundsätzlich nie. Es muss also noch in der Zeit beim Radio gewesen sein, als ich meine ersten journalistischen Schritte unternahm. Und tatsächlich, irgendwann fiel es mir ein, denn ich habe noch das Buch, das damals vorgestellt wurde: eine Untersuchung zur Partykultur der Fünfziger. Jawohl. Über Spießer und Cocktailspieße.

Nun, jedenfalls weiß ich mit Bestimmtheit, wann ich den Professor zum letzten Mal persönlich getroffen habe: Das war beim Konzert von Titi Winterstein in der Rottenburg-Oberndorfer Kulturgarage. Damals saß Bausinger direkt hinter mir. Wie andere Nebensächlichkeiten habe ich mir das nur gemerkt, weil die ganze Veranstaltung so unglaublich war – der Jazzgeiger in einer ehemaligen Busgarage! Die Fußnote einer Erinnerung. Aber das ist nun auch schon gute zehn Jahre her.

Tuesday, April 2, 2013

Das halbe Jahrhundert

Kaum hat man sich ein bisschen eingelebt, ist man schon fünfzig.

Monday, March 18, 2013

Schließen, Schloss, geschlossen

Kürzlich behandelte ich mit meinen Studenten die Wortfamilie „schließen“, inklusive aller Ablautbildungen. In einem Text über Eigentümlichkeiten der Deutschen ging es unter anderem um die Vorliebe für geschlossene Türen, was die Klasse mit einem Achselzucken abtat. Andere Länder, andere Sitten, soweit sind meine Studenten schon. Verwirrend fanden sie hingegen das Vokabular selbst, und das eigenwillige Verhalten der Vokale in Ablautreihen schien ihnen zum ersten Mal so richtig bewusst zu werden. Er schließt, er schloss, er hat geschlossen – na prima, und dabei ist das noch ein eher einfaches Beispiel. Der Schlüssel passt ins Schloss, wie schön, aber woher soll man wissen, dass mit Letzterem nicht castle, sondern lock gemeint ist. Und überhaupt: Wer soll sich das alles merken?

Wahrscheinlich kamen sie in jener Unterrichtsstunde zum Schluss, dass im Deutschen nur auf Konsonanten wirklich Verlass ist. Und dann muss man immer noch sehen, wie man mit „ß“ und „ss“ klarkommt. Die Ärmsten.

Bald hatte ich die Tafel mit lauter schlüssigen Wörtern vollgeschrieben, und während sich meine Studenten eifrig Notizen machten, dachte ich weiter über Schlösser nach, und damit meine ich nun die Schlösser, die ursprünglich deswegen so hießen, weil sie ein Tal oder einen strategischen Punkt verriegelten. Und da fiel mir auch wieder unser Schlüssel-Erlebnis von einst ein.

Es ist nun schon etliche Jährchen her, aber es war ungefähr um diese Zeit im März, als wir die Gegend um den Gardasee eroberten und beschlossen, dass uns dieser Teil Italiens besonders gut gefiel. Obwohl wir den Rest des Landes nicht wirklich kannten. Aber viel besser wird’s einfach nicht. Gegrillte Forellen aus dem Gardasee, und zum Nachtisch Kunst und Kultur. Nachdem wir schon einige Scaligerburgen in Seenähe besichtigt hatten, wollten wir unbedingt auch Schloss Soave sehen – ein besonders eindrucksvolles Beispiel, wie wir vom Weinetikett wussten. Wir fuhren dann durch eine Frühlingslandschaft, die noch wenig Blüten, aber schon viel frisches Grün zeigte, ließen für diesmal Verona links liegen und kamen schon bald nach Soave. Die Burg mit ihren Ringmauern, Schwalbenschwanzzinnen und Türmen, die den kleinen Weinort überragt, sieht auf aktuellen Fotos immer noch so malerisch aus, wie ich sie in Erinnerung habe; wir waren damals jedenfall sehr beeindruckt. Obwohl es solche Burgen in dieser Ecke Italiens im Dutzend gibt, aber man kriegt den Anblick so schnell nicht satt.

Wir stiegen hinauf, und es stellte sich heraus, dass wir die einzigen Besucher waren. Vorsaison. Das Eingangstor war verschlossen, aber wir hatten bereits herausgefunden, dass es in Italien für historische Gebäude eigentlich immer eine Schlüsselaufbewahrung gibt. Und tatsächlich: In einem Wohnhaus in der Nähe, an das ich mich nur schwach erinnere, fand sich eine junge Frau, die uns mit dem Schlüssel zum Schloss begleitete. Und mit was für einem Schlüssel! Es war zweifellos der größte, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Augenscheinlich ließ er sich jedoch leicht umdrehen, als er endlich im Schloss steckte, und wir gingen hinein. Wobei man erwähnen sollte, dass vom Schloss außer Mauern und Treppen sowie etlichen dunklen Winkeln nicht viel übrig war. Aber es war lustig, darin herumzusteigen. Und damit komme ich zum Schluss dieser Geschichte, die gänzlich ohne Pointe auskommen muss.

Etwas fällt mir allerdings noch ein: Auf der Rückfahrt kamen wir in der Nähe eines Gehöfts an einem großen Gestell vorbei, das von weitem wie mit lauter Geigen behängt aussah. Wie sich herausstellte, hingen da aber keine Geigen, sondern bloß Teile vom Schwein – mächtige Schinken, die entsprechend ihrer kulinarischen Bestimmung in der Märzensonne trockneten. Das hat nun rein gar nichts mit der Schlossgeschichte zu tun, aber es war auch sehr schön.

Wednesday, February 20, 2013

Die lieben Brot

„Germans. Love. Their. Bread. The Bäckereis are full of high quality fresh bread and baked goods.“

Das schrieb ein STUDENT jüngst im Anfängerkurs. Die Aufgabe hatte gelautet: „Describe a typical Bäckerei.“ Punkt, Schluss.

Friday, January 25, 2013

Brrr, Winter

„It's so unpleasant down here our snowmen from two weeks ago are trying to get inside the house.“

KOMMENTAR von „thasswhatImtalkinbout“ zum Artikel "It’s Too Cold to Kill in New York City" auf der Website des „New York Magazine“.