Saturday, December 31, 2016

Einfach weiterpaddeln

Vor ein paar Monaten, als es noch Sommer war, saßen wir an einem kleinen See auf einem Anglersteg und blinzelten in die Sonne. Das Wasser schwappte kaum merklich gegen das Holz des Steges, sonst war es ruhig. In der Ferne sah man die Silhouette eines Mann auf einem Paddelboard. Er schien in unsere Richtung zu steuern, aber wir beachteten ihn weiter nicht.

Plötzlich wurde das Plätschern lauter. Der Paddleboarder hatte uns fast erreicht. Die Art, wie er ruderte, sah ziemlich anstrengend aus. „I have no idea what I am doing”, rief er uns zur Begrüßung zu. „Do I look like an idiot?” Ich bemühte mich, ihm das Gegenteil zu versichern, aber das schien er nicht mitzubekommen. Wahrscheinlich legte er Wert auf seine komische Nummer. Wir luden ihn ein, bei uns Platz zu nehmen, was er jedoch ablehnte. Er brauchte wohl nur eine Atempause. Und: „I have to reposition my feet!”

Mit einem Fuß auf den Steg gestützt hatte er seine Standfestigkeit wiedergewonnen, ebenso wie die Fähigkeit zur Konversation. Er stellte sich als Briten vor, was nicht wirklich überraschte, und nachdem wir uns als Deutsche zu erkennen gegeben hatten, wurde er richtig gesprächig. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Verlauf der Unterhaltung erinnern, aber das Thema war im Sommer einfach präsent, und er steuerte so direkt darauf zu wie auf den Steg. “I lost my continent!”, klagte er und fügte noch hinzu, er habe natürlich dagegen gestimmt. Dass er den Brexit meinte, verstand sich von selbst. Betroffenheit allerseits. Dann fing er zum Glück an, von seinem Urlaub zu erzählen, den er in Deutschland verbracht hatte, wohin er sonst nur geschäftlich reiste. Im Schwarzwald sei er gewesen. Am Titisee! Es hatte ihm dort gut gefallen, wie es schien. Amüsant fand er allerdings, dass es dort nur einen einzigen kleinen See gab, den alle Welt sehen wollte.

In Michigan gibt es viele Seen, aber die liegen offenbar auf einem Kontinent, der für den Englischmann nicht in Frage kommt. Jedenfalls nicht als Heimat. Er gestand uns dann noch, dass er sich eines Tages in Spanien zur Ruhe setzen wolle. Und somit, wenn er sich’s recht überlege, habe er ja doch noch einen Kontinent.

Und damit stellte er sich wieder auf sein Paddelboard und ruderte davon. Er sah nicht unglücklich aus.

Sunday, December 25, 2016

Last Christmas

„I always thought he'd wake us up before he went went.“

KOMMENTAR von Kevin R Jenkins zum Artikel „Pop Star George Michael Dead At 53 auf der „Huffington Post“. Viele Stars sind in diesem Jahr gestorben, aber die meisten waren doch bedeutend älter als ich. George Michael war ein paar Monate jünger.

Tuesday, November 8, 2016

The Nasty Lady in White

„It’s time for recombobulation, after this long-running smash-hit presidential campaign, which you have enjoyed to the hilt and don’t deny it. Never been anything like it. The hulking duke of darkness, the nasty lady in white. Goodbye, high school civics. Hello, Shakespeare.“

He had me at „recombobulation“. Der Name GARRISON KEILLOR war mir zwar früher schon aufgefallen, aber vor seinen Kolumnen zur Präsidentschaftswahl in der Washington Post“ hatte ich noch nichts von ihm bewusst gelesen. Inzwischen weiß ich, dass der Typ so schrullig aussieht wie er schreibt, was aber gar nichts macht, denn ich habe eine Schwäche für diese Art von Spitzfindigkeit. Ich lerne auch immer wieder gerne ein neues Wort, und obwohl es „recombobulation“ noch nicht einmal ins Online-Wörterbuch geschafft hat, habe ich das Wort intuitiv verstanden. Inzwischen weiß ich mehr: So nennt man (zumindest in Milwaukee, Wisconsin – Keillor kommt aus dem benachbarten Minnesota) den Bereich hinter der Röntgenabteilung des Flughafens, wo man sich wieder soweit herrichtet, dass man in Anstand und Würde seine Reise fortsetzen kann. Obwohl einem gerade in den Schritt gefasst wurde, weil irgendeine Niete an der Jeans die Maschine zum Jodeln brachte. Und so wird man sich auch in diesem Land nach der Wahl wieder zusammenreißen und -raufen müssen. Falls das noch möglich ist. Aber ich muss zugeben, dass ich in den vergangenen Tagen das Spektakel ungeheuer genossen habe. Was blieb einem auch anderes übrig. Meine Bewunderung für Hillary Clinton ist dabei ins Unermessliche gestiegen. Und ihre weißen Hosenanzüge sind einfach genial! Gestern Abend habe ich aus irgendeiner Laune heraus Fehlfarben gehört: „Keine Atempause / Geschichte wird gemacht / Es geht voran.“ Ha.



Wednesday, May 4, 2016

Fotos von meiner Festplatte – Ein Insta-Trillium

Trillium (Trillium grandiflorum) in Michigan © Cornelia Schaible
Vor etwas mehr vier Jahren postete ich mein erstes Instagram-Foto, ein Trillium. Das fiel mir gestern wieder ein, als ich bei einem Spaziergang das erste voll erblühte Exemplar in Wohnungsnähe fand. Offenbar war die Frühjahrsblüte damals etwas zeitiger dran, denn das obenstehende Originalfoto knipste ich am 27. April 2012 mit meinem Fon. Ich hatte von Instagram gehört und fand die Idee verlockend, so ein Foto ohne viel Federlesens unter die Leute zu bringen. Und zwar nach Herzenlust gefiltert und womöglich mit Rähmchen versehen, was bei Stockfotos natürlich streng verboten ist. Die quadratischen Bildchen sind für mich inzwischen mehr als eine Spielerei; ich sehe es als eine Art persönliche Herausforderung an, mit beschränkten Möglichkeiten zu arbeiten und trotzdem ab und zu ein interessantes Ergebnis zu erzielen. Ich veröffentliche nicht sehr viel, aber es ist mir eigentlich nie langweilig geworden. Und bereits am vergangenen Wochenende habe ich – im wärmeren Grand Rapids – wieder einmal die ikonische dreizählige Blüte ins Bild gesetzt.