Wednesday, July 12, 2006

Ann Arbor gegoogelt

„Die Leute in Ann Arbor sind ganz aufgeregt", sagte mir John Hieftje heute Morgen am Telefon. Hieftje ist der Bürgermeister der Universitätsstadt im Süden von Metro Detroit, die das größte College-Football-Stadium der Welt ihr eigen nennt. Logo, dass jeder Amerikaner das Emblem der Uni kennt: Ein gelbes "M" auf blauem Grund. Go Blue! Das sagt sich jetzt auch Google - das kalifornische Unternehmen schafft in Ann Arbor 1000 Arbeitsplätze, wie gestern bekannt wurde. Und Mayor Hieftje freut sich: „Das ist genau der Typ von Unternehmen, der hierher passt!"

Nun liegt Ann Arbor im Bundesstaat Michigan, der in jüngster Zeit eher mit seiner krisengeschüttelten Autoindustrie Schlagzeilen machte als mit der Ansiedlung von Hightech-Unternehmen. Im April betrug die Arbeitslosenquote noch 7,2 Prozent und lag damit deutlich über dem US-Durchschnitt. Zwar sank die Quote im Mai um gut einen Prozentpunkt, gleichzeitig hatte aber auch die Zahl der Personen, die dem Arbeitsmarkt in Michigan zur Verfügung stehen, überraschend abgenommen.

Eine mögliche Erklärung: Immer mehr Menschen ziehen in den Süden der USA, wo die japanischen Autofirmen ihre Fabriken bauen. Die Gewerkschaften haben dort praktisch keinen Einfluss. In Michigan, wo die meisten Autoarbeiter gewerkschaftlich organisiert sind, errichten die Japaner allenfalls Forschungszentren – am liebsten in der Nähe der „University of Michigan". Toyota plant gerade ein neues Technologiezentrum in der Nähe von Ann Arbor, und Hyundai forscht ebenfalls in der Unistadt.

Offenbar schätzt auch Google die Nähe zur renommierten Universität. Derzeit beschäftigt das Internet-Unternehmen mit Hauptsitz im kalifornischen Mountain View 5680 Mitarbeiter. Für die 1000 neuen Jobs, die der Suchmaschinenbetreiber innerhalb der nächsten fünf Jahre nach Ann Arbor bringen will, sollen Presseberichten zufolge heimische Fachkräfte angeheuert werden – ein Studium ist Voraussetzung. Die Stellenausschreibung hat bereits begonnen. "Michigan has been Googled!" sagte Gouverneurin Jennifer Granholm gestern bei der Pressekonferenz. Oder viel mehr Ann Arbor.

Aus Ann Arbor kommt künftig die spezielle Internetwerbung, mit der Google Geld verdient: die so genannten AdWords. Das sind die nervigen Textanzeigen, die bei Eingabe eines Suchwortes gleich neben den Ergebnissen in einer Spalte eingeblendet werden. Zur Entscheidung, das Hauptquartier für Werbung in Ann Arbor anzusiedeln, hat sicher auch beigetragen, dass der Google-Mitbegründer und heutige Produktchef Larry Page ein Absolvent der „U of M" ist. Page, 33, stammt ursprünglich aus East Lansing, ebenfalls Sitz einer Universität. An Uni-Absolventen gibt es in Michigan wahrlich keinen Mangel, allerdings wandern die meisten nach dem Examen ab.

In Michigan hofft man nun natürlich, dass Google eine Vorreiterrolle spielt und sich im Bundesstaat weitere Hightech-Unternehmen und Forschungseinrichtungen ansiedeln, als Ersatz für die verlorenen Arbeitsplätze in der Autoindustrie. Washtenaw County, zu dem Ann Arbor gehört, hat den Wechsel schon vollzogen – der Landkreis im Süden der Autometropole Detroit verzeichnet eine Arbeitslosenquote von gerade mal 4 Prozent. Ein neues Silicon Valley ist Ann Arbor damit aber noch nicht: Google ist das erste große Unternehmen aus dem Bereich der Informationstechnologie in Washtenaw County; ein paar kleinere Firmen sind schon länger hier ansässig. Mayor Hieftje hofft aber, dass weitere nachziehen: „Es kann nicht schaden, noch ein paar Jobs mehr zu kriegen!"

Das Lokalblatt „The Ann Arbor News" stellte heute schon die Frage, wo die Beschäftigten bloß alle parken sollen. Vielleicht gibt Google ja den Anstoß, den Nahverkehr weiter auszubauen. Das ist auch so ein Traum des Bürgermeisters.