Sunday, February 25, 2007

Osgore

Wir sind Oscar! Wie schön, dann läuft das "Leben der Anderen" vielleicht sogar in absehbarer Zeit hier in der Nähe. Denn "Little Miss Sunshine" wird jetzt in den großen Lichtspielhäusern gezeigt, dann haben die Programmkinos Kapazitäten frei. Sonst könnte man sich noch einmal die "Queen" anschauen. Helen Mirren ist einfach königlich, und die Hommage an die echte Queen Elizabeth ging einem nahe. Man muss sich das wirklich einmal vorstellen: 50 Jahre lang immer die gleiche Frisur! Auf Catherine Deneuve trifft das zum Glück nicht zu. Seit wann spricht sie eigentlich Englisch? Ich hatte sie erst gar nicht erkannt. Auch Jack Nicholson sah sich diesmal nur noch entfernt ähnlich; er war offenbar extra für die Academy Awards beim Friseur, hatte aber keine Lust auf Waschen und Legen. Dafür trug er eine schwarze Sonnenbrille, damit er nicht ganz so kahl wirkte. Und Cameron Diaz ist jetzt plötzlich brünett.

Das war überhaupt eine Oscar-Nacht, in der einem viel geschenkt wurde - und viel erspart blieb. Man musste Martin Scorsese nicht noch einmal enttäuscht in den Sitz zurücksinken sehen. Vor allem aber gab es einen Oscar für den Mann, der einmal "der nächste Präsident der Vereinigten Staaten" war, wie er sich in seinem Film vorstellt. Und dazu kam viel befreiendes Gelächter. "My fellow americans, I’m going to take this opportunity, here and now, to formally announce..." Hahaha. Hatte wirklich jemand im Ernst gedacht, Al Gore würde noch einmal eine Präsidentschaftskandidatur in Erwägung ziehen? Gegen Hillary?

So hat eben alles sein Gutes. Und die unbequeme Wahrheit ist: Hätte Gore damals sein Amt antreten dürfen, wäre er nie mit seiner Klimawandel-Diashow durch die Lande getingelt. Und die Amerikaner hätten nie erfahren, dass der Ex-VP eigentlich ein ganz witziger Kerl ist. Obwohl er ja so unerfreuliche Dinge erzählt. Aber irgendwie kommt das so verbrüdernd rüber. Oder wie die mit einem Oscar für den Film-Song ausgezeichnete Melissa Etheridge meinte: Die Erde zu retten, ist schließlich nicht republikanisch oder demokratisch. "Wir sind jetzt alle grün." Group hug, group hug!

Wednesday, February 21, 2007

Fastenspeisen

Der Karneval in Detroit beschränkt sich im wesentlichen auf den unmäßigen Verzehr von Paczki, der polnischen Variante des Fastnachtskrapfens, der mit seiner Marmeladenfüllung am ehesten einem deutschen Berliner ähnelt. Fat Tuesday ist hier einfach Paczki Day. Im Anschluss daran könnte ja ein bisschen fasten nicht schaden. Denkt man sich. Tatsächlich war am heutigen Aschermittwoch in allen Medien die Rede vom Beginn der Lenten season. Aber genau wie in Deutschland ist die Fastenzeit in erster Linie ein Vorwand, um mal wieder so richtig fett Fisch essen zu gehen.

Die "Detroit Free Press" bringt heute praktischerweise gleich eine ganze Liste von Restaurants, in denen man Fish & Chips essen kann. Die Fotos dazu machen Appetit: Üblicherweise verbirgt sich der Fisch unter einer knusprig braunen Hülle aus Bierteig, und er wird mit einem Berg von Fritten sowie Remoulade und Cole Slaw serviert. Vor allem irische Pubs haben sich darauf spezialisiert. Kein Zweifel - zu dieser Fastenspeise würde auch ein Fastenbierchen gut passen.

Na dann: fröhliche Fastenzeit! Und guten Appetit.

Thursday, February 15, 2007

Über meine Marotte

Ich habe eine Marotte. Wer jetzt denkt, das ist eigentlich nichts Neues und überhaupt hat sie nicht bloß eine, mag sogar Recht haben – nur habe ich das nicht gemeint. Meine Marotte steht nämlich links von mir auf dem Schreibtisch, trägt eine Schellenkappe und lächelt schelmisch, wenn ich mal wieder mit Formulierungen ringe. Der aus Holz geschnitzte Puppenkopf im Narrenkleid ist aufEin Narrenzepter, auch Marotte genannt © Cornelia Schaible einen Stab montiert: So hat der Fastnachtsnarr bei seinem Einsatz die Marotte fest im Griff. Das ist praktisch, schließlich handelt es sich bei der Figur um sein wichtigstes Attribut, das Narrenzepter. Und wenn der Narr in den Hochburgen der schwäbisch-alemannischen Fastnacht das Regiment führt, ist sein kleines Ebenbild immer dabei.

Dass es sich bei der Marotte nicht etwa um einen beliebigen Kopf handelt, sondern dass sie tatsächlich als Porträt des närrischen Trägers zu verstehen ist, zeigt der Freiburger Volkskundler Werner Mezger in seinen Untersuchungen zu Ursprung und Sinn der Fastnacht. „In der Figur am oberen Ende seines Stabes erkennt der Narr sein eigenes Konterfei, sieht er gewissermaßen sich selbst“, schreibt Mezger in seinem Buch „Narrenidee und Fastnachtsbrauch“. Und weiter: „Dies erklärt auch, warum auf einem Großteil aller Darstellungen die Narren ihren Stab stets so in der Hand halten, dass dessen Miniatur-Torengesicht ihnen entgegenblickt.“

Gründlich mit dem Thema befasst habe ich mich in meiner Zeit als Redakteurin in Rottenburg am Neckar, wo sich zumindest die meisten Alteingesessenen heute wieder „eine glückselige Fasnet“ wünschen. In Rottenburg ist die Figur des Hofnarren Halberdrein der offiziellen Fasnets-Repräsentantin Gräfin Mechthild beigeordnet. Am heutigen Schmotzigen Donnerstag verkündet die Gräfin vom Rathausbalkon aus die Eröffnung der Rottenburger Fasnet und übergibt dem Hofnarren symbolisch die Schlüssel der Stadt. Dann regiert die Narretei.

Das Schöne am Rottenburger Hofnarr: Er entspricht in seinem Erscheinungsbild perfekt dem mittelalterlichen Standardnarren – und verkörpert so den Fasnachtsgedanken schlechthin. Ursprünglich bezeichnete der Narr eine Außenseiterexistenz. „Die Gestalt des Narren widersetzt sich allen Regeln der Vernunft“, schreibt Mezger. Im Zusammenhang mit der Fastnacht bot die Rolle des lachenden Narren vielfältige Identifikationsmöglichkeiten. Auch als Figur, die vernarrt in ihr Ebenbild ist. Mezger: „Die Marotte versinnbildlicht letztlich genau das, was nach der spätmittelalterlichen Überzeugung der Kern aller Narrheit war: Die Liebe zu sich selbst.“

So wird verständlich, dass die Marotte, sprachgeschichtlich mit der Marionette verwandt, im Deutschen wie im Französischen bald nicht mehr nur konkret das Narrenzepter bedeutete, sondern im übertragenen Sinne auch für eine närrische Verhaltensweise stand: „Eine Marotte haben – avoir une marotte“ ist bis heute eine feststehende Redewendung geblieben.

Die Marotte auf meinem Schreibtisch, die mir einst ein guter Freund geschenkt hat, kann darüber nur lachen. Und dann schüttelt sie den Kopf, dass die Schellen klingen.

Monday, February 12, 2007

Und so Ford

Es kommen doch noch gute Nachrichten aus Michigan – wenigstens für Ford-Fans (falls es so etwas gibt). Wenn ich am Bildschirm die Schlagzeilen der Detroiter Zeitungen lese, schmeckt mir für gewöhnlich der Frühstückskaffee nicht mehr – und das liegt weniger am Kaffee. Berichte über Massenentlassungen und die chronische Finanznot des Bundesstaates sorgen nicht gerade für gute Laune. In solchen Zeiten bauen einen schon Kleinigkeiten auf. Etwa, dass Ford den Modellnamen „Taurus“ wiederbeleben will. Na, ist das etwa nichts?

CEO Alan Mullaly kündigte vergangene Woche an, die Ford Motor Company werde den Ford Five Hundred in Taurus umbenennen. Damit soll ein für Käufer bislang wenig attraktives Auto einen vertrauten Namen bekommen. Vor allem aber erinnert der Taurus an bessere Zeiten bei Ford: Das Modell war lange Zeit ein amerikanischer Bestseller. Als der Taurus 1986 auf den Markt kam, galt er sowohl optisch als auch technisch als kleine Sensation. Die aerodynamische Form des Wagens prägte das Stilempfinden einer ganzen Epoche.

Mit jeder Modellgeneration verlor der Taurus jedoch an Eleganz, und am Ende war daraus ein Langweiler geworden. Zuletzt war er überhaupt nur noch für Flottenkunden erhältlich – ein Auto für die Billigrate bei Hertz. Ende Oktober 2006 lief der letzte vom Band. Was die Komödiantin Amy Poehler zum Nachruf bewegte: „After 21 years and sales of nearly 7 million cars, Ford has announced that it will no longer make the Taurus, forcing many thirtysomethings to find a new way to show the world they’ve given up on their dreams.“

Die Verbraucher scheinen dem Autohersteller die Entscheidung nie verziehen zu haben, und sie kauften immer weniger Fahrzeuge mit dem blauen Oval. Dass Menschen an Markennamen hängen, ist indessen nichts Neues – als das deutsche „Raider“ aus Gründen einer globalen Markenstrategie 1991 zu „Twix“ wurde, vergrätzte das eine ganze Generation von Schokoriegel-Essern. Und dass die „Zonenkinder“ auf ewig Puffreis und „Leninschweiß“ (einer roten Limonade) nachtrauern, kann man im Buch von Jana Hensel nachlesen.

Warum Ford den Taurus letztlich aus dem Verkehr zog, hat noch einen anderen Grund: Alle neuen Modellnamen in der PKW-Sparte sollten künftig mit dem Buchstaben „F“ beginnen – wie der Focus, der Freestar, der Fusion und so Ford. Dass der Taurus eine Lücke hinterlassen würde, damit hat wohl niemand gerechnet. Aber die Verbraucher würden wahrscheinlich auch aufheulen, wenn plötzlich Wonderbread oder Fanta vom Markt verschwänden. Auf Produktentzug reagiert der Konsument nicht selten mit narzisstischer Kränkung.

Monday, February 5, 2007

0 Grad Fahrenheit

Schnee, der bei großer Kälte fällt, hat eine ganz eigene Konsistenz: Er knarzt unter den Stiefeln. Ich hatte vergessen, wie sich das anhört. Weil ich außerdem verdrängt hatte, wie sich 0 GradDetroit von Belle Isle, bei 0 Grad Fahrenheit © Cornelia Schaible Fahrenheit anfühlen, waren wir gestern kurz draußen, obwohl am Superbowl-Sonntag dafür eigentlich keine Notwendigkeit bestand. Aber ich wollte einfach mal wieder üben.

Wer aus Deutschland kommt, hat üblicherweise ein unterentwickeltes Verhältnis zur Kälte – wahrscheinlich liegt es daran, dass dort in Grad Celsius gemessen wird. Da gelten Temperaturen um den Gefrierpunkt schon als kalt. Aber hier in Michigan, im winter wonderland, da fängt der Spaß erst bei subzero an. Das bedeutet: Die Temperaturen fallen unter minus 17,8 Grad Celsius oder so. Dann stellen die Leute lustige kleine Häuschen auf die zugefrorenen Seen und widmen sich dem Eisfischen. Dazu bohren sie ein Loch ins Eis. Ich für mein Teil begnüge mich damit, ein Loch in die Eisschicht auf meiner Windschutzscheibe zu kratzen.

Heute morgen zeigte das Thermometer deutlich subzero, was offenbar die Schulbusse nicht mochten. Jedenfalls gab es in den meisten Schulbezirken der Region schulfrei. Mein Jeep hustete nur kurz, sprang dann aber tadellos an. Die Heizung tat sich allerdings schwer. Trotz dicker Handschuhe hatte ich zunächst das Gefühl, am Lenkrad Frostbeulen zu bekommen. Und daran möchte ich mich lieber nicht gewöhnen.

Thursday, February 1, 2007

Groundhog Day

Morgen ist Murmeltiertag. Das ist kein nationaler Feiertag in den USA, alle müssen arbeiten. Trotzdem hat der Groundhog Day einen festen Platz im amerikanischen Jahreslauf: Am 2. Februar, so will es die Tradition, erwacht das Murmeltier aus dem Winterschlaf und streckt seinen Kopf aus dem Bau. Sieht das Tier seinen Schatten, geht der Winter noch sechs Wochen lang. Sieht es ihn nicht, weil’s regnet oder schneit, ist auch der Frühling nicht mehr weit.

Das erinnert an die gute alte Bauernregel für den heutigen Tag: „Ist’s zu Lichtmess klar und hell, kommt der Frühling nicht so schnell.“ Tatsächlich geht der Groundhog Day auf deutsche Einwanderer zurück, die das Fest Mariä Lichtmess auch in ihrer neuen Heimat feierten. Und statt wie ursprünglich Dachs oder Igel zu beobachten, die nach dem Winterschlaf ins Freie krochen, übertrugen sie das Brauchtum auf den Groundhog (Marmota monax). Bei dem handelt es sich zwar nur um einen nahen Verwandten des europäischen Murmeltiers (Marmota marmota), das dem Wanderer in den Alpen nachpfeift. Aber die Viecher sehen sich ziemlich ähnlich.

Nun wäre der Murmeltiertag höchstens ein Thema für Kindergärten und Grundschulen, gäbe es im Bundesstaat Pennsylvania nicht das Städtchen mit dem unaussprechlichen Namen Punxsutawney. In der selbst ernannten „Welthauptstadt des Wetters“ wird der Murmeltiertag alljährlich mit Pomp und unter Anteilnahme der großen Fernsehstationen begangen – Held des Tages ist Phil, ein wohl genährter Nager mit graubraunem Pelz.

Morgen am Groundhog Day pilgern die Einwohner von Punxsutawney wieder auf einen nahe gelegenen Hügel, den Gobbler’s Knob. Angeblich geht das seit 1887 so, nur sind heutzutage noch ein paar tausend Touristen dabei. Um genau 7.25 Uhr Ostküstenzeit wird das Murmeltier, das sonst in einem Gehege bei der örtlichen Bücherei lebt, der Menge präsentiert. Schatten oder nicht, ist dann die Frage – und damit hat Phil seinen Job getan. Bis zum nächsten Jahr. Die Szene ist im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ aus dem Jahr 1993 festgehalten. Ein TV-Wettermacher, verkörpert von Bill Murray, gerät ausgerechnet am Murmeltiertag in eine persönliche Zeitschleife.

Phil, das Murmeltier, war allerdings schon vor der Verfilmung ein Star – 1986 folgte der Nager einer Einladung des damaligen Präsidenten Ronald Reagan ins Weiße Haus. Inzwischen hat der tierische Wetterprophet einige Konkurrenz bekommen, auch hier in der Detroiter Gegend. Im Howell Nature Center sagt Woody das Wetter voraus. Six more weeks of winter? You bet.

Mehr dazu auf www.groundhog.org.

Nachtrag:
Murmeltier Phil hat seinen Schatten nicht gesehen, meldeten die Nachrichtensender. Aber an einem Tag, an dem in Florida 20 Menschen bei einer Tornadoserie umkommen, wirkt derartige Wetterfolklore ohnehin ziemlich unzeitgemäß.