Monday, December 31, 2007

Chitterlings

Vor den Feiertagen entdeckte ich in den Supermarktprospekten, die uns allwöchentlich ins Haus flattern, den Namen einer mir unbekannten Spezialität: Pork Chitterlings. Dass es sich dabei um ein saisonal typisches Gericht handelt, schloss ich aus der Platzierung zwischen den landesüblichen Festtagsbraten, nämlich Truthahn und glasiertem Schinken. Allerdings war das Produkt selbst nicht abgebildet, sondern nur der Behälter. Preisfrage: Welche delikate Speise wird im 10-Pfund-Eimer verkauft, für nicht einmal 5 Dollar?

Mit der Vermutung, das müssten irgendwelche Eingeweide sein, lag ich richtig. Chitterlings, in einer mehr phonetischen Schreibweise auch als Chitlins bezeichnet, sind die Gedärme vom Schwein. Gekocht und geschmort, gelten sie vor allem im Süden der USA als Delikatesse – oder bei Liebhabern von Southern Food. Im Angebot haben sie vor allem Supermärkte, die auf eine afroamerikanische Kundschaft zielen, was natürlich kein Zufall ist.

Die Schweine wurden einst vor Weihnachten geschlachtet, und die Plantagenbesitzer der Südstaaten überließen ihren Sklaven dann die weniger begehrten Teile. Nun, es kommt darauf an, was man daraus macht: Heute gelten die Chitterlings als regionale Spezialität – in South Carolina wird sogar ein Festival rund um die schweinernen Innereien gefeiert. Wie bei anderen einstigen Arme-Leute-Essen ist die Zubereitung äußerst langwierig.

Wer jetzt die Nase rümpft und laut Pfui ruft, sollte bedenken: Auch die Franzosen lieben ihre Andouillette, eine Gekrösewurst. Und selbst – schon einmal an einer Weißwurst gezuzelt? Ja? Na also. Auch die Münchner Spezialität, die gerade jetzt an Neujahr wieder massenhaft verzehrt wird, kommt im Naturdarm. Vom Schwein. Genau wie die schwäbischen Leber- und Blutwürste, die ich im Sauerkraut mitkochen ließ, bis sie platzten… Aber das ist ein Thema, das ich mir für ein andermal reserviere.

Sunday, December 30, 2007

Jetzt wird gespart

Dem Bundesstaat Michigan geht’s wirtschaftlich schlecht. In Zeitungen ist die Rede von einer Ein-Staat-Rezession, und die Arbeitslosenquote liegt deutlich über dem nationalen Durchschnitt. Viele suchen ihr Glück anderswo. Über 30.000 Menschen sind in jüngster Zeit in hoffnungsvollere Gefilde abgewandert, melden die Behörden – und die Zurückgebliebenen müssen sparen. Das wurde mir kurz vor Weihnachten klar, als ich im Luxus-Einkaufszentrum „Somerset Collection“ shoppen ging: Ich musste auf meinem Lieblings-Parkdeck nur zwei Runden drehen, und schon hatte ich einen Parkplatz. Das gab’s noch nie.

Wie ernst die Lage wirklich ist, zeigte ein Erlebnis meiner Freundin: An Heiligabend erwischte sie bei Costco gerade noch die letzte Packung Räucherlachs. Beinahe hätte ihr eine andere preisbewusste Lady den Leckerbissen vor der Nase weggeschnappt. Costco ist ein Markendiscounter, der seinen Kunden 45 Dollar Mitgliedsbeitrag abknöpft, bevor er sie auf Schnäppchenjagd gehen lässt. Costco-Produkte sind inzwischen bei Partys in den besten Kreisen salonfähig, und im Kellerregal so mancher Vorstadtvilla ist das komplette Weinsortiment des Discounters gebunkert. Da kann man richtig sparen.

Zu denken gab mir allerdings, dass gestern eine Palette mit Champagner – eine Veuve Clicquot für lächerliche 30 Dollar – noch kaum berührt schien. Wahrscheinlich geht’s noch billiger. Bei Trader Joe, einem anderen Discounter unter Aldi-Regie, gibt’s einen anständigen Prosecco für unter 10 Dollar. Aber wer im Cadillac, Jaguar oder Hummer vorfährt, hat es meistens auf einen anderen edlen Tropfen abgesehen: Üblicherweise fährt so eine Luxuskarosse mit einer Kiste Charles Shaw im Kofferraum davon. Die Flasche – unter Eingeweihten Two Buck Chuck genannt – kostet in Michigan 2,99 Dollar. Hey, das ist immer noch teurer als das Benzin für den Edelschlitten!

Trotz der ganzen Misere werden die meisten ihren Silvesterabend allerdings nicht mit einer Flasche Pennerglück vor dem Bildschirm verbringen. Die Restaurants tragen der Tatsache Rechnung, dass den Kunden das Geld nicht mehr so locker sitzt, und haben ihre Silvestermenüs neu kalkuliert. Wie gestern in den „Detroit News“ zu lesen war, verlangt das angesagte „Seldom Blues“ im RenCen heuer nur noch schlappe 300 Dollar pro Paar für die Silvestersause, die sogar Live-Musik mit einschließt. Im vergangenen Jahr waren dafür noch 500 Dollar fällig. „I did it solely because of the economy“, sagte der Restaurantinhaber dem „Detroit-News“-Reporter, und wahrscheinlich guckte er dabei ziemlich bestürzt. „The economy is causing a lot of people not to come out.“

Genau. Jetzt wird nämlich gespart – koste es, was es wolle.

Friday, December 28, 2007

With Roasted Duck or Friends

"Enjoy it with roasted duck, rosmary-garlic pork or with friends when you just monkey around."

Besser nicht ganz wörtlich zu nehmende TRINKEMPFEHLUNG auf dem Etikett einer Flasche "Pinot Evil", gesehen bei Cost Plus World Market.

Sunday, December 23, 2007

Santa kam im Wohnmobil

Heute Nachmittag sah ich ein Auto mit einem Christbaum auf dem Gepäckständer, was mich doch einigermaßen erstaunte. Zwei Tage vor Weihnachten! Bestimmt war damit ein Deutscher unterwegs – die Amerikaner stellen ihren Weihnachtsbaum kurz nach Thanksgiving auf. Kaum hat sich Santa wieder auf die Socken gemacht, wird der Tannenbaum allerdings abgebaut. Es reicht dann auch.

Insofern verläuft ein deutsches Weihnachtsfest antizyklisch: Der Baum wird erst vor der Bescherung geschmückt. Dafür ziert er die gute Stube bis Dreikönig, wenn nicht länger. Genauso war es auch bei meiner Freundin Christina, deren Eltern aus Göttingen kamen: „Wir haben immer erst am Heiligabend einen gekauft.“ Die Kinder freute das allerdings gar nicht. „Jeder in den USA hatte einen Baum – nur wir nicht. Das war embarrassing. Und dann stand das Ding bis Februar, und es war nichts mehr drauf.“

Natürlich wurde in ihrer Familie schon am Heiligabend beschert, und zum Essen gab es Heringssalat und deutsche Brötchen. Und dann kam – nein, kein Dicker im roten Kostüm mit weißem Rauschebart. Der war nicht zuständig. Santa drehte zwar auch seine Runde durch die Nachbarschaft: ganz zeitgemäß im Wohnmobil, mit vielen bunten Lichtlein dran. Aber er roch nach Alkohol – „wahrscheinlich hat er überall einen Drink bekommen“. Zu allem Überfluss war er in Begleitung von Elfen, die Minirock trugen und Christinas Beschreibung zufolge aussahen wie Funkenmariechen. Und dann fragte Santa die Kinder noch: „Are you bad?“

Das war in den Siebzigern, wohlgemerkt. „Santa Claus war eine Witzfigur für uns“, so meine Freundin. Für sie und ihre Geschwister war die Sache klar: „Santa Claus kommt zu amerikanischen Kindern und das Christkind kommt zu deutschen Kindern.“

Mit dem Christkind war es schon etwas anderes. „Daran haben wir geglaubt. Felsenfest.“ Obwohl man es einfach nicht zu fassen bekam. „Meine Mutter hat die Tür zugemacht, und wir haben gewartet. Und gewartet.“ Sie hätten einen alten Plattenspieler gehabt, und als der anfing zu spielen, seien sie alle ins Zimmer gestürzt.

Das Fenster stand ein Stück offen, die Gardine flatterte. "Und wir hatten das Christkind wieder einmal verpasst."

Wednesday, December 19, 2007

Wally Bronner

In Heinrich Bölls Erzählung „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ gibt es eine Tante Milla, die darauf besteht, dass ihre Familie ganzjährig einen festlich geschmückten Baum bereithält und jeden Abend „Stille Nacht“ intoniert. Tante Milla ist nämlich nie darüber hinweggekommen, dass es während der Kriegsjahre keinen Baum zum Schmücken gab, und muss nun mittels Tannenbaumtherapie und Dauerweihnachten ruhig gestellt werden. Nun ist (jedenfalls mir) nicht bekannt, was die lebenslange Weihnachtseuphorie bei Wally Bronner auslöste. Aber eines ist sicher: Tante Milla kann einpacken. In „Bronner’s Christmas Wonderland“ stehen Hunderte vonWally Bronner © Cornelia Schaible Tannenbäumen (aus Plastik, das hätte Tante Millas Familie auch praktisch gefunden). Und in der Stille-Nacht-Kapelle, die der Geschäftsmann aus dem kleinen Ort Frankenmuth in Michigan errichten ließ, ertönt das in alle möglichen Sprachen übersetzte Weihnachtslied in einer Endlos-Schleife.

Kein Zweifel: Der Mann kann von Weihnachten einfach nicht genug kriegen. Bereits seit dem Jahr 1945 ist der heute 80-jährige Bronner im Geschäft. 1954 eröffnete er seinen ersten Laden mit allerlei Dekorationsmaterial zum Christfest, der sich schließlich zum Weihnachts-Supermarkt auswuchs. Seine roten Sakkos trägt er so selbstverständlich wie Santa Claus die Zipfelmütze (bei Empfängen erscheint Bronner aber schon einmal in Dunkelgrau, siehe Bild). Und am kommenden Samstag und Sonntag wird er wieder mit Kunden Weihnachtslieder singen, am Harmonium begleitet von seiner Frau Irene.

Bevor ich Wally Bronner persönlich kennenlernte, konnte ich mir das einfach nicht vorstellen. Weihnachten, lebenslang – wie hält einer das aus? Aber Bronner scheint damit keine Mühe zu haben, ganz im Gegenteil: Neben seiner Geschäftstüchtigkeit ist eine heitere Gemütslage unverkennbar. Wenn er die Leute an einem warmen Septembertag mit einem herzhaften „Merry Christmas“ begrüßt, lachen sie. Und die Weihnachtslieder singt der deutschstämmige Unternehmer sogar in der Sprache seiner Vorfahren. Selbst die Familie macht mit – anders als bei Tante Milla. Neben dem Seniorchef und seiner Gattin sind sechs weitere Familienmitglieder im ganzjährigen Weihnachtsgeschäft tätig.

Nun hat Wally Bronner außer einem unübersehbaren Hang zu Weihnachten noch eine zweite Leidenschaft – wahrscheinlich ist diese überhaupt der Grund für das ganze Spektakel, das sich dem Besucher am Ortseingang von Frankenmuth bietet. Aber das erschließt sich nicht sofort, man muss dafür einige Male dort gewesen sein. „Wie viele Schilder siehst du?“, fragte mein Mann plötzlich, als wir auf dem riesigen Parkplatz des „Christmas Wonderland“ standen und (wieder einmal) kopfschüttelnd die seltsame Szenerie betrachteten, inklusive all der Santas und Schneemänner und Krippenfiguren aus Plastik. Schilder? Schilder!

Es gibt zwar ein paar Bäume rings um den Weihnachts-Supermarkt, aber was da vor allem wächst, ist ein riesiger Schilderwald: Wegweiser. Verkehrsschilder. Warnhinweise. Unzählige Beschriftungen und Erklärungen. Über der überlebensgroßen Krippenszene vor dem Eingang verkündet eine Inschrift: „Enjoy CHRISTmas, it’s HIS Birthday; Enjoy Life, It’s HIS Way“ – das Firmenmotto. Daneben steckt ein Schild mit einem länglichen Text unter Überschrift „2000th Anniversary of Christ’s Birth“. Auf den zahlreichen Papierkörben steht vorne „LITTER“ und auf der Seite die Übersetzung in 14 Sprachen. Und vor einem Santa im Rentierschlitten warnt das Verkehrsschild „DEER XING“.

Tatsächlich heißt es in der offiziellen Firmenchronik, dass der junge Wallace Bronner schon als 16-Jähriger seine ersten Schilder malte – nach der Schule, im Keller der Eltern. Er bemalte auch Tafeln für Schaufensterdekorationen. So kam er wie von selbst zum Weihnachtsgeschäft – eine ideale Verbindung. Und heutzutage erglänzen 100.000 Lichtlein entlang der Christmas Lane zum Weihnachtswunderland. Jeden Abend.

Mehr über Wally Bronner: Ein Weihnachtsgeschäft fürs ganze Jahr

Monday, December 10, 2007

Weihnachts-Marathon

In diesem Jahr war ich bei zwei Weihnachtsfeiern – beide waren im November. Mein Vorschlag, die Christmas-Partys etwas mehr in zeitlicher Nähe zu Weihnachten zu feiern, fand kein Gehör. Im Dezember hätten die Leute für so etwas keine Zeit, hieß es. Wie bitte?

Dabei ist die amerikanische Vorweihnachtszeit sowieso schon deutlich länger als in Deutschland, wo der Countdown mithilfe von vier Kerzen gezählt wird. Der Truthahn ist noch nicht einmal richtig verdaut, dann wird schon zur Schnäppchenjagd geblasen – am Black Friday nach Thanksgiving ist offizieller Startschuss für den Shopping-Marathon.

Aber Santa Claus ist manchmal sogar noch früher unterwegs. Aus irgendeinem Grund waren wir am Mittwoch vor Thanksgiving in der Mall. Dort trafen wir nicht nur auf unendlich viele frisch eingestellte Saisonkräfte, die aufgeregt von einem Bein aufs andere hüpften, sondern auch auf kleine Mädchen in Prinzesskleidern sowie Jungs mit frisch gezogenem Seitenscheitel. Die lieben Kleinen wurden von ihren Eltern zum Fototermin mit Santa geschleppt. Falls das jüngste Geschwisterchen dann anfing zu brüllen und die Porträtsitzung insgesamt ein Desaster wurde, bestand so früh in der Saison immerhin eine realistische Chance, das Ganze zu wiederholen. Und trotzdem die Weihnachtskarten rechtzeitig fertig zu kriegen.

Selbst der Christkindlmarket in Chicago beginnt eine Woche früher als sein Vorbild in Nürnberg. Und lange bevor es dann endlich Weihnachten wird, hat man genug von Lichterglanz und Plastiktannengrün und Glöckchengebimmel. Es ist ein Gefühl, als hätte man zu viele Plätzchen gegessen. Als wäre das Fest schon vorbei.

Die Weihnachtslieder sind jedenfalls bereits verklungen: Die Historic Trinity Church in Detroit zelebrierte ihren deutschsprachigen Weihnachtsgottesdienst gestern, also am zweiten Adventssonntag – mit Lesung der Weihnachtsgeschichte, „Stille Nacht“ und allem Drum und Dran. Nach dem Ende der Feier gab der Hausherr, Pastor David Eberhard, allen Gottesdienstbesuchern die Hand und wünschte: „Merry Christmas!“

Danke, Herr Pfarrer. Aber erst in zwei Wochen.

Friday, December 7, 2007

Daimler-Dikzionärle

"Verfahrensanweisung alle Werke: Aus gegebenem Anlass und in Gedenken an unseren schwäbischen Firmenvater sind mit sofortiger Wirkung folgende Wörter, ohne Ausnahmen, wie angegeben zu ersetzen!
Commitment
Workflow
Leadership
Meeting
Feedback
Fuel economy
Lifecycle
Controlling
Lobbying
Senior manager
Chairman
Chief engineer
Manager
Teamleiter
Executive committee
Aging workforce
Handout
Onepager
Features
Cup holder
Keyless go
Airbag
Research
Development
hemmer ausgmacht
so wurds gmacht
dia wo sagen wies gmacht wurd
zamma hocka
saga was bassiert isch
Sprit spara
so alt wies wurd
noch em Geld gugga
romkriega
Scheff
Scheff
Scheff
Scheffle
Scheffle
elle graoße Scheff
alde Kollega
ebbas zom mitgeba
uff oem Blatt
Lombakruscht
Tassahalter
ohne Schlissel fahra
Luftgugg
probiera / bästla
bästla / probiera

ond die Zeidong für die Scheff ond Scheffla hoeßt nemme "Headline", sondern "Iberschrift"."

RUNDMAIL bei Daimler, die auch außerhalb des Konzerns als Ausdruck kursiert, leicht gekürzt.

Wednesday, December 5, 2007

Canine Couture

Neulich begegnete mir im Einkaufszentrum ein Mops, der eine schicke braune Lederjacke trug. Er sah so richtig knuffig darin aus. Und mir wurde klar: Die Mode ist auf den Hund gekommen.

Nun sind Hundeklamotten an sich nichts Neues. Paris Hilton zieht ihrem Chihuahua Tinkerbell seit langem nette Kleidchen an, und wenn ihr langweilig ist, entwirft sie auch schon mal selbst welche. Das geht in Ordnung; so ein Chihuahua sieht ohnehin immer aus, als ob ihn fröre. Aber erst als mir beim Blättern in einem Modekatalog ein roter Hunde-Kaschmirpullover für 70 Dollar in die Augen fiel, fing ich an, das Thema wirklich ernst zu nehmen.

Eine kleine Internet-Recherche entführte mich alsbald in die Parallelwelt der canine couture. Fast alles, was für Frauchen oder Herrchen modisch angesagt ist, gibt’s auch leicht geschrumpft für Fifi – sogar Jeansjäckchen oder Kapuzenpullis. Wer möchte, kann seinen eleganten Vierbeiner auch im Abendkleid beziehungsweise in Frack und Zylinder ausführen.

Bei aller Begeisterung für doggie fashion sollte man nicht vergessen, dass die hauptsächliche Funktion von Kleidung darin besteht, warm zu halten und vor der Witterung zu schützen. Wie hieß es noch im Poesiealbum? „Lebe glücklich, lebe froh, wie der Mops im Paletot!" Dieser Spruch brachte mich ins Grübeln, und ich überlegte mir, ob es eigentlich auch Pelzmäntel für den Wauwau gibt. Und tatsächlich: Im Winter trägt der modische Hund eine kuschelige Lammfelljacke.

Das wäre dann der Mops im Schafspelz.

Monday, November 26, 2007

Feiertag aller Amerikaner

"Thanksgiving. Das ist der heilige Feiertag, den alle Amerikaner feiern: Dieser Tag und Weihnachten sind die einzigen Tage, an denen praktisch alle Geschäfte in den USA zu sind, was ziemlich unfassbar ist im Vergleich zu den Öffnungszeiten in Deutschland."

BARBARA BAUER, Schülerin an der International Academy Bloomfield Hills, in einem Erlebnisaufsatz über ihr Thanksgiving-Wochenende.

Saturday, November 10, 2007

Der Untergang der Edmund Fitzgerald

Schiffsfriedhöfe?

Wenn ich bei Heimatbesuchen erzähle, dass auf dem Grund der Großen Seen unzählige Schiffswracks liegen, mag mir das keiner so recht abnehmen. "Warum gehen da Schiffe unter?", fragte mein Bruder ungläubig. Das war allerdings vor seinem ersten Besuch in Michigan. Inzwischen hat er schon selbst einmal im Michigansee geplanscht und weiß, dass dieses Binnengewässer ungefähr so aussieht wie ein Meer. An schönen Tagen. An stürmischen Herbsttagen hingegen erinnern Lake Michigan, Lake Huron und Lake Superior noch mehr an Ozeane. Und wie gefährlich die Schifffahrt auf diesen Seen sein kann, zeigt schon die große Anzahl der Leuchttürme an ihren Ufern. Im Jahr 1913 zerstörte ein einziger Novembersturm 19 Schiffe auf den Großen Seen, ungefähr ebenso viele strandeten.

In der Thunder Bay, nicht weit von Alpena, sollen allein 200 Schiffswracks auf dem Grund des Lake Huron liegen - das Thunder Bay National Marine Sanctuary zieht Taucher und Unterwasser-Archäologen gleichermaßen an. Als noch tückischer für die Schifffahrt gilt der Lake Superior: Selten hat mich in Michigan etwas so beeindruckt wie das Great Lakes Shipwreck Museum auf der Upper Peninsula, am Whitefish Point.

Von Whitefish Point aus sieht man oft Frachter, die meist Kohle oder Eisenerz transportieren. Beinahe in Sichtweite dieser Landzunge, die weit in den Lake Superior hineinragt, ging am 10. November 1975 die Edmund Fitzgerald unter. Die gesamte Besatzung, 29 Mann, verlor an jenem stürmischen Novembertag vor 32 Jahren ihr Leben. Diese letzte große Schiffskatastrophe auf den Großen Seen ist im Museum eindrücklich dokumentiert; dort ist auch die erst im Jahr 1994 geborgene Schiffsglocke ausgestellt.

Hier gibt's ein Video über den Untergang der Edmund Fitzgerald, unterlegt mit der Ballade des kanadischen Liedermachers Gordon Lightfoot:

The Wreck of the Edmund Fitzgerald edited by Joseph Fulton

Nachtrag vom 11. Juni 2008:
Mehr zum Thema steht jetzt auf suite101: Das Wrack der Edmund Fitzgerald

Tuesday, November 6, 2007

Klassen-Gesellschaft

Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: "Sie haben sich gar nicht verändert." "Oh!" sagte Herr K. und erbleichte.
Bertolt Brecht

Eine Freundin von mir hat demnächst Klassentreffen. Das scheint sie sehr zu beschäftigen; sie hat schon mehrmals davon angefangen. Offenbar ist zu diesem Anlass auch ein Jubiläums-Jahrbuch geplant, und jede/r Teilnehmer/in darf dafür zwei Bilder von sich beisteuern: eins von damals und ein aktuelles. Ich habe sie zwar erst kürzlich fotografiert, aber mit dem Resultat ist sie wohl nicht einverstanden. Nun hat sie mich gebeten, ein Porträt herauszusuchen, auf dem sie noch ein paar Lenze jünger ist und im Gesicht deutlich schmaler. Dieses Bild zeigt wohl die Person, die sie gerne zum Treffen schicken würde.

Was für ein Stress. So eine High School Reunion hier zu Lande, das ist schlimmer als jedes Examen. Man muss nämlich beweisen, dass man auch im Leben bestanden hat: "It's time to celebrate life's successes and renew old acquaintances", steht auf eHow.com, unter der Rubrik: How to Organize a High-School Class Reunion. Aber das ist noch nicht alles: "It's also time to start losing the pounds, covering the gray and planning a reunion to remember."

Das Klassentreffen als Schaulaufen. Wer hat das größte Haus und das dickste Bankkonto? Ein paar niedliche Kinder sind auch gut für die persönliche Bilanz. Wenn man alles verzockt hat im Leben, sollte man wenigstens so rank und schlank und blondgelockt sein wie damals. Sonst geht man am besten gar nicht erst hin.

Das Klassentreffen, an dem ich vor ein paar Jahren teilnahm, war wahrscheinlich die Ausnahme: Wir trafen uns in einer Gartenwirtschaft außerhalb von Tübingen, genossen den Ausblick in die sommerliche Landschaft und erzählten uns, wohin uns das Leben verschlagen hatte. Ich fand einige ehemalige Mitschüler netter als damals. Wir waren alle eindeutig älter geworden, aber nicht in dem Maße, dass es das Wiedererkennen erschwert hätte. Das liegt wahrscheinlich daran, dass eine Abitursklasse eine relativ homogene Gruppe ist. Bei Jahrgangstreffen - die ich persönlich immer vermieden habe - sieht das schon anders aus: Da wirken einige Jahrgänger wie die Eltern der anderen, und ein paar sind augenscheinlich mit ihren Kindern unterwegs.

Aber es hilft in jedem Fall, wenn man sich selbst eingesteht, dass das Leben nicht spurlos an einem vorübergegangen ist. Nachdem meine Freundin das gewünschte Porträt erhalten hatte, schrieb sie zurück: "Boy, bin ich alt geworden!"

Mehr zum Thema: Das kleine Einmaleins des Klassentreffens

Wednesday, October 31, 2007

Unheimlicher Spaß

Als ich ein Kind war, schnitzte ich in dieser Jahreszeit Rübengeister. Meine etwas jüngere Kusine war mit Eifer dabei. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer uns das beigebracht hatte, aber irgendwie muss sich ein bisschen geisterhaftes Treiben auch im Schwabenland gehalten haben – eine vage vorchristliche Erinnerung an den Vorabend des Tages, aus dem die Kirche Allerheiligen machte.

Unsere Rübenfratzen hatten allerdings keinen Bezug zu organisiertem Brauchtum; wir freuten uns einfach an den von Kerzen erleuchteten Maskengesichtern. Und meine Kusine verspeiste einmal voll Genuss ein Stück Rübe, das über der Flamme geröstet war. Das Wort Halloween kannten wir damals noch nicht. Und wir forderten keine Süßigkeiten, auch nicht beim Laternenlaufen, das sich eher sporadisch ergab.

Wie ich auf Wikipedia erfahre, hat sich im deutschsprachigen Raum aber gelegentlich ein Heischebrauch um die Rübengeister erhalten, der mancherorts im Martinssingen am 11. November aufgegangen ist: Die Kinder ziehen mit ihren Lichtern von Haus zu Haus und bitten um Süßigkeiten. Genau wie bei den Iren, die verwandtes Brauchtum einst nach Nordamerika exportierten. Dass es nun in Deutschland in veränderter Form wieder eingeführt wird, freut nicht alle – Halloween scheint derzeit der am meisten verhasste US-Import zu sein. Selbst Santa Claus im roten Kunstfaserkostüm hat mehr Fans.

„Süßes oder Saures" – für die evangelische Kirche ist das keine Frage. Am 31. Oktober ist Reformationstag, und sonst gar nichts. Hielt sie im vergangenen Jahr für Kinder noch Lutherbonbons bereit, heißt es heuer für Halloween-Anhänger: „Gib ihnen Saures!" Bislang war mir ein Rätsel, wie sich Halloween überhaupt so schnell ausbreiten konnte. Noch im Jahr 2003 veröffentlichte ich einen Hintergrundsartikel in der „Südwestpresse" über den seltsamen Feiertag, der auch in den USA immer mehr an Bedeutung zulegt. Zitat: „Gemessen am Konsumverhalten darf Halloween inzwischen zu den höchsten amerikanischen Feiertagen gerechnet werden. Zu keiner anderen Zeit werden mehr Süßigkeiten genascht. Das traute Heim wird nur noch zu Weihnachten üppiger dekoriert als für den 31. Oktober."

Heute las ich auf Zeit-Online, dass kurioserweise der Golf-Krieg zur Ausbreitung der fremden Halloween-Bräuche beitrug – als Präsident Bush senior erstmals gegen den Irak ins Feld zog, wurde vielerorts der Karneval aus Pietätsgründen abgesagt. Stattdessen wurden die Faschingskostüme dann an Halloween getragen. So sieht erfolgreiches Marketing aus.

Aber auch die Amerikaner treiben es jedes Jahr bunter, wenn es wieder auf Ende Oktober zugeht. Neuerdings ist Halloween sogar auf den Hund gekommen – Herrchen kann aus einer Vielzahl von Verkleidungen wählen. Sehr hübsch sind alle möglichen tierischen Kostüme, von Marienkäfer bis Stinktier.

Mein Vorschlag, wie Hundchen auf jeder Halloween-Party garantiert gut ankommt: als Hot Dog.

Wednesday, October 17, 2007

Eine Rede gehört zum Essen

Erst der Vortrag, dann das Essen? Oder umgekehrt? Vielleicht auch beides gleichzeitig: Der Redner legt los, wenn alle anderen speisen. Bei der Planung eines Vortragsabends plädierte ich jedenfalls für Letzteres. Und ich verteidigte meine Position auch gegenüber dem Einwand, es sei „merkwürdig, wenn sich jemand da vorne abquält und einen Vortrag hält", während die Zuhörerschaft isst. Das empfiehlt sich aus einem guten Grund: Genau dann ist der Geräuschpegel nämlich am geringsten. Außerdem hat sich die Anordnung seit Jahrhunderten bewährt.

Bis heute wird in vielen Klöstern während der Mahlzeiten vorgelesen. Ob der Mönch, der als Tischleser fungiert, schon vorher etwas zu essen bekommt oder diesen Dienst mit knurrendem Magen versieht, ist mir nicht bekannt. Dass sich der Mensch nicht bloß den Bauch füllen, sondern auch geistige Nahrung zu sich nehmen sollte, besitzt selbst außerhalb klösterlicher Lebensformen Gültigkeit. Die Frage ist nur, ob er beides gleichzeitig tun sollte. Wahrscheinlich enspricht es amerikanischem Pragmatismus, dass die Zeit zum Essen allein zu schade ist. Und, wie schon angedeutet: Sind die Zuhörer am Kauen, halten sie wenigstens den Mund.

Für „Luncheon Speeches" ist der Vortrag während des Essens ein konstituierendes Merkmal. Es gibt sie auch in der Version „Brown Paper Bag" – in diesem Fall futtert das Publikum selbst Mitgebrachtes aus Tüten und Tupperware. In Frankreich wäre so etwas schlecht vorstellbar, so genannte „déjeuner-discours" kommen dort meines Wissens nur ausnahmsweise vor. Wenn Franzosen essen, sind sie hundertprozentig bei der Sache. Und sie unterhalten sich dabei auch gerne: Am liebsten reden sie beim Essen übers – Essen. Was ich, praktische Überlegungen einmal beiseitegelegt, auch vorziehe.

Saturday, October 6, 2007

Memo an die lieben Mitgliederinnen

Kürzlich erhielt ich von der Organisatorin meines Buchclubs eine E-Mail, die mit dem Satz endete: „Neue Mitgliederinnen sind herzlich eingeladen.“ Vorsorglich hatte die Schreiberin noch in Klammern hinzugefügt: „Sagt man so?“

Andere haben da weniger Bedenken, sonst würde ich neuerdings nicht alle naslang über „Mitgliederinnen“ stolpern. Offenbar ist die weibliche Anredeform mittlerweile so volkstümlich, dass sich Frauen nie und nimmermehr mitgemeint fühlen, wenn die Bezeichnung auf „-er“ endet: der Politiker, der Lehrer oder auch der Leser sind eindeutig männlich – im Singular wie im Plural. Also drucken Zeitungen täglich ein paar Seiten mehr, damit sich ihre Leser und Leserinnen alle gleichermaßen wiederfinden, angefangen bei den Schülern und Schülerinnen bis hin zu den Rentnern und Rentnerinnen.

Die sprachliche Geschlechterdifferenzierung ist ein Muss, das habe ich schon vor vielen Jahren erfahren. Als ich noch in der Schweiz an meiner Dissertation herumdokterte, fuhr ich einmal nach Basel zu einem Kongress über feministische Literaturwissenschaft. Untergebracht war ich bei zwei forschen Schweizerinnen, die nach eigenem Bekunden nichts für das männliche Geschlecht übrig hatten – auch nicht in der Grammatik. „Meine Gästin ist schon da!“ verkündete eine der beiden am Telefon. Sie sagte das natürlich auf Schwyzerdütsch, und es klang irgendwie bedeutend. Ich war beeindruckt.

Nun sollte man die Feminisierung der Sprache nicht zu weit treiben. Die Pluralform „Mitglieder“ zu verweiblichen, ist jedenfalls blanker Unsinn – schließlich heißt es im Singular „das Mitglied“, und das ist eindeutig ein sächliches Hauptwort. Wer es trotzdem gerne zweigeschlechtlich hätte, sollte sich an das deutsche Vereinswesen halten. Dort ist für die geschätzten Mitgliederinnen längst eine andere Anrede in Gebrauch, die nicht nur zu Karneval gerne aus der Kalauerkiste gekramt wird: „Liebe Mitglieder und Ohneglieder…“

Saturday, September 29, 2007

Zum Süßmost gibt's Donuts

Die Dexter Cider Mill ist eine einfache Holzkonstruktion, dunkelrot gestrichen mit weiß umrahmten Fenstern, wie sie auch irgendwo an der Ostküste stehen könnte – so haben schon die ersten Siedler auf amerikanischem Boden gebaut. Der Anbau dient als Verkaufsraum, das Tor steht offen. Gleich am Eingang hängen Konterfeis von Abraham Lincoln und George Washington. Die beiden Herren machen ernste Gesichter, wie es sich für ehemalige US-Präsidenten gehört.

Drinnen duftet es nach gebranntem Zucker und Süßmost. Hinter dem mit rotgewürfeltem Tuch bedeckten Verkaufstresen steht eine junge Frau, die einem Ehepaar eine Gallone Cider und eineHistorische Cider Mill in Dexter, Michigan © Cornelia Schaible Tüte Äpfel verkauft. Sie begrüßt die Besucher und lacht, als diese sie mit Fragen überhäufen. „Wenn Sie etwas über die Geschichte der Cider Mill wissen wollen, müssen Sie schon meinen Vater fragen.“ Der könne aber nicht weit sein. „Dad!“ ruft sie.

Richard Koziski steht im Nebenraum am Kühlbehälter und füllt Cider in Plastikgefäße ab. „Wollen Sie probieren?“ fragt er und reicht einen Becher voll über den Tisch. Der Cider ist sehr dunkel, er hat etwa die gleiche Farbe wie die braun glänzenden Karamell-Äpfel vorne auf der Ladentheke, und er schmeckt schwer und süß. Die Beigabe von Birnen, die dem schwäbischen Most seine räse Spritzigkeit verleiht, ist hier nicht üblich. Dafür wird versucht, durch geschickten Verschnitt der Apfelsorten einen wohlschmeckenden Cider zu erzeugen. Im Staat Michigan, einem der wichtigsten Apfelanbaugebiete der USA, werden über 30 Sorten kommerziell angebaut, sagt Koziski. Darunter so alte Varietäten wie der seit gut 200 Jahren bekannte McIntosh-Apfel.

Wahrscheinlich stammt der McIntosh von einer alten französischen Sorte ab. Der Legende nach hatten bereits die Franzosen, die von 1701 an am Detroit River siedelten, Apfelkerne im Gepäck. Most mundete ihnen ebenso wie den Engländern – 1760 ging die Siedlung in britischen Besitz über. 1796 kam Detroit unter amerikanische Verwaltung; von diesem neuen Zentrum aus wurde ganz Michigan besiedelt. Auf frisch gerodetem Gelände wurden nicht nur Äcker angelegt, so ist überliefert, sondern stets auch Obstbäume gepflanzt.

Gerade in der Gegend um Ann Arbor ließen sich Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche Einwanderer aus Süddeutschland nieder, wie die vielen Nachnamen belegen, die auf -le enden – auch der Name der Verfasserin steht mehrfach im Telefonbuch. Die Pioniere aus Schwaben dürften ihre eigene Mostkultur mitgebracht haben. Einige kleinere Mostpressen mit Handkurbel, die Richard Koziski in einem Lagerraum aufgestellt hat, sehen entsprechenden Exponaten aus schwäbischen Heimatmuseen jedenfalls verblüffend ähnlich.

Für die Mostproduktion im großen Stil nutzte man einst in ganz Michigan die Wasserkraft, um die Äpfel zu zerkleinern und zu pressen. Obwohl sie ihr Mühlrad längst eingebüßt hat und mit Strom betrieben wird, bietet die Dexter Cider Mill einen malerischen Anblick am Ufer des Hudson River. Der fließt auch durch die Universitätsstadt Ann Arbor. Das macht Dexter zum beliebten Ausflugsziel bei den Studenten: Sie brauchen nur ein Stück am Fluss entlangzuradeln, um in den Genuss von Cider und frischen Donuts zu kommen. „Es ist eine Tradition“, sagt Koziski. „Und wir zeigen ihnen, wie man schon vor mehr als 100 Jahren Cider gemacht hat.“ Er habe praktisch nichts verändert seit der Übernahme der Mühle vor 20 Jahren. Die Dexter Cider Mill ist laut Koziski die älteste im Staat, die ununterbrochen in Betrieb ist: Seit 1886 fließt hier im Herbst Most aus der Presse.

An die 150 Cider Mills soll es in Michigan noch geben, und ihre kulturhistorische Bedeutung wird oft betont: Viele spiegeln ein Stück amerikanische Geschichte wider. Erster Inhaber der Dexter Cider Mill war ein Veteran aus dem Sezessionskrieg. Kurz nach 1900 erwarb ein gewisser Otto Wagner – „auch ein deutscher Name“, bemerkte Koziski – die Cider Mill. In der Wagnerschen Familie blieb die Mosterei dann, bis Koziski sie kaufte. Früher habe er bei Ford gearbeitet, und daher die ersten fünf Jahre nur an Wochenenden gemostet, erzählt Koziski: „Im Herbst haben wir sieben Tage in der Woche gearbeitet – fünf Tage im Betrieb, und am Samstag und Sonntag hier.“

Seit er im Ruhestand ist, hat die Dexter Cider Mill in der Saison mittwochs bis sonntags geöffnet, und zwar weit bis in den November hinein. Die ganze Familie ist eingespannt: Ehefrau Katherine, die früher mal bei Kellogg’s in der Versuchsküche arbeitete und ein hoch gelobtes Apfelkochbuch verfasst hat, bäckt Kuchen. Und die Töchter mit Anhang helfen ebenfalls abwechselnd mit: Wie die Mostpresse funktioniert, erklärt Schwiegersohn Martin Steinhauer, der Mann von Nancy, die an diesem Tag den Verkauf macht.

„Die Konstruktion ist sehr einfach“, sagt Steinhauer, der sonst Computer-Software verkauft. Die zerkleinerten Äpfel werden in ein Tuch eingeschlagen und auf einen Lattenrost aus Eichenholz gelegt, darauf kommt wieder ein Rost und eine Schicht Äpfel, und so fort. Der Stapel kommt in eine hydraulische Presse – und unten fließt der Saft heraus. Pro Pressung werden rund 1500 Pounds Apfelschnitze verarbeitet, gut 680 Kilogramm; das ergibt jeweils 100 Gallonen oder 378 Liter Süßmost. Und so, wie er herauskommt, wird der Most auch verkauft: „It’s all natural“, so Steinhauer, „alles ganz natürlich.“

Weil er sein Stöffchen so naturbelassen will, ist Richard Koziski auf Direktvermarktung angewiesen – im Supermarkt verkaufter Süßmost muss pasteurisiert werden, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Sein Cider fängt nach fünf Tagen an zu gären. Und wie viele Gallonen Most produziert die Cider Mill in einer Saison? Da grinst Koziski nur ganz breit und sagt: „Das weiß ich nicht. Ich will es nicht wissen.“

(Erschienen im Schwäbischen Tagblatt am 15. Oktober 2003.)

Wednesday, September 26, 2007

Proper Pronunciation

Mit der richtigen Aussprache von Namen ist es so eine Sache. Bei Lech Wałęsa etwa habe ich irgendwann kapituliert - der ging mir nicht einmal unter Anleitung einer polnischen Kommilitonin locker über die Zunge. Mit Sprachen, die von vorneherein einen Teil ihrer Buchstaben durchstreichen, habe ich zugegebenermaßen etwas Mühe. Smørrebrød, Smørrebrød røm, pøm, pøm, pøm!

Amerikaner tun sich bekanntlich mit allen fremden Sprachen schwer. Deswegen ist es nur verständlich, dass Präsident Bush bei seiner UN-Rede eine kleine Aussprachehilfe für ausländische Namen im Manuskript stehen hatte - beispielsweise „sar-KO-zee“. Inklusive der richtigen Betonung. Hat da etwa jemand gelacht? In den USA ist diese Art der phonetischen Schreibweise von Eigen- und Familiennamen weit verbreitet. Man findet sie sogar in der "New York Times", wie das folgende Zitat aus dem Autoblog vom 21. Mai 2007 zeigt:
Q: How do you pronounce DaimlerChrysler in German?
A: Daimler. The Chrysler is silent.

That was the joke in Detroit after the, ahem, merger of Daimler-Benz and Chrysler led to disagreements over whether the new company’s name should be pronounced ,DIME-ler‘ or ,DAME-ler.‘ Fortunately, the question became irrelevant this week after DaimlerChrysler agreed to sell Chrysler to a Manhattan-based private equity firm, Cerberus Capital Management, which pronounces its name SIR-burr-us.
Die Neigung, manche Namen einfach stumm zu übergehen, zeigt Bush ebenfalls. Den iranischen Präsidenten jedenfalls erwähnte er in besagter Rede mit keinem Wort. Der hat aber auch einen besonders vertrackten Namen. Selbst die Nachrichtensprecherin Katie Couric benutzt eine Eselsbrücke für den Unaussprechlichen, wie die "New-York-Times"-Kolumnistin Maureen Dowd heute berichtet: "I'm a dinner jacket."

Wir haben für den Hausgebrauch ebenfalls beschlossen, dass wir Machmud Achmadinedschad nicht bei vollem Namen nennen - das dauert jedes Mal knapp vier Sekunden, habe ich herausgefunden, und das ist entschieden zu viel Lebenszeit. Wir nennen ihn schon lange A-Punkt. Basta.

Hier gibt's eine praktische Aussprachehilfe, von Afrikaans bis Weißrussisch.

Monday, September 24, 2007

Vom Glück, die Salatsauce frei wählen zu können

And what kind of dressing would you like?“

Da haben wir den Salat. Es gibt diese Momente, in denen mir wieder einmal so richtig bewusst wird, wo ich jetzt eigentlich lebe: nämlich in dem fabelhaften Land, das die uneingeschränkte Wahlfreiheit propagiert – jedenfalls bei den Salatsaucen. Oder bei der Zubereitung von Frühstückseiern. Scrambled, sunny-side up oder over easy? Das Mitspracherecht in Menüfragen ist ein amerikanisches Grundrecht. Und es herrscht Wahlpflicht. Wenigstens beim Salatdressing.

In Italien darf der Hungrige selbst mit Essig und Öl kleckern, wenn er Lust auf Grünzeug bekommt. Er muss sich dann allenfalls darüber ärgern, dass sich das Salz bei Tisch nie richtig auflöst. Und die Franzosen? Die finden, dass eine Vinaigrette zu allem passt. Womit sie meistens recht haben. Nur in Amerika muss ich mir selbst aussuchen, worin ich meinen langweiligen Eisbergsalat ertränke. "Ranch, Thousand Islands, Raspberry Vinaigrette, Blue Cheese or Honey Mustard?"

Die Bedienung zückt den Block und lächelt mich aufmunternd an. „Blue Cheese“, sage ich schließlich. „I’d like it on the side.“

Mehr zum Thema Wahlfreiheit im Lokal: Zwanzig Fragen zum Frühstück

Monday, September 17, 2007

Helga Janz-Wagner

„Gerade komme ich wieder von einem Restaurant, wo ich meinen Wein vorgestellt habe“, sagte mir Helga Janz-Wagner kürzlich am Telefon. Und es klang so, als könnte sie es immer noch nicht fassen, dass ihr Wein hier im Raum Detroit so viel Resonanz erfährt. Winzerwein aus Rheinhessen!

Helga Janz-Wagner, Jahrgang 1958, wuchs auf einem Weingut in der Nähe von Mainz auf. Schon früh unterstützte sie ihre Familie im Betrieb – alles, was mit Wein zu tun hatte, war für sie Alltag.Helga Janz-Wagner importiert Wein aus Rheinhessen © Cornelia Schaible Verständlich, dass sie als Heranwachsende davon eher Abstand gewinnen wollte. Und als sie Betriebswirtschaft studierte und selbst eine Familie gründete, schlug sie zunächst einmal einen anderen Weg ein.

Eine ausgedehnte Radtour durch Frankreich öffnete ihr schließlich die Augen für die Schönheit der verschiedenen Weinlandschaften: „Wir fuhren mit unseren bepackten Fahrrädern quer durchs Elsass, durch das Weinanbaugebiet in Burgund bis in die Auvergne im Massif Central“, erinnert sie sich. Das Interesse am Wein war wieder geweckt.

Aber erst in den USA kam Helga Janz-Wagner auf die Idee, den Wein aus der Heimat zu vermarkten. Als mitreisende Ehefrau eines Ingenieurs, der für die Firma nach Michigan gegangen war, hatte sie zunächst noch keine Ahnung, was sie selbst in der neuen Umgebung anstellen sollte. Aber sie besaß einen kleinen Vorrat an Wein. Ihr Vater hatte ihr vorsorglich neun Kisten des heimischen Erzeugnisses mitgegeben. Und der Wein kam bei Freunden und Bekannten so gut an, dass Janz-Wagner beschloss, für Nachschub zu sorgen – und eine Importlizenz zu beantragen.

Dafür hat sie sicher einen ausgesprochen günstigen Zeitpunkt erwischt. Amerikaner trinken so viel Wein wie nie zuvor. Gleichzeitig steigt das Interesse an deutschen Weinen, vor allem Riesling – die USA sind der zweitgrößte Absatzmarkt für edle Tropfen aus Good Old Germany. „Überalls gibt’s Weinbars, und viele Restaurants bieten regelmäßig Weinproben an“, wunderte sich Janz-Wagner noch vor einiger Zeit. Jetzt organisiert sie sowas selbst – in nächster Zeit hat sie gleich zwei Weinproben geplant.

Mehr über Helga Janz-Wagner: Weißherbst für heiße Sommerabende

www.weinnet.eu

Monday, September 3, 2007

Belle Isle, die Schöne

Zur Zeit der ersten Siedler war die Insel voller Klapperschlangen. Deswegen hielten die Franzosen dort Schweine, die mit den rattlers offenbar kurzen Prozess machten. Als es dann später auf der "Isle aux Cochons" keine Schweine und keine Klapperschlangen mehr gab, nicht einmal mehr Franzosen, fand die Detroiter Bevölkerung den Namen unpassend. Wie unromantisch! Seit 1845 trägt die kleine Insel im Detroit River den Namen Belle Isle, benannt nach einer gewissen Miss Isabella Cass, die man wahrscheinlich nicht kennen muss.

Im Jahr 1879 kaufte die Stadt Detroit Belle Isle. Zahlreiche Bauprojekte sorgten im Anschluss daran, dass die "Schöne Insel" ihrem Namen bald alle Ehre machte. Sogar der prominente Landschaftsgärtner Frederick Law Olmsted, der unter anderem den Central Park in New York plante, lieferte Entwürfe. Das Anna Scripps Whitcomb Conservatory, ein Gewächshaus aus dem Jahr 1904, sowie das Aquarium aus dem gleichen Jahr sind Werke des Detroiter Architekten Albert Kahn. Das Casino wird allerdings nur selten genutzt und ist baulich nicht im allerbesten Zustand. Und das öffentliche Aquarium, das älteste in den Vereinigten Staaten, wurde 2005 geschlossen. Auch andere historische Gebäude sind verlassen und vom Verfall bedroht.

Insgesamt spiegelt Belle Isle den Niedergang der Stadt Detroit wider - ganz offensichtlich ist kein Geld da, um die Einrichtungen zu unterhalten und die Grünanlagen zu pflegen. Nur der Brunnen aus weißem Marmor, ein architektonisches Meisterwerk von 1925 mit dem Namen "James Scott Fountain", ist in hervorragendem Zustand. Als ich beim Weihnachtsmarkt in der Carpathia im vergangenen Jahr Postkarten vom Belle-Isle-Brunnen mit Detroit im Hintergrund anbot, erinnerte sich eine ältere Frau: "Da war ich bei einem Schulausflug!" Das mag wohl ein paar Jahrzehnte her sein. Seither hat sie es nicht mehr dorthin geschafft.

Ein Ausflugsort der Detroiter ist die Insel aber immer geblieben. Samstagsabends geht man dorthin zum Cruisen, sonntags zum Picknick. Außerdem gibt's auf Belle Isle den einzigen Strand der City of Detroit. Der Unternehmer und Rennstallbesitzer Roger Penske brachte auch Vorstädter wieder auf die Insel: Am gestrigen Labor Day wurde dort der Detroit Indy Grand Prix gefahren - das erste Autorennen seit 2001. Wir hatten gestern immerhin das Vergnügen, das Ganze vom Flugzeug aus zu sehen, als wir aus Deutschland zurückkamen. Bei strahlendem Sommerwetter. Es sah richtig niedlich aus.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob ein Autorennen das richtige Mittel ist, um der schönen Insel städteplanerisch endlich wieder gerecht zu werden. Belle Isle ist unzweifelhaft ein äußerst beschauliches Fleckchen Erde, das eine Postkartenaussicht auf Detroit, die Ambassador Bridge und Windsor bietet. Ein Stadtpark mit einer internationalen Grenze in Reichweite! Gelegentlich kann man sogar Frachter vorbeifahren sehen. "In other cities, a place like this would get more attention", zitierte die Free Press eine Detroiterin. Das kann man wohl sagen.

Wednesday, August 22, 2007

Auto als Familienerbstück

Das türkisfarbene Vehikel war eine Art missing link der Automobilgeschichte: Von der Seite sah es aus wie ein Chevy Bel Air, aber von hinten war es eindeutig ein Impala. Es besaß auch die charakteristischen Rücklichter - allerdings hatte es nur zwei auf jeder Seite. Vom Chevy Impala ist die typische Dreier-Anordnung bekannt. Was da bei der Dream Cruise am Samstag auf einem1958 Chevrolet Bel Air © Cornelia Schaible Seitenstreifen der Woodward Avenue stand, war ein 1958er Bel Air mit Impala-Details. Und das war nun ein völlig anderes Auto als die Vorgängerversion mit der markanten Heckflosse, von dem witzigerweise ein Modell auf der Hutablage stand.

Der 1957er Bel Air war die Chevy-Ikone schlechthin; das Nachfolgemodell wurde in die zweite Reihe gedrängt. Denn im Jahr 1958 baute Chevrolet sechs neue Modellversionen des Bel Air, alle mit komplett neuem Design. Darunter waren auch zwei, die nach einer Antilope benannt waren, ein Cabriolet und ein Sport-Coupé - der Impala war zunächst einfach die Edelausgabe der Bel-Air-Serie. Im Jahr darauf hatten sich die Modellinien dann endgültig getrennt. Von der Übergangsversion, die wir bei der Dream Cruise sahen, haben sich nicht viele erhalten: "In Michigan gibt es nur 13 davon", sagte ein junger Mann, der sich als Mitglied der Besitzerfamilie zu erkennen gab.

Die heutigen Besitzer haben das Auto allerdings nicht restauriert: "Wir haben es einem Arzt abgekauft, der in Geldschwierigkeiten war." Offenbar ein Schnäppchen. Als der klamme Doktor wieder besser bei Kasse war, bereute er den Deal prompt und wollte das gute Stück zurückkaufen. Die neuen Eigentümer ließen sich aber nicht herumkriegen: "Das Auto bleibt für immer in unserer Familie!"

Mehr zum Thema: Woodward Dream Cruise

Thursday, August 9, 2007

Making All Vehicles Diesel Hybrids

"All American made automobiles should be made as electric/diesel hybrids. Nearly all modern diesel engines can run on biodiesel as is (...). As it got more popular, and more needed, biodiesel would be at every pump station. If all American autos were 100% electric/diesel hybrids, very quickly we could stop buying foreign oil and the oil that would be used for auto consumption could come from domestic wells like Texas and Alaska. It'd be pretty tough for all those terrorists and backward nations who require oil money to survive to function if we stopped buying their oil. It would also lower emissions which would improve the environment and the hybrid aspects could help meet CAFE standards. The best thing about diesel engines is that they can run on almost everything. Working as a painter, we once ran out of gas and ran 3 miles to a gas station on paint thinner! Diesel could probably run on ethanol too, but ethanol is a scam. Biodiesel is not. Making all vehicles electric/diesel hybrids would seriously reduce the need for foreign oil, lower emissions, and raise MPG ratings to meet CAFE standards. All in all, nearly everyone except foreign oil nations would win."

LESERKOMMENTAR eines Users namens "Darclyte" in der Online-Ausgabe der "Detroit Free Press", zu einem Artikel von Tom Walsh.

Sunday, August 5, 2007

Happy Birthday, Mackinac Bridge!

Die Brücke ist ein technisches Meisterwerk. Die Entfernung zwischen den beiden Ankerblöcken beträgt stolze 2626 Meter, was die Mackinac Bridge im Prinzip zur drittlängsten Hängebrücke der Welt und zur längsten der USAMackinac Bridge mit Jeep © Cornelia Schaible macht – dummerweise misst man aber nicht so. Bei Hängebrücken ist nämlich die Mittelspannweite entscheidend, daran lässt sich die Ingenieurskunst überzeugender messen. Und mit 1158 Metern Spannweite liegt Mighty Mac abgeschlagen auf Platz 10 der Weltrangliste.

Trotzdem stellt sich die Frage, warum die eindrucksvolle Brücke außerhalb des Bundesstaates kaum einer kennt. Immerhin verbindet sie die beiden Hälften von Michigan miteinander. Aber die Konkurrenz ist einfach übermächtig: Platz 8 der Liste belegt nämlich die Golden Gate Bridge, die offiziell längste Hängebrücke der Vereinigten Staaten von Amerika (1280 Meter Mittelspannweite). Und da kann die Mackinac Bridge mit noch so vielen Rekorden aufwarten (ihre Gesamtlänge beträgt 8038 Meter, die der Golden Gate Bridge schlappe 2737 Meter): Mit dem orangeroten Wahrzeichen San Franciscos kann sie einfach nicht mithalten. Schon deshalb, weil viel seltener jemand vorbeikommt.

Die Mackinac Bridge führt nämlich gewissermaßen ins Nichts. Gerade einmal 328.000 Menschen leben auf der oben Halbinsel Michigans, das sind 3 Prozent der Gesamtbevölkerung des Bundesstaates. Im Sommer kommen noch ein paar Touristen hinzu. Als wir in der vorvergangenen Woche nach einem Hotelzimmer in Mackinaw City suchten und keines fanden, jedenfalls nicht zu einem vernünftigen Preis, hatten wir das Gefühl, dass der touristische Boom in Michigans Norden nun endgültig ausbricht. Das war allerdings nur vorübergehend der Fall. Einer der Gründe für den Hotelengpass: Die Brücke hatte Geburtstag!

Nun war ich bisher der Ansicht, dass Brücken-Jubiläen mit Vorteil am Jahrestag der Eröffnung gefeiert werden. Die Mackinac Bridge wurde am 1. November 1957 für den Verkehr freigegeben, und deswegen hatte ich mir diesen Artikel auch schon vor langer Zeit vorgenommen – für den November. Aber wer weiß schon, wie das Wetter im Herbst ist, mögen sich die Verantwortlichen gesagt haben und planten die 50er-Jubelfeier im Sommer ein. Das war vernünftig, muss ich im Nachhinein sagen, sonst hätten wir bestimmt nicht persönlich gratuliert.

Ich erfuhr von den Feierlichkeiten, als ich bei der Planung für den Wochenendtrip auf die Website der Mackinac Bridge geriet. Dort stand auch, dass die Brücke deswegen über Mittag gesperrt sein würde. So verschoben wir die Fahrt hinüber zur Upper Peninsula auf den Nachmittag und trieben uns erst noch ein wenig an der Nordspitze der unteren Halbinsel herum. Wir sahen eine Versteigerung unter freiem Himmel, bei der ein kleiner metallverabeitender Betrieb – auf Deutsch: eine Schlosserei – unter den Hammer kam, und freuten uns über den Singsang des Auktionators („Gimme hundred, hundred, hundred…“). Und im Wilderness State Park sichteten wir einen Weißkopfseeadler. Ein Geburtstagsfoto musste ebenfalls sein.

Happy Birthday to da Bridge!

Offizielle Website: www.mackinacbridge.org

Nachtrag vom 21. April 2008:
Mehr zum Thema steht jetzt auf suite101: Mighty Mac verbindet Michigan

Thursday, August 2, 2007

Eiskalt serviert

"Das überfordert mich", sagte mein Mann, nachdem er eine Weile das Angebot einer Eisbude studiert hatte. Da gab es Frozen Custard oder Frozen Yogurt in diversen Geschmacksrichtungen, ein gutes Dutzend Sundaes, außerdem Slushes, Snow Cones und - irgendwie passend zur Jahreszeit - eine Eisspezialität namens "Hurricane" in vielen Varianten. Ein ganz normales Angebot für eine Dairy Bar, die im Wesentlichen Softeis serviert. Aber auch klassische Eisdielen, die Ice Cream im eigentlichen Sinne verkaufen, haben in Amerika ein schier unübersichtliches Angebot. Dieser Herausforderung wollte ich mich stellen.

Im Winter sind die meisten Ice Cream Shops in Metro Detroit geschlossen. Bereits an den ersten warmen Maitagen bilden sich Schlangen vor den Buden, und an heißen Sommertagen ist ein Eis praktisch überlebensnotwendig. Erfrischend ist indessen nicht nur das Angebot dieser Läden, sondern auch ihr Erscheinungsbild - mit ihrer liebenswert altmodischen Aufmachung erscheinen sie wie eine eine Oase in der Hektik der Citys. Und ein lohnendes Rechercheobjekt sind sie allemal. Über das Ergebnis meiner großräumig angelegten Recherche, nämlich wo das schmackhafteste Eis zu finden ist, werde ich auf sceneDetroit berichten. Am Ende läuft alles auf die entscheidende Frage hinaus, ob man das Eis mit Rainbow oder Chocolate Sprinkles nimmt. Oder gar mit Patriotic Sprinkles.

Mein Mann entschied sich übrigens für Vanille-Custard mit Regenbogenstreuseln.

Und hier kann man sich in die Schlange stellen: Eis-Zeit - die Serie

Wednesday, August 1, 2007

Recht schreiben!

Die neue Rechtschreibung wurde bekanntlich schon mehrfach in Kraft getreten. Ich erinnere mich noch sehr gut an die Einführung der Rechtschreibreform am 1. August 1998, die mich als Redakteurin beim Wochenenddienst ereilte. Das Blatt, bei dem ich damals beschäftigt war, hat das ganz gut überstanden. An den Zeitungskiosken anderer Städte kam es montagmorgens jedoch zu tumultartigen Szenen und Volksaufständen mit anschließendem mehrjährigen Reformationskrieg, der schließlich sogar auf Redaktionsstuben und Verlagshäuser übergriff. Erst dem wackeren Bayern Hans Zehetmair gelang die Wiederherstellung des Rechtschreibfriedens.

Das revidierte Regelwerk, das der Rat für deutsche Rechtschreibung unter Zehetmair abgesegnet hat, ist seit 1. August vergangenen Jahres amtlich. Heute endet nun die Schon-, pardon: Übergangsfrist, in der die überholte Schreibweise im Diktat nicht als Fehler angerechnet wurde. Wer jetzt noch "muss" und "Stuss" mit Eszett schreibt, wird von der Rechtschreibpolizei verhaftetScrabble © Cornelia Schaible und zum Schildermalen abgeführt. Zur Strafe muss er dann 100 Mal "Schlossstraße" pinseln - neue Straßenschilder dieser Art werden dringend gebraucht.

Manche haben die Reform auch falsch verstanden und glauben, sie könnten jetzt schreiben, wie sie lustig sind. Und noch mehr Leute denken, das Eszett sei ganz abgeschafft. Das gilt im deutschen Sprachraum aber nur örtlich begrenzt, nämlich in der kleinen Schweiz. Die Schweizer waren so frei und verwiesen den komischen Buchstaben schon vor Jahrzehnten des Landes. Der Grund? Sie dachten einfach voraus. Am 1. August haben sie schlicht keine Zeit für die Einführung von Rechtschreibreformen und ähnlichen Spitzfindigkeiten - da feiern die Eidgenossen nämlich ihren Nationalfeiertag.

Aber nur keine Panik. Der Duden bietet auf seiner Website einen Crashkurs für Reformwillige an - "In 25 Schritten zur neuen Rechtschreibung".

Mehr zum Thema: Die reformierte Rechtschreibreform

Tuesday, July 31, 2007

Tomahawk Man

Vor dem Chrysler-Museum gibt's diesen Sommer regelmäßig Cruise-Nights; die nächste ist kommende Woche am Donnerstag. Da geben sich dann nicht nur liebevoll restaurierte Muscle Cars ein Stelldichein - das Museum holt auch einige gut gehütete Schätze aus dem Keller und präsentiert sie auf dem Parkplatz. Fast vergessene Konzeptstudien, die eine Autoshow lang im Scheinwerferlicht standen, erleben auf diese Weise ein Comeback. Bei der "Extreme Performance Night" am 12. Juli war eindeutig der Dodge Tomahawk Publikumsliebling: ein Motorrad der Extremklasse, das im Wesentlichen aus einem Viper-Motor besteht. Und viele Besucher erinnerten sich sofort daran, dass einst Wolfgang Bernhard mit der 500-PS-Maschine bei der Show auf die Bühne fuhr. In einer schwarzen Lederjacke.

Als vor ein paar Tagen die Meldung durch die Presse ging, dass Bernhard beim frisch von Daimler geschiedenen US-Konzern Chairman werden soll, konnte man dazu fast immer dasselbe Foto sehen: den Tomahawk Man auf der Höllenmaschine. Ein unglückliches Bild. Es illustriert nämlich wie kein anderes den Größenwahn, der bei Chrysler nach dem Merger herrschte. Und dieser Mann soll es nun im Auftrag von Cerberus richten? Schließlich war er schon einmal mit dem Ziel nach Auburn Hills gekommen, Chrysler zu sanieren - gemeinsam mit Dieter Zetsche, der ebenfalls gern auf den Putz haute.

In den Jahren als Chrysler-CEO prägte Zetsche die griffige Formel: "Disciplined pizzazz", was ungefähr soviel wie "Extravaganz mit Disziplin" bedeutet. Abgesehen davon, dass man das Wort mit den vier "z" sonst eher liest als hört, hatte Zetsche schon recht - in Bezug auf die Extravaganz. Mit der Disziplin haperte es indessen ganz erheblich, jedenfalls was den Spritverbrauch der aktuellen Modelle angeht. Aber das spielte damals keine Rolle. "This Baby has two hemis", prahlte Zetsche, als er auf der Autoshow 2005 den Jeep Hurricane vorstellte. Die Studie hat tatsächlich zwei Motoren mit jeweils 335 PS. Eine Spottgeburt. Der Chrysler Imperial, der ein Jahr später vorgestellt wurde, war nur wenig schlichter.

Chief Operating Officer Wolfgang Bernhard wurde 2004 gegangen; mit dem ebenfalls größenwahnsinnigen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp hatte er sich nicht über eine Finanzspritze für Mitsubishi einigen können. Das war der Anfang vom Ende der DaimlerChrysler-Welt-AG. "Mr. Shrimp" ging 2005 in den Ruhestand, und Bernhard begann sein zweijähriges Intermezzo bei VW. In den vergangenen Monaten, so konnte man in der Zeitung lesen, tauchte er plötzlich wieder in Auburn Hills auf und ging im Chrysler-Gebäude ein und aus.

Zetsche sagte am Freitag offiziell Tschüss zu Chrysler. Ob der protzige Imperial nun tatsächlich gebaut wird, muss Bernhard entscheiden. Dass der Jeep Hurricane in Produktion gehen könnte, war nicht einmal in den wildesten DaimerChrysler-Jahren zu befürchten. Wer das Symbol der einstigen Überheblichkeit noch einmal besichtigen möchte: Der Hurricane ist bei der nächsten "Cruise Night" zu sehen, am 9. August vor dem Chrysler Museum.

Nachtrag vom 6. August 2007:
Na endlich. Seit Freitag ist der Deal nun besiegelt - die Manager bei Chrysler und Daimler werden sich freuen, denn jetzt gibt's endlich neue Business Cards. Die alten, auf denen immer noch "DaimlerChrysler" stand, waren ihnen schon lange peinlich. Und Wolfgang Bernhard hat offenbar selbst eingesehen, dass er nicht der Richtige für den Sanierungsjob ist. Die Renovierung bei Chrysler übernimmt jetzt Robert Nardelli, der passenderweise von der Baumarktkette Home Depot kommt. Allerdings war er schon dort nicht besonders erfolgreich.

Tuesday, July 24, 2007

Ein Sonntagnachmittag in Port Austin

In der Ferne zieht ein Gewitter über dem Lake Huron auf. Ab und zu blitzt es. Das Wasser schimmert in einem grünlichen Grau, und der Wind frischt ein wenig auf. Aber die Wellen rollen weiterhin gemächlich ans Ufer, und über der Bucht von Port Crescent scheint die Sonne. DerBeach bei Port Austin © Cornelia Schaible Schatten einer Möwe gleitet übers Dünengras. Nur das Rauschen der Wellen ist zu hören, es schluckt jeden Lärm. Ein Sonntagnachmittag am Strand: Die Zeit steht still.

Es soll Deutsche geben, die im Sommer nach Florida fahren. Dafür sieht man in der warmen Jahreszeit jede Menge Autokennzeichen mit der Aufschrift „www.myflorida.com“ in Michigan. An die Strände von Port Austin zieht es indessen vor allem Einheimische, wie sich auf dem Parkplatz des nahen State Parks zeigt. Das hat verschiedene Gründe: An den „Daumen“ der fäustlingsförmigen unteren Halbinsel Michigans führt keine Autobahn. Und die paar Sandhügel am Lake Huron können den Riesendünen am Michigan nun wirklich keine Konkurrenz machen. Außerdem finden Touristen im beschaulichen Port Austin zwar Unterkunft und Verpflegung, aber weit und breit keine Shoppingmeile.

Die bescheidene touristische Infrastruktur sorgt immerhin dafür, dass die Beschaulichkeit erhalten bleibt. Und die meisten Besucher konzentrieren sich ohnehin auf den Strand. Denn das ist der große Vorteil der Strände an der Daumenspitze: Sie sind für einen Tagesausflug ideal. Kein anderer ernst zu nehmender Beach ist von Metro Detroit aus so einfach zu erreichen; von Troy nach Port Austin sind es laut Mapquest 120 Meilen.

Die Fahrzeit ist allerdings etwas zu optimistisch angegeben – drei Stunden muss man schon rechnen. Aber es ist eine gemütliche Fahrt übers flache Land, vorbei an Maisfeldern und Dairy Farmen. Dafür braucht es nicht einmal eine Karte: Die M-53, also Van Dyke Road, führt direkt von Detroit nach Port Austin. In Richtung Norden, und immer schön geradeaus.

Der Albert E. Sleeper State Park, etwas westlich von Port Austin bei Caseville gelegen, hat ebenfalls einen ganz passablen Strand. Und wer nach einem Nachmittag am Beach hungrig geworden ist, kann auch erst nach dem Dinner wieder heimfahren: „The Farm Restaurant“ und „The Bank 1884“ sind über die Region hinaus bekannt. Das renommierte Restaurant im historischen „Garfield Inn“, wo einst ein Präsident Hausgast war, ist derzeit allerdings geschlossen. Es finden sich aber auch schlichtere Etablissments, die unter anderem Fisch aus dem Lake Huron auftischen.

Für ein Dessert ist noch auf der Rückfahrt Zeit: In Bad Axe gibt’s eine „Dairy Queen“. Direkt an der M-53.

Saturday, July 21, 2007

Smart mit Schneeketten

Das Wägelchen mag 20 Zentimeter länger sein als früher, aber es ist immer noch ein echter Zweisitzer: Hinter die Rückenlehne passt allenfalls eine Damenhandtasche. Und so streckt mir mein Mann spontan seinen Rucksack entgegen, als er zu einer Probefahrt mit dem neuen Smart aufbricht. Das gibt mir zu denken. Wie sollen die Amerikaner mit diesem Auto zum Shopping fahren?

Solche Überlegungen spielen aber offenbar keine Rolle. Die kleine Fangemeinde, die sich am Rande der Ann Arbor Fairs um den Winzling schart, gibt sich hellauf begeistert. Ein junger Mann, der sich P.J. nennt, findet es wichtig, dass der Smart jetzt endlich in den USA auf den Markt kommt: "Die Autos hier sind doch viel zu groß", sagt er und deutet auf die am Straßenrand parkenden Trucks. Seine Freundin überlege sich ernsthaft, ob sie sich einen anschaffen solle. Und er selber? Na ja, vielleicht kaufe er sich doch lieber einen Prius. Das läge nahe - wie sich herausstellt, arbeitet P.J. als Autoingenieur bei Toyota. Im Techcenter von Ann Arbor. Etwas verschämt gibt er zu, dass dort die großen Trucks konzipiert werden, die eigentlich gar nicht zum sorgsam herangezüchteten grünen Image von Toyota passen. Er würde aber viel lieber in der Hybridentwicklung mitarbeiten.

Am Smart-Stand geben Firmenmitarbeiter derweil routiniert über den sparsamen Spritverbrauch des Kleinstwagens Auskunft - er schafft über 40 Meilen pro Gallone. Aber noch mehr wird der Smart als Lifestyleprodukt vermarktet. Lisa, die mit der Smart Road Show durch die Staaten zieht und Testdriver auf der Probefahrt begleitet, führt voller Stolz vor, wie sich das Verdeck des Cabrio-Modells auch während der Fahrt mühelos öffnen lässt. Da sieht man doch gerne darüber hinweg, dass das automatisierte Schaltgetriebe ein wenig ruckelt. Sie habe sich auch ein Cabrio bestellt, ein silbernes, erklärt sie stolz.

Die Frage, ob sich die Amerikaner in diesem Auto wirklich auf die Straße trauen, hört Lisa allerdings nicht gerne. "In Los Angeles haben die Leute zwei Stunden für die Probefahrt Schlange gestanden", sagt sie beleidigt. Nun, LA liegt in Kalifornien. Aber wie kommt der Smart mit dem Winter in Michigan klar? Da gibt sich Lisa ganz zuversichtlich: In Kanada werde der Smart schließlich schon seit 2004 verkauft. "Außerdem gibt es dafür Schneeketten."

Monday, July 16, 2007

Nur Sportler tragen Speedos

Textilien zeigen generell die Tendenz zum Einlaufen – nicht nur in der Waschmaschine. Auch ein Blick auf die Modegeschichte lässt den Schluss zu, dass Kleidungsstücke gemeinhin an Schwindsucht leiden. Beispiel: das weibliche Badekostüm. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie viel Stoff es noch um die vorige Jahrhundertwende herum brauchte, um sich schicklich in die Fluten zu stürzen. Aber dann kam der Franzose Louis Réard und erfand den Bikini. 1946 war das. Liebling, ich habe den Badeanzug geschrumpft! Allerdings fand sich kein Mannequin, das dieses textile Nichts vorzuführen wagte. Am Ende posierte das Pariser Nacktmodell Micheline Bernardini darin.

Der knappe Zweiteiler schlug ein wie eine Bombe. Das lag ganz in der Absicht des Erfinders: Am 1. Juli 1946, vier Tage vor Einführung der stoffsparenden Textilie, hatten die Amerikaner auf dem Bikini-Atoll mit Atombombentests begonnen. Bei der Namensgebung stand die Insel im Pazifik Pate. Die moralische Empörung war groß – vor allem über den Bikini. Woran man sieht, dass auch Bademoden ein explosives Thema sein können.

Bis der Bikini im prüden Amerika salon- beziehungsweise strandfähig wurde, das dauerte allerdings noch ein paar Jährchen. Erst der Film Und Gott schuf das Weib mit Brigitte Bardot von 1957 schuf einen Markt für den Zweiteiler in den USA. Bald schon sang Brian Hyland sein Liedchen vom "Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini". Der Bikini-Boom war nicht mehr aufzuhalten. Weiter gingen die Amerikaner allerdings nicht; den am Mittelmeer populären Monokini akzeptierten sie bekanntlich nie. Und das liegt nicht nur am kalten Wasser im Atlantik.

Was sich auf der anderen Seite des großen Badeteiches weniger herumgesprochen hat: Die US-Herren-Bademode widersetzt sich dem Trend zur Verknappung bis heute. Vor einem Amerikaurlaub sollte man das beachten. Die gemeine deutsche Badehose ist – na ja, nicht gerade verboten, aber sie wirkt doch reichlich unpassend an amerikanischen Stränden, wo die Männer sich in knielangen Schwimmshorts sonnen. Und offenbar nichts dabei finden, wenn ihnen die nassen Stoffmassen im Wasser um die Beine schlottern.

Pack die Badehose ein – aber die richtige: Für einen USA-Urlaub empfehlen sich Schwimmshorts, wenn man(n) nicht zur Sensation am Strand werden möchte. Bei jüngeren Beachboys sind in diesem Sommer Badeshorts in Knallfarben mit konstrastierenden Seitenstreifen beliebt, nach Möglichkeit mit Überknielänge und im Schritt etwas tiefer gelegt. Schnittige Badehosen, im Englischen nach dem Markennamen kurz Speedo genannt, bleiben Wettkampfschwimmern vorbehalten – oder den muskulösen Männern auf den Titelseiten der Fitness-Magazine.

Auch Arnold Schwarzenegger tauchte in Vor-Gouverneurszeiten schon in einer Speedo an kalifornischen Gestaden auf. Und machte sich zum Gespött. Die knappe Sportbadehose sei allenfalls im Kur- und Saunabereich akzeptabel, meint der US-Stilratgeber Men’s Wardrobe. Also überall dort, wo sich der Durchschnittseuropäer ohne weiteres im Adamskostüm bewegt.

In der Damen-Bademode ist der kleine kulturelle Unterschied weniger ausgeprägt. Zwar verdecken Amerikanerinnen die landesübliche Leibesfülle gerne mit einem Badeanzug, der ein angeschnittenes Röckchen besitzt. Aber auch der Bikini mit mehr oder weniger knappem Oberteil ist nach wie vor populär – und das tief geschnittene Höschen entspricht sowieso seit Jahren internationalem Standard: die Steißtätowierung sollte voll zur Geltung kommen.

Nachtrag:
stern.de hat eine wunderbare Fotostrecke zu diesem Thema – "Petition für die bedeckte Po-Falte".

Thursday, July 12, 2007

Critters

Und täglich grüßt das Murmeltier: Vor meinem Fenster grast wieder der kleine Woodchuck, der sich an dieser Stelle schon gestern den Wanst vollschlug. Es scheint ihm zu schmecken, und er schmaust mit vollen Backen. Weiter hinten auf der Wiese weiden Gänse, mindestens ein Dutzend. Und etwas höher im Bild zieht ein Geier seine Kreise.

Bis heute staune ich darüber, wie viele Tiere es in Michigan gibt. Und zwar nicht nur in den Wäldern Up North, sondern gerade in den Vorstädten von Metro Detroit. Außer von Gänsen und Murmeltieren kann ich noch von einem Streifenhörnchen berichten, das offenbar in der Nähe meiner Terrasse haust. Ein weißer Seidenreiher landet gelegentlich drüben im Gänsetümpel und hält nach einem Snack Ausschau. Was nachts alles ums Haus schleicht, möchte ich gar nicht so genau wissen.

Die Gegend ist erst seit den 1830er-Jahren besiedelt, und wo sich heute Neubaugebiete in die Landschaft fressen, war bis vor kurzem Sumpfland. Es sieht so aus, als hätten sich die TiereSquirrel © Cornelia Schaible noch gar nicht so richtig an die Anwesenheit des Menschen gewöhnt - sie sind auffallend wenig scheu. Die Hirschkuh mit ihrem Jungen, die gestern Abend auf einer Waldlichtung des Stoney Creek Parks stand, schaute uns eine Weile mit großen Augen an. Wir guckten zurück. Erst dann machten Hirschmama und Bambi einen Satz und verschwanden im Unterholz.

Auch die Eichhörnchen sind ganz und gar nicht scheu, und neu zugezogene Deutsche sind entzückt von den possierlichen Tierchen. Sobald diese im Winter großflächig den Garten umgraben, lässt die Begeisterung für gewöhnlich nach. Auch wenn Waschbären im Rauchfang eine Familie gründen und plötzlich ein Junges den Kamin herunterpurzelt, ist es mit der Tierliebe meistens vorbei. Dann kommt die Pest Control.

Der natürliche Feind der Viecher in den Suburbs - und auf dem Lande - ist der Straßenverkehr. Als ich kürzlich eine Schildkröte die Straße überqueren sah, hielt ich an und brachte sie in Sicherheit. Es war eine Painted turtle (Chrysemys picta), eine Zierschildkröte. Zum Dank fauchte sie mich an.

Sunday, July 8, 2007

Green Noise

Die Werbebanner waren nicht zu übersehen: Chevy sponserte die Web-Übertragung des Live-Earth-Konzerts. Genau, die US-Automarke Chevrolet. Keine Frage - das darf als eindeutiges Bekenntnis der Konzernmutter General Motors zu einem sparsameren Flottenverbrauch gewertet werden. Um diese Absicht noch zu bekräftigen, präsentiert GM rund ums Headquarter an der neu gestalteten International Riverfront in Detroit derzeit einige Hummer H3. Ganze 16 Meilen weit kommt das schnucklige Panzerwägelchen mit einer Gallone Sprit (braucht also 14,75 Liter auf 100 Kilometer, und zwar in der City). Damit ist der kleine Hummer doch schon erheblich sparsamer als seine Vorgänger!

Das grün angestrichene Megakonzert war noch für (mindestens) eine weitere Überraschung gut: Hand-in-den-Schritt-zum-Gruß-Snoop-Dogg, the king of bling-bling, ist jetzt auch ein Ökoaktivist. Oder vielleicht sollten wir besser sagen: Ökofreak. Einst hinterließ der Rapper eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter von Dieter Zetsche, er solle doch mal so einen coolen Chrysler 300 C rüberwachsen lassen. Heutzutage fährt er wahrscheinlich heimlich einen Toyota Prius.

Monday, July 2, 2007

Glühwürmchen schimmre

An unserem letzten Abend in den Smoky Mountains versuchten wir, Glühwürmchen zu fotografieren. Für die Gegend war das eine sehr angemessene Urlaubsbeschäftigung: Es wimmelte nur so von fireflies; sie leuchteten einem jeden Abend heim. Nicht, dass es in Michigan keine gäbe - sie sind hier allerdings nicht ganz so zahlreich, und im Raum Detroit nur in höher gelegenen Gebieten anzutreffen. Im Stony Creek Metropark habe ich erst neulich welche gesehen. Wenn die ersten Leuchtkäfer (Photuris lucicrescens) auftauchen, darf man gewiss sein: Es ist Sommer.

In der Gegend von Franklin, wo wir ein Ferienhaus von Freunden gemietet hatte, war das Käfer-Feuerwerk schlichtweg beeindruckend. Im Great Smoky Mountains National Park soll es sogar lightning bugs geben, die synchron blinken - natürlich sind das die Männchen. Die Weibchen suchen sich dann die größte Leuchte aus. Es geht eben immer nur um das eine, nämlich ums Heiraten.

Am Samstagabend stellten wir also das Stativ auf den Balkon des Ferienhauses und belichteten lange. Sehr lange. Leider kann ich jetzt kein Beweisfoto liefern - bestimmt waren es Geister-Glühwürmchen, die keine Spuren auf einem Sensor hinterlassen.

Was wir sonst noch in den Great Smoky Mountains anstellten, werde ich bei Gelegenheit berichten.

Nachtrag vom 21. Juni 2008:
Mehr zum Thema steht jetzt auf suite101: Frühsommer in den Smoky Mountains

Wednesday, June 27, 2007

Warum ich kein Sofa besitze

Irgendwann nach dem Abitur stieg ich in den Zug und fuhr nach Marseille. Man hatte mir gesagt, das liege sehr weit im Süden. Das war mir recht, denn dort wollte ich hin.

Dummerweise kam mein Gepäck nicht gleichzeitig mit mir an. Ich wohnte als Aupair-Mädchen bei einer Familie, und als wir die Sachen endlich abholen konnten, wunderte sich meine Madame über das enorme Gewicht der drei Koffer. In mindestens einem davon waren nur Bücher. Ich wollte nicht ganz alleine in die weite Welt gehen.

Zu meinen Aufgaben gehörte es, einen kleinen Jungen zu beaufsichtigen, Mittagessen zu kochen und die Familie mit frischem Baguette zu versorgen. Manchmal schummelte ich und backte das alte Brot vom Vortag wieder auf, anstatt den Rest wegzuwerfen. Aber Monsieur merkte es meistens und meckerte. So ging ich gewöhnlich jeden Morgen erst einmal zur Boulangerie. Die Bäckerin war eine sehr resolute Matrone, die nur noch wenige Zähne im Mund hatte. Wenn ich warten musste, sah ich ihr zu, wie sie große Bleche Pizza mit der Schere in Vierecke schnitt. Die Pizza war mit Tomaten und Oliven belegt, und die Arbeiter aus der Nachbarschaft kauften sich ein oder zwei Stück als Imbiss.

Nachmittags besuchte ich die Sprachschule der Alliance Française, wo ich die Kunst des Konjugierens pflegte – es geht nichts über den Subjonctif imparfait – und „Le Rouge et le Noir“ von Stendhal las. In meiner Freizeit ging ich mit Freundinnen zum Strand oder stromerte am Alten Hafen herum. Einmal stieg ich zu Notre-Dame de la Garde hinauf, das ist die Kirche, die hoch über der Stadt auf einem Felssporn thront. Ich sah auf das Mittelmeer, nichts als Blau bis zum Horizont, und bemerkte, dass sich die Horizontlinie deutlich krümmte. Von der Notre-Dame de la Garde aus konnte ich tatsächlich erkennen, dass die Erde rund ist, und das gefiel mir außerordentlich.

Nach meinem Aupair-Jahr immatrikulierte ich mich an der Universität von Tübingen, wo ich bereits zur Schule gegangen war. Ich studierte im Hauptfach Germanistik, außerdem Allgemeine Sprachwissenschaft und Politikwissenschaft. Meinen Lebensunterhalt verdiente ich erst an der Kasse eines Supermarktes, dann im Schreibzimmer der Universitäts-Augenklinik. Dort tippte ich halbtags Arztbriefe und viele Seiten lange Gutachten für die Berufsgenossenschaft, in denen Begriffe wie Ophthalmoplegie oder Chorioiditis iuxtapapillaris vorkamen. Als die Verwaltung mir mitteilte, wann ich mein 25-jähriges Jubiläum im öffentlichen Dienst feiern würde, erschrak ich und meldete mich zum Examen an. Einen ähnlich sicheren Arbeitsplatz hatte ich allerdings nie wieder.

Noch als Studentin hatte ich meinen Mann kennengelernt, und als wir meine Magisterprüfung und sein Doktorexamen in Chemie glücklich hinter uns hatten, nahm er eine Assistentenstelle an der Universität Genf an. Ich machte erst noch ein Praktikum bei einem Radiosender und zog ein paar Monate später nach. Wir hatten einen kleinen Transporter gemietet, in dem wir die Ikea-Regale und das schwarze Ledersofa aus meinem Studentenzimmer transportierten, dazu viele Bücherkisten.

Ich hatte es allerdings versäumt, mich über die Zollformalitäten kundig zu machen, und als wir zur Grenze kamen, schlug der Schweizer Zollbeamte die Hände über dem Kopf zusammen. Nachdem wir aber einige Kartons geöffnet hatten, in denen zufällig nur Bücher waren, schaute er mitleidig und ließ uns passieren. Gegen Abend kamen wir am Genfer See an, und der Mont Blanc stand riesig und rosa über der gewaltigen Landschaft.

Ich hatte mich an der Universität Lausanne für ein Doktorandenstudium eingeschrieben, außerdem unterrichtete ich Deutsch an einer Privatschule und konjugierte mit meinen Nachhilfeschülern starke Verben. Am Wochenende stiegen wir auf alle Berge, auf die man ohne Seil und Haken kommt, aber wir wurden nie damit fertig, denn es sind ziemlich viele. Auch die kalte Jahreszeit, in der Genf mitunter wochenlang unter einer dichten Hochnebeldecke steckt, hatte ihre Reize: Mein Mann erklärte Käsefondue zu seinem Lieblings-Wintersport, und zur besseren Verdauung wanderten wir mit Schneeschuhen in den Jurabergen und lauerten Gämsen auf.

Wir besaßen kein Auto, dafür aber ein sogenanntes Generalabonnement. So lernten wir das Schweizer Kursbuch auswendig und versuchten mitunter, möglichst viele öffentliche Verkehrsmittel an einem Tag zu benutzen: Tram, Bahn, Postbus und als Krönung eine Fahrt auf einem alten Dampfschiff. Wahrscheinlich würden wir immer noch am Genfer See sitzen und sonntags in einer Wirtschaft hellgelben Chasselas aus kleinen Gläsern trinken, wenn die Stelle meines Mannes nicht befristet gewesen wäre. So zerlegten wir die Ikea-Regale in ihre Einzelteile, packten auch die Bücher wieder ein und die vielen Dias vom See und den Bergen.

Damals lebte mein Vater noch, und er besorgte uns eine winzige Wohnung in Rottenburg am Neckar, wo zu jener Zeit auch mein Bruder war. Die Bischofsstadt Rottenburg ist nur wenige Kilometer von Tübingen entfernt, liegt aber in einer ganz anderen Welt – selbst der Dialekt ist anders. Die Gegend ist ehemals vorderösterreichisches Gebiet und somit katholisch geblieben, im Gegensatz zum reformierten Alt-Württemberg. Ich selbst bin evangelischer Konfession, und so erlebte ich nun im Schatten des Domes, dessen Ding-dang-dong den Tag zerteilte, das katholische Brauchtum im Jahreslauf mit. Nicht zuletzt die Fasnacht, die noch bewusst als die Zeit vor dem Frühjahrsfasten erlebt wird. Ich fand das spannend.

Als ich anfing, als freie Mitarbeiterin für das „Schwäbische Tagblatt“ zu schreiben, war ich schnell auf die Fasnacht und andere lokale Themen festgelegt. Und nachdem ich einige Jahre lang über Land und Leute berichtet hatte und eine Stelle frei wurde, fand ich mich plötzlich als festangestellte Redakteurin wieder. Mein Mann war unterdessen beruflich weitergezogen, erst nach Texas, dann nach Japan. So musste ich mir wenigstens nie über mein Urlaubsziel Gedanken machen – einmal winkten wir dem japanischen Kaiser zu, und wir standen auch schon bei Sonnenaufgang auf dem Fuji. Aber das ist eine andere Geschichte.

Als mein Mann in Detroit sesshaft wurde und außerdem klar war, dass meine befristete Stelle nicht verlängert würde, packte ich vor ziemlich genau vier Jahren unseren Hausrat in 50 Kisten. Die Hälfte davon füllte ich mit Gedrucktem. Bücher sind wie Karnickel – wenn man nicht hinschaut, vermehren sie sich heimlich. Die Regale verschenkte ich, ebenso meine wunderbare kleine Waschmaschine aus der Schweiz.

Alles andere verpackte die Spedition in einen 10-Kubikmeter-Container – oder sie versuchte es wenigstens. Irgendwann kam nämlich ein Anruf: Es passe nicht alles rein. Der Vertreter der Firma hatte sich verschätzt. Das war zwei Tage vor meinem Abflug. Ich fuhr zur Lagerhalle der Spedition und sah, dass die Möbelpacker alles verstaut hatten, bis auf das schwarze Ledersofa. Was tun? Einige Kisten in Deutschland lassen? Ich entschied mich für die Bücher. Das Sofa blieb bei der Spedition, und meine Schwester holte es irgendwann ab. Jetzt steht es, glaube ich, zu Hause bei meinem Bruder im westfälischen Münster.

Inzwischen finden sich auch einige englischsprachige Titel in meinem Bücherregal. Ein neues Sofa habe ich mir noch nicht angeschafft.

Friday, June 22, 2007

Salut à Détroit

Erstaunlich, was die Leute so alles auf meine Seite bringt - ich meine die Suchbegriffe, die sie eintippen. Auch das wäre einmal einen Beitrag wert, vor allem die Spitzenreiter. Stichwort: belegte Seele. Hätte ich bekanntlich auch gern eine. Und das war ein Tübinger! Warum ging der nicht einfach zum Bäcker um die Ecke?

Heute beehrte schon jemand MOTOWN BLUES, der sich offenbar zum Thema "Detroit - Aussprache" so seine Gedanken machte. Das lobe ich mir. Denn immer wieder begegnen mir Deutsche, die auch nach Jahren in Michigan noch nicht wissen, wie man Detroit richtig ausspricht. Es heißt nämlich nicht DEEEtroit, jedenfalls normalerweise nicht, höchstens beim Basketball, wenn die Pistons drüben im Palace spielen, aber die haben jetzt ohnehin Sommerpause. Außerhalb des Basketball-Stadions liegt die Betonung auf der zweiten Silbe: DeTROIT. Ich hatte nie Mühe, mir das einzuprägen, schließlich brüllte es Eminem oft genug von der Bühne - D-TROIT! Das war beim Konzert im Ford Field, am 13. Juli 2003. Damals war ich erst seit ein paar Tagen in Motown. Wie die Zeit vergeht.

Am liebsten unterhalte ich mich mit meiner französischen Freundin Brigitte über die Stadt - Détroit [de'trwa], das hört sich doch gleich ganz anders an. Nie würde ein Franzose oder eine Französin dieses klangvolle Wort à l'anglaise aussprechen. "Aber wieso - das war doch keine französische Stadt", meinte eine Bekannte, der ich davon erzählte. Nun, so kann man sich täuschen.

Knapp 306 Jahre ist es jetzt her: Am 22. Juli 1701 erreichten die Kanus von Antoine de la Mothe Cadillac, von Montreal kommend, den Beginn der Gewässerenge zwischen Lake Huron und Erie, le détroit genannt. Am nächsten Tag ruderte Cadillac mit seinen Mannen den Lake St. Clair hinunter, dann an Belle Isle vorbei und an der Stelle, wo heute die Ambassador Bridge USA und Kanada verbindet. Erst am Tag darauf entdeckten sie, wieder stromaufwärts paddelnd, das nette Plätzchen an der Biegung des Flusses, wo die Detroiter heutzutage Feste feiern. "Voilà Détroit!" rief Cadillac, hoch erfreut. Und dabei blieb es.

Leider konnten die Engländer und Amerikaner, die irgendwann ins Spiel kamen, den Namen der Stadt nicht richtig aussprechen. Bois Blanc, eine der Inseln im Detroit River, verballhornen die Einheimischen gar zu "Boblo", wie ich erst kürzlich lernte. Aber immerhin haben sie den Anreisetag von Cadillac nicht vergessen: In einem Monat, am 22. Juli, wird wieder gefeiert. Auch das lange vernachlässigte Ufer, an dem die ganze Geschichte begann, kommt wieder zu Ehren: Heute beginnen die Detroit International River Days, eine sechstägige Sause. Salut!

Sunday, June 17, 2007

Dad's Day

Weather.com wünscht heute einen „Happy Father’s Day“. In der Tat widmen die USA den Vätern einen richtigen Feiertag, der immer am dritten Sonntag im Juni begangen wird. Und beim amerikanischen Vatertag handelt es sich um ein Pendant zum Muttertag, nicht etwa um einen Sauftag. Das heißt, Dad verbringt den Tag mit der Familie, die Kinder erfreuen ihn mit Selbstgebasteltem, und die Gattin überreicht ihm einen neuen Schlips. Natürlich kriegt er zur Feier des Tages auch seine Leibspeise serviert.

Im vergangenen Jahr waren wir am Samstagabend vor dem Vatertag irgendwo zu einem Gartenfest eingeladen. Ich erinnere mich nur noch vage daran, was dort auf dem Grill brutzelte – ich glaube, es waren Schweinerippchen. Ich weiß aber noch genau, dass sich ein ziemlich großer Teil der Unterhaltung um das Vatertagsmenü drehte, das am nächsten Tag bei der ebenfalls eingeladenen Nachbarsfamilie serviert werden sollte. Mom hatte offenbar mehrere Pfund King crab legs im Supermarkt erstanden, und während die anderen Gäste noch die letzten Schweineknochen abnagten, schwärmte Dad schon von den kommenden Genüssen. Das war nicht sehr höflich, weckte aber allenthalben Taschenkrebs-Gelüste.

So gesehen ist der deutsche Vatertag, nämlich der zum Sauffest umfunktionierte kirchliche Feiertag Himmelfahrt, vom Brauchtum her schon etwas volkstümlicher. Es geht um Männerrituale. Was im Übrigen einen tiefen Einblick in das Rollenverständnis deutscher Väter erlaubt: Wenn sie sich feiern, hat die Familie nichts zu melden. Dann zieht die Herrlichkeit mit Bollerwagen und Bierfässchen durch die grüne Flur und empfindet das als Befreiung. Weder die Kirche noch engagierte Väter sind darüber recht glücklich. Der alkoholisierte Pseudo-Vatertag hat kein besonders tolles Image.

Aber auch in Amerika erreicht der Vatertag längst nicht die gleiche Popularität wie der Muttertag. Daran kann nicht einmal der Glückwunschkarten-Hersteller Hallmark etwas ändern: 150 Millionen Karten werden laut "Time Magazine" zu Mutters Ehrentag verschickt, Väter kriegen bloß 100 Millionen Kartengrüße. Vielleicht liegt es daran, dass sich in diesem Land ebenfalls eine Menge Väter von ihrer Familie absetzen. Und zwar ganzjährig.

Thursday, June 7, 2007

Mackinac Island, die Insel der Pferde

Klipp-klapp. Klipp-klapp. Das gleichmäßige Klackern der Pferdehufe ist das einzige nennenswerte Verkehrsgeräusch auf Mackinac Island, und es hat eine entschieden heitere Note. Natürlich hätten wir auch zu Fuß gehen können, von der Anlegestelle ist es wirklich nicht weit nach Mission Point. Zumal das Gepäck von der Fähre direkt ins Hotel gebracht wird. Aber die meisten Teilnehmerinnen der GPWA-Reisegruppe, die an einem milden Maienabend von der Fähre steigen, nehmen ein Pferdetaxi. Denn das lässt einen am einfachsten hineinfinden in den gemächlichen Rhythmus, der auf der Insel herrscht.

Die öffentlichen Transportmittel auf Mackinac Island fahren alle zweispännig. Dem Fahrgast beschert das einen nicht alltäglichen Ausblick: Links und rechts vom Kutschbock, auf dem einePercheron-Gespann vor einer Kutsche des Grand Hotels © Cornelia Schaible junge Frau sitzt, bewegen sich zwei mächtige Pferdehintern gleichmäßig auf und ab. Es sind braune Kaltblüter mit fahlen Mähnen, schwere Belgier, die klassischen Zugpferde in Amerika. Genau wie die Percheron stammen sie von jenen massigen Pferden ab, auf denen einst die alten Ritter in die Schlacht zogen.

Als ich zum ersten Mal auf dem Michigan State Fair in Detroit war, wunderte ich mich über die Vielzahl der Kaltblutrassen, die dort vorgeführt wurden – vor Kraft strotzende Pferde, die bei der landwirtschaftlichen Leistungsschau unter anderem einen Truck ziehen mussten. Auf dem State Fair werden auch die prächtigsten Gespanne gekürt. Inzwischen ist mir klar, warum so viele Zugpferde ausgerechnet in Michigan das Postkutschenzeitalter überlebt haben: Sie werden noch gebraucht. Mennoniten und Amische spannen im Frühjahr das Rösslein an, um es bei der Feldarbeit einzusetzen. Vor allem aber haben die Pferde im Bundesstaat, in dem die horseless carriage einst ihren Siegeszug antrat, buchstäblich eine Rückzugsinsel gefunden: Mackinac Island.

Die Insel in den Straits of Mackinac ist bereits seit 1898 autofrei: Die Pferde vertrugen den Lärm der Motorkutschen nicht und scheuten. Auf Druck der Mackinac Horsemen’s Association wurden die Autos daraufhin vom idyllischen Eiland verbannt. In den Sommermonaten leben über 600 Pferde auf Mackinac Island; im Winter sind es immerhin noch 30 Stück, die Taxi- und Transportdienste leisten. Neben Zugpferden gibt es selbstverständlich auch Reitpferde, und Gäste können sogar ihr eigenes Pferd für einen Ausritt auf der Insel mitbringen. Die Arnold Ferry Line nimmt auch Pferde mit an Bord.

Auf der Insel der Pferde gelten auch besondere Verkehrsregeln: Ein Pferd hat immer Vorrang. Zum Glück ist das Hufegeklapper nicht zu überhören. Und obwohl gerade die Zugpferde besonders gutmütig sind, sollte man sie nicht einfach streicheln – sie schlafen zuweilen im Stehen und könnten sich unnötig erschrecken. Wer ein Buggy für eine kleine Insel-Spritztour mietet, wird in die equine etiquette eingeführt.

Für Pferdenarren gibt es im Sommer auf der Insel Traumjobs. Im Park des Grand Hotels treffe ich eine schon etwas ältere, einfach gekleidete Frau, die auf einer Bank sitzt und eine Zigarette raucht. Sie genießt den Blick auf das historische Luxushotel, in dem sie nie absteigen wird. Wir kommen ins Gespräch, und sie erzählt mir, dass sie übers Wochenende auf der Insel ist, um ihre Tochter zu besuchen „Sie fährt hier Taxi.“

Nachtrag vom 28. Mai 2008:
Mehr zum Thema steht jetzt auf suite101: Zeitreise nach Mackinac Island

Tuesday, June 5, 2007

Deutsch an Detroiter Schulen: ein Trauerspiel

Wer Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, hat in Metro Detroit genug zu tun – jedenfalls im Bereich der Erwachsenenbildung. Viele Unternehmen vermitteln ihren Ingenieuren und Managern Deutschkurse im Betrieb, das spart Zeit und setzt die Mitarbeiter ein Stück weit unter Erfolgszwang. Mehr als 300 deutsche Unternehmen haben ein Werk oder eine Niederlassung in Südostmichigan, und so gehören Deutschkenntnisse einfach zum guten Ton. Und zum Geschäft.

Der Bedarf an Deutschkursen für Erwachsene im Raum Detroit wird künftig sicher noch wachsen: An den High Schools der Metropole wird nämlich immer seltener Deutsch angeboten. An der King High School in Detroit etwa ließ man den Deutschunterricht auslaufen, in der Vorstadt West Bloomfield können Schüler demnächst kein Deutsch mehr lernen, und an der Seaholm High School in Birmingham ging die Deutschlehrerin weg und wurde nicht dauerhaft ersetzt. Von den drei High Schools in Farmington wird demnächst nur noch eine Schule die Sprache anbieten: die Farmington High School, wo Janet Harris Deutsch unterrichtet.

Obwohl ihre eigene Stelle zumindest im Moment nicht bedroht sei, fühle sie sich trotzdem von den Kürzungen betroffen, sagt Janet Harris: „Ich habe fast neun Jahre lang im Bezirk Deutsch unterrichtet, und ich habe so fleißig gearbeitet, um das Programm aufzubauen.“ Die Schülerzahl sei mit der Zeit stetig gewachsen, obwohl Deutsch immer mit Französisch und Spanisch konkurrieren musste – und diese beiden Sprachen werden in Farmington im Gegensatz zu Deutsch bereits in der Middle School angeboten. Deswegen sei es nun eine große Enttäuschung für sie, dass die Deutsch-Lehrkraft der beiden anderen High Schools eingespart werde – wer dort trotzdem Deutsch lernen möchte, soll künftig pendeln. Eine wenig attraktive Alternative.

„Es heißt, es bestehe nicht genug Interesse“, erklärt Janet Harris. „Aber das stimmt nicht: Die Nachfrage für Deutsch ist sogar gestiegen!“ Woher kommt dann diese ablehnende Haltung gegen Deutsch-Programme an High Schools, obwohl das Erlernen mindestens einer Fremdsprache in Michigan für jede/n Schüler/in in vier Jahren Pflicht sein soll? Laut Harris überwiegt immer noch die Vorstellung, dass Deutsch unmäßig schwer sei. „Doch das ist einfach absurd“, sagt die Deutschlehrerin, die ursprünglich aus England stammt und in Bath sowie in Freiburg studiert hat. Sie wisse auch gar nicht, woher dieses Missverständnis komme – wahrscheinlich von schlecht beratenen Entscheidungsträgern, die selbst keine Fremdsprache sprechen.

Sicher gebe es einige grammatische Schwierigkeiten im Deutschen, sagt die Lehrerin, in der die Sprache von Goethe und Schiller eine starke Fürsprecherin gefunden hat. „Aber jede Sprache ist auf ihre Weise schwierig.“ Und für die Anfängerstufe spiele die Grammatik ohnehin keine große Rolle – die Aussprache des Deutschen ist bekanntlich schnell und einfach zu lernen. „Außerdem steht das Englische dem Deutschen sehr viel näher als dem Französischen oder Spanischen“, wirbt Harris. Obwohl Spanisch heute in den USA sehr wichtig ist, gibt es für sie trotzdem einen wichtigen Grund, eher Deutsch zu lernen: „Wenn eine Firma jemanden einstellen möchte, der Spanisch kann, sucht man nach einem native speaker.“

Nicht nur in Michigan, wo Deutschland der wichtigste ausländische Investor ist, gibt es gute Gründe, dem Wirtschaftspartner auch sprachlich entgegenzukommen. US-Niederlassungen deutscher Firmen beschäftigen gut eine Million Amerikaner. Umgekehrt sind 2000 US-Unternehmen in deutschsprachigen Ländern geschäftlich tätig. Und so wird vielen Amerikaner erst bewusst, dass sie Deutsch können sollten, wenn sie ins Berufsleben eintreten. Was Johnny nicht lernt, lernt John immer mehr.

Wednesday, May 30, 2007

Corinne Walker

Für die Firma ein paar Jahre ins Ausland gehen, und die Familie kommt mit – das klingt aufregend. Die vielen Formalitäten können die Vorfreude allerdings schnell trüben. Gerade in den USA müssen sich Neuankömmlinge mit einer beachtlichen Menge Papierkram herumschlagen.Die Relocaterin Corinne Walker © Cornelia Schaible Damit der Alltag am neuen Wohnort schnell wieder in geordneten Bahnen verläuft, nehmen Auslandsentsandte immer häufiger die Dienste einer Relocationfirma in Anspruch. Und dafür gibt es gute Gründe.

„Beim Umzug in ein fremdes Land ist es beruhigend zu wissen, dass es eine kompetent organisierte Starthilfe gibt“, sagt Corinne Walker. Mit ihrer 1998 gegründeten Firma COWA, kurz für Consulting Organization & Worldwide Assistance, unterstützt sie die Angestellten beim Auslandseinsatz dabei, am neuen Wohnort schnell Fuß zu fassen: „Bei den hohen Anforderungen, die Unternehmen an ihre entsendeten Mitarbeiter stellen, ist ein reibungsloser Ablauf der Umsiedlung die wichtigste Voraussetzung.“

Corinne Walker ist mit den Sorgen und Nöten der Expatriates bestens vertraut: Vor zwölf Jahren ist sie selbst mit ihrer Familie von Süddeutschland nach Michigan gezogen. Mit jeweils einem Büro in Stuttgart und in Detroit, Michigan, sowie an weiteren US-Standorten könne sie einen persönlichen Service anbieten, bei dem die Bedürfnisse des entsendeten Mitarbeiters und seiner Familie im Mittelpunkt stehen. „Und davon profitieren in ganz besonderen Maße auch die Unternehmen“, betont die studierte Betriebswirtin.

„Die Leute kommen in die USA oder nach Stuttgart, um einen wichtigen Job zu machen – sonst wären sie nämlich nicht ins Ausland geschickt worden“, erklärt Corinne Walker. „Wenn sie ihre Energie in den ersten vier Wochen dazu verwenden, den täglichen Kleinkrieg zu meistern, kommt das die Firma teuer zu stehen.“ Informationen aus erster Hand über die Besonderheiten der neuen Umgebung schon vor der Abreise zu bekommen, sei für die Mitarbeiter beim Auslandseinsatz daher ganz entscheidend. Nicht zuletzt auch für die Familienangehörigen: „Es kann nicht sein, dass eine Ehefrau umzieht und nicht weiß, was sie erwartet und wohin sie umzieht.“

Ihre Kunden besucht Walker daher, solange sie noch in Deutschland sind, und bespricht mit ihnen in aller Ruhe, welche Sorgen und Erwartungen sie haben. Sechs bis acht Wochen vor der endgültigen Abreise ist dann der so genannte Look-and-see-Trip. Geschulte Betreuerinnen, welche die Bedürfnisse des Entsendeten und seiner Familie aus eigener Erfahrung kennen, helfen schließlich bei der Eingewöhnung. Und für alle Kunden, die lieber in der leeren Wohnung auf den Übersee-Container warten als im Hotelzimmer, stellt COWA sogar ein Survival-Kit bereit. Inklusive Camping-Matratze und Bettzeug.

Mehr zum Thema in einem Interview mit Corinne Walker: Alles in der richtigen Reihenfolge

www.cowa-inc.com