Wednesday, June 21, 2006

Kleine Geschenke

Der Sommer kam mit einem ordentlichen Donnerwetter. Und weil das irgendwie beim Arbeiten störte, verbrachte ich den Nachmittag in der Mall beim Sale. Als ich so viele Klamotten gesehen hatte, dass ich an Kleidervergiftung litt, genehmigte ich mir zur Erfrischung einen Bananenshake bei "Starbucks" - auf Kosten meiner Schüler. An Montagnachmittagen unterrichte ich nämlich deutsche Literatur und gebe mich gelegentlich der Fantasie hin, ich hätte doch Deutschlehrerin werden sollen. Na ja, das hält immer so lange, bis ich wieder einmal ins Lehrerzimmer zum Kopieren muss...

Jedenfalls erhielt ich in der letzten Deutschstunde vor den Ferien zu meiner großen Überraschung eine Geschenktüte, überreicht von zwei meiner besten Schülerinnen. In der Tüte befand sich eine Duftkerze mit "Pear Blossom"-Aroma. Ich hasse Duftkerzen. Wahrscheinlich war das die Rache für die Grass-Lektüre, "Katz und Maus", die irgendwie keiner goutierte. Am Boden der Tüte - das entdeckte ich aber erst zu Hause - fand sich auch noch eine Giftcard. Und auf der waren immerhin 10 Dollar, wie sich heute herausstellte - die haben sich ja richtig in Unkosten gestürzt! Dann kann alles nicht so schlimm gewesen sein.

Hey, that's America! Sogar die Lehrerschaft wird am Ende des Schuljahrs mit einer Giftcard bedacht. Kleine Geschenke erhalten gute Noten. Über das Phänomen der ubiquitären Geschenkkarte hatte ich schon früher geschrieben - an mir persönlich ging der Trend zum "Kartengruß mit Einlage" bisher allerdings vorbei. Dafür kann ich jetzt mit einer Giftcard bei "Starbucks" bezahlen. Zwei Latte sind noch locker drin. Mal sehen, ob mich das im nächsten Schuljahr milder stimmt.

Mehr zum Thema: Kartengruß mit Einlage

Tuesday, June 13, 2006

Summer, Michigan Style

In Michigan ist Sommer, wenn es Blizzards nur noch bei "Dairy Queen" gibt. Ein DQ Blizzard, das ist Eiscreme mit zerkrümelten Keksen oder zermatschten Schokoriegeln drin, und zwar im Aggregatszustand nach einer Runde im Mixer. Das sieht längst nicht so schlimm aus wie es sich anhört. Und es schmeckt so richtig schön amerikanisch. Strawberry Cheese Quake Blizzard etwa kann ich nur empfehlen, ersetzt eine komplette Mahlzeit. An den ersten sommerlich warmenStrand am Lake Huron in der Nähe von Port Austin, Michigan © Cornelia Schaible Tagen zieht sich dann die Schlange leicht einmal um die Eisbude. Klar, man muss sich ranhalten. Im Winter macht die Eiscreme-Kette ihre Läden in Michigan dicht, nur die Filialen in wohl temperierten Malls bleiben offen.

In diesem Jahr fiel der erste Hochsommertag auf jenen Donnerstag, an dem in Deutschland Himmelfahrt im Kalender stand. In Amerika gibt es diesen Feiertag zwar nicht, aber die Hitze hielt bis zum Wochenende, und es traf niemanden unvorbereitet. Sommer beschlossen! Auch wenn offiziell noch Mai war. Ich muss gestehen, für uns kam das etwas plötzlich. Sonntags standen wir an einem Strand von Port Austin, also am "Daumen" der fäustlingsförmigen unteren Halbinsel von Michigan, und betrachteten einigermaßen fassungslos das Gewimmel. Der Strand sah aus wie im Bilderbuch "Wo ist Walter?". Dabei musste der Lake Huron noch eiskalt sein. Als wir zuletzt in Port Austin waren, das war Ende März, türmten sich am Strand die Eisschollen.

Für Deutsche ist das jahreszeitliche Kontrastprogramm anfangs gewöhnungsbedürftig. "Weißt du, in Michigan gibt es eigentlich nur drei Jahreszeiten", erklärte kürzlich eine erfahrene Expat-Frau einer neu Angekommenen. Stimmt. Sechs Monate Winter, drei Monate Sommer - wenn man Glück hat! - und drei Monate Herbst. Der Frühling fällt meistens aus. Man muss sich das einmal vorstellen: Die komplette Infrastruktur der Badeorte am Lake Michigan wird für gerade mal drei, vier Monate in Schuss gehalten - die September sind manchmal noch recht mild. Aber dann geht der Michigander schon bald nicht mehr baden, sondern jagen. Und bei "Dairy Queen" servieren sie noch eine Weile Pumpkin Blizzard, bevor sie das Schild aufhängen: "Thank you for a great season!"

Folglich gilt es, keine Zeit zu verlieren. Auch wenn der Sommer kurzfristig etwas schwächelt. Am Samstagabend wanderten wir zum Leuchtturm von Big Sable Point bei Ludington am Lake Michigan, und der Rückweg führte über den dortigen Campingplatz. Ein riesiger Vollmond war aufgegangen, dann aber hinter Wolken verschwunden. Es war sehr, sehr frisch. Die Camper saßen jedoch frohgemut in kurzen Hosen ums Lagerfeuer und froren heroisch. Im Unterholz stand ein Reh und machte große Augen. Es bewegte sich auch nicht von der Stelle, als wir näher kamen. Endlich mal was los hier. In Winter gibt's an Michigans Stränden nur Schnee. Und Eis. Viel Eis.