Am Samstag besuchten wir Lansing, die Hauptstadt von Michigan. Wir wollten das State Capitol besichtigen, wäre ja nett gewesen so kurz vor dem Independence Day. Nicht zuletzt deswegen, weil für die 1879 fertig gestellte Michigan-Regionalausgabe tatsächlich das US-Kapitol in Washington als Modell diente. Was da in der Mitte von Lansing steht, ist natürlich schon eher ein Schrumpfkapitol. Das wäre indessen nicht schlimm, wenn Lansing in irgendeiner Hinsicht an eine Hauptstadt erinnern würde. Bei 115.000 Einwohnern - in Greater Lansing leben sogar über 450.000 - müsste das durchaus drin sein. Die Stadt am Grand River ist nun allerdings der ödeste Ort zwischen Lake Michigan und Lake Huron, den ich bislang kennengelernt habe.
In der Markthalle verloren sich eine Handvoll Farmer aus dem Umland, die kleine Schälchen mit heimischen Erdbeeren und die ersten grünen Tomaten feilboten. Ein paar Radler benutzten den Weg am Fluss, und an der im Reiseführer erwähnten Fischtreppe stand ein Angler. Irgendwo saß ein Schwarzer mit einem Ghettoblaster, aus dem merkwürdigerweise R'n'B-Musik drang. Aber der Mann war auch nicht mehr der Jüngste. Sonst war die Innenstadt menschenleer, die Gegend um das Kapitol wie ausgestorben. Die große Eingangstreppe war abgesperrt, wegen in Bälde zu erwartender Bauarbeiten. Der Besucher wurde zum Eingang unter der Treppe umgeleitet. Dort gab es eine Glastür, hinter der ein kleines Pappschild hing. Das Kapitol sei samstags neuerdings leider geschlossen, war darauf zu lesen, "due to budgetary restrictions". Und dann stand da noch: "Please come again!"
Michigan ist ein armer Staat. Michigan muss sparen. Und daran wird auch der Charme von Gouverneurin Jennifer Granholm nichts ändern. Auch wenn es wahrscheinlich nur an der Sommerpause der Staatsregierung liegt, dass Lansing so verlassen wirkt - es passt. Es ist die Hauptstadt eines Bundesstaates, der unablässig Einwohner verliert. Viele der GM-Arbeiter, die jetzt den krisengeplagten Autokonzern mit einer Abfindung verlassen - in Michigan sind es laut "Detroit Free Press" rund 13500 - werden dem Staat den Rücken kehren und irgendwo im Süden anheuern. Dort, wo die japanischen Autokonzerne ihre Fabriken bauen.
Allein in Lansing haben 3400 Mitarbeiter von GM die Abfindungs- und Vorruhestandsangebote angenommen. Damit verlieren sie nicht nur ihre Krankenversicherung, sondern auch ihre Pension - sie werden ihr Glück woanders suchen. Der Letzte macht dann das Licht aus. Im Kapitol war's schon dunkel.