Sunday, December 26, 2010

The Angel of the Lord Came upon Them

Anfang Dezember waren wir auf dem furchtbar kalten Weihnachtsmarkt in Birmingham, der ganz säkular als „Winter Market“ deklariert war. Wie auch immer. Jedenfalls waren da erwartungsgemäß viele Landsleute zugange, und ich schnappte den Bruchteil einer Konversation zwischen zwei deutschsprachigen Besucherinnen auf – offenbar waren beide froh, sich wieder einmal in der Muttersprache unterhalten zu können: „Man verlernt sein Deutsch immer mehr“, klagte die eine, „und das Englisch wird derweil nicht besser.“ Was die andere dazu meinte, habe ich nicht mehr mitbekommen, aber mir fällt dieser Ausspruch immer wieder ein.

Sprachkenntnisse sind eine leicht verderbliche Ware, und das schließt die Muttersprache mit ein. Für mich war schon immer klar, dass die fließende Beherrschung von Fremdsprachen zwar hübsch und nützlich ist, aber nicht auf Kosten meiner Erstsprache gehen darf. Deutsch ist mein Kapital, und das möchte ich nicht nur pflegen, sondern nach wie vor vermehren. Wer das nicht tut, riskiert, dass er irgendwann in keiner Sprache mehr zuhause ist: Die Muttersprache ist dann korrumpiert vom Vokabular und von der Syntax der Zweitsprache, die man aber auch nicht perfekt beherrscht. Expat-Eltern kann ich nur empfehlen, dass sie die Deutsch-Kenntnisse ihrer Kinder fördern. Englisch lernen die Sprösslinge sowieso – die Zweisprachigkeit kommt aber nur zustande, wenn man die Muttersprache stützt. Und wenn man sie schätzt.

Erstaunlich finde ich, wenn das Deutsche auch noch von der Enkelgeneration der Einwanderer in Ehren gehalten und sogar gesprochen wird, wie das bei meiner Freundin Christina der Fall ist. „Wir schauen gerade Aschenputtel auf Deutsch an“, sagte sie, als wir an Heiligabend bei ihr eintrafen. Das deutsche Programm kam über einen kanadischen Sender ins Haus, allerdings zeitversetzt. Viel einfacher geht das heute indessen übers Internet; erst kürzlich lernte ich zu meinem Erstaunen, dass sogar der „Tatort“ als Livestream zu haben ist. Das ist typisch: Es gibt so viele deutsche Medienangebote online, dass man schon gar nicht mehr weiß, was man am besten nutzen sollte.

Via Kanada kam an Heiligabend auch die ZDF-Weihnachtsfeier des deutschen Bundespräsidenten ins US-amerikanische Wohnzimmer, inklusive Berliner Symphoniker. Angelika Milster sang, Jan Josef Liefers las eine Weihnachtsgeschichte von Astrid Lindgren, und Christian Wulff las das Weihnachtsevangelium nach Lukas. „Den kann man wirklich nehmen“, sagte mein Mann, und er meinte den Bundespräsidenten. Und mir fiel wieder einmal auf, wie schön dieses Lutherdeutsch ist, wenn es sachgemäß vorgetragen wird. „Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und sie fürchteten sich sehr“, las Wulff. „Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.“

Später hörten wir die Weihnachtsgeschichte auch noch auf Englisch. In der King-James-Bibel lautet Lukas 2, Vers 8 und 9 folgendermaßen: „And, lo, the angel of the Lord came upon them, and the glory of the Lord shone round about them: and they were sore afraid. And the angel said unto them, Fear not: for, behold, I bring you tidings of great joy, which shall be to all people.“

Sorry – kein Vergleich.