Gestern war ich, die Kinderlose, bei einem deutsch-amerikanischen Kindergeburtstag eingeladen. Das kommt gelegentlich vor, denn es hat sich herumgesprochen, dass mir so etwas gefällt - auch als Fotografin finde ich Kinderfeste hinreißend. Ich mag es, wenn so viele kleine Menschlein um mich herumwuseln. Bei manchen der kleinen Racker bin ich zwar gar nicht böse, wenn sie die Mütter irgendwann wieder einsammeln. Aber es ist auf alle Fälle lustig. Und in Deutschland hatte ich das nie, höchstens bei einem Termin im Kindergarten.
Sicher gibt es auch in deutschen Landen noch ein paar Reservate, wo man gelegentlich auf eine lärmende Horde Kinder trifft - im Zoo zum Beispiel. Aber überall sonst sollen die lieben Kleinen möglichst keinen Mucks von sich geben. Vor allem in Mietwohnungen. Das hat selbst der Hersteller der Bobbycars einsehen müssen. "Die gibt's auch mit Flüsterrädern", sagte eine Mutter auf der Geburtstagsparty, die sich über die Vorzüge des in Amerika nicht erhältlichen Spielzeugs ausließ. "Damit es in der Wohnung nicht so viel Krach macht." Und die Amerikanerinnen hatten wieder einen Grund, sich zu wundern.
In Amerika fällt es meistens gar nicht auf, dass Kinder von Natur aus laut sind - sie haben genug Platz zum Toben. Und sie dürfen fast überall mit hin. Sogar ins Restaurant, wo sie dann die Papiertischdecke mit Buntstiften bemalen. In Deutschland gelten Kinder in der Öffentlichkeit schlicht als Zumutung. Und das wird sich auch nicht ändern, bloß weil "Bild" jetzt den "Baby-Notstand" ausgerufen hat. Eine der Kindergeburtstags-Mütter wollte gar nicht glauben, dass die Deutschen zu wenig Kinder kriegen. "Hier haben doch alle welche!" Eben. Kinderkriegen muss ansteckend sein. Das sieht man an den Expatriates.
Mit Sicherheit macht nichts mehr Lust auf Kinder als - Kinder. Wer in Amerika keinen Nachwuchs hat, gilt als bemitleidenswertes Wesen. Ich werde gelegentlich gefragt, warum ich eigentlich nicht adoptiere. Was, wie ich finde, dann doch zu weit geht. Auch wenn in meiner Umgebung ständig alle schwanger sind. Ein begehrenswerter Zustand, wie eine Chrysler-Werbung zeigt: Einem Pacifica entsteigen sechs Schwangere im Abendkleid, und der Parkdienst macht Stielaugen. Dazu die Stimme aus dem Off: "Bietet Platz für sechs - oder zwölf, wie man's sieht." Daraus lässt sich nur eines schließen: Ein dicker Bauch ist sexy. Und eine Frau mit Kindern ist attraktiver als eine ohne Nachwuchs. Sonst hätte Brad Pitt nicht Jennifer Aniston verlassen, nach vierjähriger kinderloser Ehe, und sich eine Frau mit zwei Kindern angelacht. Und jetzt ist Angelina Jolie von ihm schwanger. Noch Fragen?
Vielleicht sollte man einfach Brad Pitt klonen, anstatt den Deutschen das Kinderkriegen beizubringen, wie es derzeit die "Bild" versucht. (Warum eigentlich? Die Zeitung hat sich auf die vergreiste Leserschaft doch längst eingestellt, das Wichtigste erscheint in Großbuchstaben.) Schon die ganze Woche war Baby-Alarm, und heute geht es nun wirklich ans Eingemachte: "100 Gründe, warum Sie an diesem Wochenende ein Baby machen sollten." Nein, ausnahmsweise einmal nicht wegen der Rente. Sondern weil (Grund Nummer 7) "auch Macho-Männer bei Babys ganz weich werden". Und (Grund Nummer 2) "weil wir dann auch mit 80 noch jemanden haben, der uns die BILD-Zeitung vorliest", also wenn gar nichts mehr geht und selbst die fetten Schlagzeilen vor den Augen verschwimmen. Und der schönste Grund, zu Recht an erster Stelle genannt: "Weil es dann in 9 Monaten ein echtes Christkind wird."
Genau. Dann sitzen wir alle unterm Tannenbaum und singen: "Ihr Kinderlein kommet!"
Nachtrag vom 28. Mai 2009:
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