Sunday, October 8, 2006

Deutsches in Detroit

Deutsche, die nach Detroit ziehen, staunen oft darüber, wie viele Landsleute sie in der neuen Umgebung treffen. Meistens knüpfen die Neuankömmlinge Kontakte zu Expats, die sich in einer ähnlichen Situation befinden – und so bleiben Mitarbeiter deutscher Firmen auf Auslandseinsatz sowie ihre Familienangehörigen meistens unter sich. Dass es im Großraum Detroit zahlreiche Vereine und Clubs alteingesessener Deutschamerikaner gibt, ist vielen schlichtweg nicht bekannt. Auch die Vielfalt von Geschäften, die ihr Lebensmittelangebot auf den Geschmack deutscher Kunden abgestimmt haben, dürfte nicht allen geläufig sein. Jawohl, man kann in Detroit richtigen Quark kaufen! Und wer deutsche Essiggurken oder eine ganz bestimmte Sorte Gummibärchen zum Überleben braucht, für den ist ebenfalls gesorgt.

Aber wie kommen nun die Spätzle zum Exil-Schwaben? Und wie findet der Gemischte Chor neue Sänger und Sängerinnen? Christina Griesser, die rührige Präsidentin der German Professional Women’s Organisation (GPWA), hatte eine Idee: „Wir müssen die verschiedenen Gruppen einfach einmal zusammenbringen“, schlug sie bei einem Delegiertentreffen des German American Cultural Center (GACC) vor. Der GACC ist der Dachverband von insgesamt 14 in Metro Detroit ansässigen Clubs und Vereinen mit deutschem, österreichischem oder Schweizer Hintergrund.

Zugegeben, es dauerte ein bisschen, bis Christina Griesser für ihr Anliegen genügend begeisterte Mitstreiter fand. Eine German American Networking Fair in der Carpathia-Halle, dem deutsch-amerikanischen Zentrum in Sterling Heights, das gab es schließlich noch nie. Und bei den Hütern deutscher Tradition in Amerika sind so neumodische Aktionen naturgemäß schwer durchzusetzen. Aber die GPWA-Präsidentin schaffte es. Über 50 Anbieter und Clubs kamen heute Nachmittag in die Carpathia – und trotz des schönen Herbstwetters war die Messe ordentlich besucht. Der Carpathia-Club hatte die Halle kostenlos zur Verfügung gestellt, und der Eintritt war frei. GACC-Präsident Frank Sinz bedauerte nur, dass deswegen keiner die genaue Besucherzahl feststellen konnte: „Nächstes Mal müssen wir unbedingt Tickets ausgeben!“

Auch der deutsche Honorarkonsul Fred Hoffman drehte eine Runde durch die Halle. Jim Stokes, der die Regierung des Bundesstaates im Südosten Michigans vertritt, übermittelte Grüße von Gouverneurin Jennifer Granholm. „2,7 Millionen Menschen mit deutscher Abstammung leben in Michigan“, sagte Stokes. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung also. Das erklärt die große Zahl deutscher Vereine in Detroit, von denen erstaunlich viele bis heute überlebt haben: Zum GACC gehören unter anderem der Detroit Schwaben Unterstützungs-Verein, der GBU/Saxonia Rheingold Gemischter Chor und der Sport Club 1924. Bereits aus den Namen geht hervor, dass es sich um altehrwürdige Institutionen handelt. Und die Mitglieder sind oft nicht mehr die Jüngsten – manche Clubs, etwa die Austrian Society, haben zwar den Nachwuchs integriert, möchten aber auf jeden Fall auch Neuankömmlinge ansprechen.

„Wir haben sonst kaum Gelegenheit, mit den neu zugewanderten Deutschen zu reden“, erklärte Marianne Krenzer, GACC-Vorstandsmitglied und nach eigener Auskunft „seit 49,5 Jahren in den USA“. Nicht nur, dass sich selten Berührungsmöglichkeiten ergeben: „Ich hatte auch das Gefühl, dass wir nicht offen genug sind – und das wollen wir nun ändern.“ Insofern war die Messe sicher ein Erfolg: Viele Leute hätten ihm erzählt, sie seien zum ersten Mal in der Carpathia, freute sich George Schemmel jr. vom GACC, der Christina Griesser bei der Organisation der Networking Fair unterstützt hatte. Und etliche Besucher hatten keine Ahnung, dass es in Detroit eine deutschsprachige Zeitung gibt, berichtete Verleger Knuth Beth. Die „Nordamerikanische Wochenpost“ konnte im vergangenen Jahr 150-jähriges Bestehen feiern.

„Die Leute waren erstaunt, wie viele Angebote es gibt, die auf ein deutschsprachiges Publikum zielen“, sagte Martina Dorn von „The Newcomers Network“. Neben Relocationfirmen gibt es vor allem Immobilienmakler oder Finanzexperten, die sich auf deutsche Kunden spezialisiert haben. Die lieben Kleinen sind bei den German American Kids (GA Kids) gut aufgehoben. Wahrscheinlich naschen sie dort deutsche Schokolade – auch in der Carpathia-Halle war Candy made in Germany heiß begehrt. Neben all den deutschen Lebensmitteln durfte deutscher Wein nicht fehlen. Und das füllt nun wirklich eine Lücke im Angebot, was ebenso US-Kunden interessieren könnte: „Wein ist auch in Amerika ein Kulturgut geworden“, sagte Helga Janz-Wagner, die Erzeugnisse vom Weingut ihrer Eltern anbot und fleißig Proben ausschenkte. Den Zwiebelkuchen dazu hatte sie selbst gebacken. Und welcher Tropfen mundete den Deutschen am besten? „Der Dornfelder“, antwortete ihr Mann.

Unter den Ausstellern waren auch zwei deutschsprachige Kirchengemeinden: „Viele Besucher hatten keine Ahnung, dass es hier sowas gibt", sagte Pfarrer Haiko Behrens von der Gemeinde St. Peter’s in Warren. „Sie waren sehr angetan – vor allem im Hinblick auf Weihnachten.“