Gelegentlich soll ich fürs deutsche Publikum erklären, wie eigentlich der Wahlkampf in den USA aussieht. Also, abgesehen von Fernsehdebatten und Werbespots. Wie sich das im Straßenbild bemerkbar macht. „Gibt’s eigentlich auch Wahlplakate?“, wurde ich kürzlich gefragt. Nein, die gibt’s nicht, jedenfalls nicht im öffentlichen Raum – hier hängen definitiv keine Politikerporträts an Straßenlaternen.
Der Wahlkampf in den USA wird überwiegend in den Vorgärten ausgetragen. Bunte Rasenschildchen verraten die politischen Präferenzen der einzelnen Wohnsiedlungen; manchmal prangen die Namen des bevorzugten Kandidaten auch an Hauswänden oder an einer anderen exponierten Stelle. Im Appartmentkomplex nebenan hat einer „Obama for President“ an der Balkonbrüstung hängen. Klar, nicht jeder hat einen Vorgarten. Dazu sollte man erwähnen, dass nicht nur die Namen der Präsidentschaftskandidaten den herbstlich mit Laub gesprenkelten Rasen zieren: Am 4. November werden auch ein gutes Drittel des Senatsmitglieder und das komplette Repräsentantenhaus neu gewählt, dazu sind in manchen Staaten Gouverneurswahlen, zusätzlich müssen in Landkreisen und Gemeinden vom Bürgermeister bis zum Polizeichef viele Ämter neu besetzt werden – ein Wahlmarathon. Daher treiben es manche Vorgartenbesitzer ziemlich bunt.
Nun ist es aber offenbar so, dass sich Hausbesitzer am liebsten dann politisch outen, wenn der Nachbar sein Kreuzchen an der gleichen Stelle macht – so manch eine Subdivision in den Vorstädten scheint ganz auf McCain zu setzen. Die koordinierte Abstimmung per lawn sign macht es nicht einfach, für illustrative Zwecke beide Kandidaten-Schilder gleichzeitig aufs Bild zu bekommen.
Bei unserem letzten Kurztrip an die Sleeping Bear Dunes wurden wir schließlich fündig: Die Wochenendhausbesitzer am Crystal Lake in Benzie County scheinen nicht unbedingt erpicht darauf, in politischer Harmonie mit dem Nachbarn zu leben. Der Grundstückbesitzer der Obama-Seite meines Fotos meinte jedenfalls sinngemäß, der Anblick würde seinen Nachbarn schon fuchsen. „Manche klauen die Schilder auch“, fügte er noch vieldeutig hinzu. Diese Art von nachbarlichem Wahlkampf ist auch bereits in einem Youtube-Video festgehalten.
Die Schilder müssen auch sonst für einiges herhalten. Am Tag zuvor hatte ich bereits versucht, ein ähnliches Bild in Northport aufzunehmen. Da fiel mir plötzlich auf, dass das Obama-Schild – offenbar auf McCain-Territorium – von Löchern übersät war. Es handelte sich eindeutig um Einschusslöcher – irgendjemand hatte mit der Schrotflinte darauf geschossen.
Mir war das schon von weitem aufgefallen, weil ich eine Gegenlichtaufnahme versucht hatte. Durch die Löcher im Obama-Logo fielen Sonnenstrahlen.