Tuesday, March 22, 2011

Die laufen mit Strom

Die Windkraftanlage bei Melchingen auf der Schwäbischen Alb kann man für eine Verschandelung der Natur halten oder für einen reizvollen Akzent im Landschaftsbild. Sicher ist, dass sie fürs dort ansässige Theater Lindenhof schon lange Teil der landschaftlichen Kulisse ist. Bei „Ritter, Tod und Teufel“ zog einst Don Quichotte in einer Ritterrüstung auf dem Moped gegen ein Windrad zu Felde. Auch die drei schwäbischen Grazien vom „Dohlengässle“ konnten über die Windturbinen nicht genug staunen – und sie tun es wahrscheinlich heute noch. „Laufet dia mit Strom?“

Die unschuldige Frage, die stets für viel Heiterkeit sorgte, fiel mir kürzlich aus gegebenem Anlass wieder ein. Wer hätte sich je darüber Gedanken gemacht, dass Atomkraftwerke – oder vielmehr deren Kühlsysteme – auf ununterbrochene Stromzufuhr angewiesen sind? Jawohl, die laufen mit Strom. Die jüngste Meldung „Fukushima wieder am Stromnetz“ wäre zum Lachen, wenn das Ganze nicht so unendlich traurig wäre.

Was anlässlich dieser Katastrophe auch bekannt wurde: Fermi 2, der von uns aus nächstgelegene Atommeiler in Monroe südlich von Detroit, ist baugleich mit den Reaktoren 1 und 3 des nach Erdbeben und Tsunami havarierten AKW Daiichi in Fukushima. Der Hersteller ist General Electric. Beim großen nordamerikanischen Stromausfall von 2003 war Fermi 2 sechs Stunden lang abgeschaltet, schrieb Laura Bermann kürzlich in der „Detroit Free Press“. Und es habe damals Komplikationen mit dem Backup-Generator gegeben. Wie schön, wenn man so etwas erst erfährt, nachdem alles glimpflich ausgegangen ist.

Vor fast 45 Jahren lief ein Störfall im gleichen AKW allerdings gründlich aus dem Ruder: Bei einer Fehlfunktion im Kühlsystem des Reaktors Fermi 1, Prototyp eines Schnellen Brüters, kam es zu einer partiellen Kernschmelze, bei der nach Angaben des Betreibers keine Strahlung nach außen freigesetzt wurde. „We almost lost Detroit“ lautet indessen der Titel eines Buches über diesen Vorfall, und es gibt auch einen Song darüber. Aber die Amerikaner vergessen schnell. Und sie sind nicht die einzigen.