Wednesday, June 25, 2008

Ritter, Tod und Teufel

Vor genau fünf Jahren war ich bei einer Vorstellung im Theater Lindenhof; das war die letzte Veranstaltung, die ich besuchte, bevor ich nach Detroit abreiste. Fünf Jahre! Die Lindenhöfler fehlen mir, die Alb auch.

Das waren Bilder, die nie ich nie vergessen werde: immer wieder Durchblicke auf die Salmendinger Kirche, wie eine Glucke über dem Dorf vor rosigem Abendhimmel. Das war sicher der Höhepunkt beim Spaziergang durch Melchingen zur Ruine, dem Auftakt zum Stück „Ritter, Tod und Teufel" der Lindenhöfler. Auch wenn man nach dem Geschmack von Ex-Kollege Triebold „zu viele offene Scheunentore einrennen musste“, wie er damals in seiner Kritik monierte. Außerdem missfielen ihm die Gardinen. Ich hätte eher an den Glasbausteinen, Eternitplatten und Oberbayern-Balkonen aus dem Baumarkt Anstoß genommen, die manches alte Bauernhaus entstellten. Der Gang durch Melchingen war trotzdem witzig: Man wusste nie, ob etwas inszeniert war oder aus dem prallen Älbler-Leben gegriffen. Einige ältere Eingeborene verfolgten von ihrem Feierabendbänkchen aus kopfschüttelnd das Treiben der Theatergänger. Bestimmt war vieles ebenso gestellt wie die Beschriftung einer Reihe von Parkplätzen: RITTER, TOD, TEUFEL, SÄNGER JUN., SÄNGER SEN.

Auf dem Grillplatz auf halber Höhe kam eine Art Ritter auf der Vespa angedüst – Don Quichotte, der gegen die Windkraftanlage in der Ferne zu Felde zog.

Dann der verzauberte Wald mit Schaufensterpuppenarmen, die aus Bäumen wuchsen (nachts trugen sie Laternen, um den Besuchern heimzuleuchten) und Abbildungen von seltsamen Spottgeburten, die sich bei genauerem Hinsehen als Röntgenbilder von Fröschen, Geckos und ähnlichem entpuppten. Irgendwo baumelte auch noch ein Kronleuchter im Geäst. Und überall waren schwarze Mäntel mit großen hochgeklappten Krägen aus einem versteiften Stoff aufgestellt, die einem gespenstisch mit ihrem leeren Ärmel den Weg wiesen.

Ein weiß geschminkter Berthold Biesinger brach aus dem Wald und lockte: „Kommen Sie!“, um anschließend die Besucher zum Verweilen aufzufordern: „Warten Sie eine kleine Ewigkeit!"

Irgendwo fiedelte ein schwarz gekleideter gefallener Engel, der einen nutzlosen Flügel an der Seite hängen hatte. Silvia Danek raunte einem etwas ins Ohr, Gerd Plankenhorn war oben an der Ruine – das heißt, am Nordpol – gerade am Erfrieren, aus allen Fensteröffnungen lugten schwarze Raben, und ganz oben aus dem Mauerwerk ragte ein Galgen, an dem wiederum einer der steifen Mäntel hing. Daneben stand eine weiß gekleidete Gina Maas, die Schauerliches rezitierte. Ich habe vergessen, was es war.
Oben in der Ruine, wo die vier Wandergruppen nach und nach eintrafen, waren Wassergläser und Körbe mit Bauernbrotscheiben zur Stärkung der Theatergänger aufgestellt. Es blieb wenig übrig – „Wasser und Brot geht immer", bemerkte jemand.

Die vier Bauernlümmel – junge Miminnen direkt von der Schauspielschule –, welche die einzelnen Gruppen begleitet hatten, verwandelten sich in Pagen. Susanne Hinkelbein, ganz in Schwarz mit roten Cowboystiefeln und einer fürchterlichen blonden Perücke, setzte sich ans Klavier, und dann konnten die „Geschichten aus dem Schattenreich“ ihren Anfang nehmen. Mit allem, was die deutsche Romantik an Schauerlichem zu bieten hatte: Von Uhland und Chamisso und Conrad Ferdinand Meyer. Am Eulenturm war’s unheimlich, „zwei Füße zuckten in der Glut“, und der Rabe krächzte „Nimmermehr“. Die schrecklichste Moritat zum Schluss wurde ironisch mit der Nachfrage: „Kommt do irgendwann no Musik?“ gebrochen.

Schattenhaftes und Unheimliches. Hauptthema: Abschied. „Nimmer – nimmermehr.“