Saturday, April 6, 2013

Bitte mit Widmung


Meine Schwester und mein Schwager haben sich zu meinem runden Geburtstag etwas einfallen lassen. Ein Buch, natürlich, das kommt immer gut an und lässt sich am einfachsten verschicken. Damit das Geschenk auch wirklich ankommt. Aber wie wird daraus etwas Besonderes? Richtig, durch eine Widmung. Ich nehme an, noch vor dem Buchkauf überlegten sich die beiden, wer dafür wohl in Frage käme. Sie entschieden sich dann für einen gewissen empirischen Kulturwissenschaftler aus Tübingen.

„Ursprünglich sollte ja der Papst ein Grußwort zu Deinem Geburtstag schreiben“, lauteten die launigen Glückwünsche dazu, „aber nach dessen beruflicher Umorientierung ist Hermann Bausinger persönlich eingesprungen...“ Das lassen wir für diesmal gelten.

Nun ist der gute Professor Bausinger Jahrgang 1926 und seit zirka zwanzig Jahren emeritiert, aber er hat offenbar sein Zimmer in der Außenstelle des Ludwig-Uhland-Instituts behalten, und er empfängt auch immer noch zur Sprechstunde nach Vereinbarung, wie aus der Website der Universität hervorgeht. Es war also nicht allzu kompliziert, ihn aufzustöbern. Wie ich von meiner Mutter erfahren habe, kam Bausinger dem Widmungs-Wunsch in einer seiner Sprechstunden gerne nach, wurde aber vorsorglich noch mit einer Pralinenschachtel oder dergleichen bestochen. Ich habe zwar nie bei ihm studiert, im Gegensatz zu einigen ehemaligen Kollegen bei der Zeitung, war ihm aber wohl vom Namen her vage ein Begriff. „Hier sind die Berge, die Ihnen fehlen...“ schrieb er in das Bändchen „Albgeschichten“, das er mit herausgegeben hat. Da hat er wohl gegoogelt, denn dass ich die Berge vermisse, steht irgendwo in einer Bio.

Seit wann kenne ich eigentlich Bausinger? Wie gesagt, ich habe nie einen Kurs bei ihm belegt, höchstens einmal einen Vortrag von ihm gehört. Aber ich weiß genau, ich war einmal bei einer Pressekonferenz im Ludwig-Uhland-Institut, dessen Direktor er damals war, im Haspelturm des Schlosses. Nur, wie konnte das überhaupt sein? Bei der Zeitung fiel die Uni nämlich nicht in meinem Zuständigkeitsbereich, und zwar grundsätzlich nie. Es muss also noch in der Zeit beim Radio gewesen sein, als ich meine ersten journalistischen Schritte unternahm. Und tatsächlich, irgendwann fiel es mir ein, denn ich habe noch das Buch, das damals vorgestellt wurde: eine Untersuchung zur Partykultur der Fünfziger. Jawohl. Über Spießer und Cocktailspieße.

Nun, jedenfalls weiß ich mit Bestimmtheit, wann ich den Professor zum letzten Mal persönlich getroffen habe: Das war beim Konzert von Titi Winterstein in der Rottenburg-Oberndorfer Kulturgarage. Damals saß Bausinger direkt hinter mir. Wie andere Nebensächlichkeiten habe ich mir das nur gemerkt, weil die ganze Veranstaltung so unglaublich war – der Jazzgeiger in einer ehemaligen Busgarage! Die Fußnote einer Erinnerung. Aber das ist nun auch schon gute zehn Jahre her.