Friday, August 21, 2009

Keine Party ohne Piñata

Als ich zum ersten Mal in den USA bei einer Gartenparty eingeladen war, bekam ich unvermutet Gelegenheit, meine Kenntnis amerikanischer Brauchformen zu erweitern.

Das runde, lampionartige Teil mit der Micky-Maus-Figur darauf hatte ich einfach für Dekoration gehalten. Bis zu dem Moment, als die Kinder auf Geheiß anfingen, sich vor Micky Maus aufzustellen. Das erste Kind in der Reihe bekam einen Plastikknüppel in die Hand und fing an, auf den armen Micky einzudreschen. Dann schlug das nächste zu, und so fort. Bis der Hohlkörper aus Karton platzte – und die lieben Kleinen alle auf dem Boden lagen und sich um Schokolade und Bonbons balgten. Die Figur war randvoll mit Süßigkeiten gefüllt.

Dass sich dieser Partyspaß Piñata nennt, erfuhr ich erst beim nächsten Fest. Und seither habe ich schon viele platzen sehen, denn Piñatas sind heutzutage auch in den USA sehr populär. Woher sie stammen, ist dank des „N“ mit Tilde darüber leicht zu erkennen – es handelt sich um einen kulturellen Import aus Mexiko.

Nach einiger Online-Recherche fand ich auch heraus, dass der Brauch einen europäischen Ursprung hat und zu Fastnacht und Karneval gehört. Allerdings war der Behälter früher aus Ton – in Italien nannte man das eine pignatta.

Das Wort existiert offensichtlich heute noch, allerdings war für mich nicht klar, welche Bedeutung es genau hat. Und so wandte ich mich per E-Mail an den suite101-Kollegen Klaus Schwehn, der im Gebiet der Oberitalienischen Seen lebt.

Er antwortete dankenswerterweise sehr schnell (denn ich wollte meinen Artikel bald veröffentlichen): „Da musste ich erst mal in unserem Tante-Emma-Laden, der Maria Carla heißt, nachfragen. Denn sie weiß ALLES. Also im hiesigen Dialekt (am südlichen Alpenrand, Provinz Como) ist es ein ganz normaler Kochtopf, beispielsweise aus Aluminium, der im Hochitalienischen pentola heißt. Ein Brötchen kaufender Feriengast hat mir indessen versichert, der Begriff sei umgangssprachlich in ganz Italien verbreitet, ein ebenfalls anwesender Sizilianer hat es bestätigt. Mein gedruckter, etwas älterer Pons sagt auch, umgangssprachlich (Koch-)topf, der neue online-Pons kennt das Wort nicht. Es ist hier schon lustig: Wenn man eine Frage hat, gibt das halbe Dorf Auskunft.“

Eine pignatta entspricht also dem schwäbischen „Hafen“ (wie in „Stockhafen“ oder „Kochhafen“) – der war ursprünglich auch aus irdenem Material. Ich forschte noch ein wenig weiter und siehe da: Es gibt in Italien tatsächlich noch lokales Brauchtum rund um aufgehängte Tontöpfe, die mit Stöcken zerschlagen werden - etwa bei der "Festa de San Piero de Casteo" (in meinem Text habe ich das auf Hochitalienisch geschrieben) gibt es "Gioco delle Pignatte".

Das ist übrigens einer Amerikanerin aufgefallen, die darin natürlich sofort die Ähnlichkeit zum mexikanischen Brauch erkannt hat. Sie staunte vor allem darüber, dass kleine Kinder mit Stöcken auf schwere Tontöpfe einschlagen – aber offenbar lässt man sie dabei vorsichtshalber Helme tragen.

Mehr zum Thema auf suite101: Die Piñata – ein Partyspaß mit Tradition

Monday, August 3, 2009

Car Candy: Wenn das Auto zum Hund passen muss

Einen hochmütiger dreinblickenden Hund hatte ich nie gesehen. Pudel Paris, auf dem Schoß von Frauchen Cathy Gauche, war entschieden der Hingucker beim gestrigen Meadow Brook Concours d’Elegance. Beide waren in Blau und Weiß gestylt – nur beim Pudel hatte wohl irgendjemandCathy Gauche mit Pudel Paris beim Meadow Brook Concours d'Elegance © Cornelia Schaible vergessen, die Lockenwickler herauszunehmen. Jedenfalls passten der Hund und die Lady farblich ganz exakt zum Auto. Richtig, das Auto, fast hätte ich es vergessen: Das war ein 1948er Delahaye 135 MS Faget Varnet Cabriolet. Fabelhaft.

Die Oldtimer-Show auf dem Gelände von Meadow Brook Hall war überhaupt eine reine Augenweide. Die edlen Karossen wurden auf einem sorgfältig manikürten Golfrasen präsentiert, als Hintergrund eine Zwanzigerjahre-Villa: Das war car candy vom Feinsten. Auch das Publikum ließ sich nicht lumpen. Die Damenwelt nahm die Veranstaltung an einem prächtigen Sommertag als Vorwand, um dekorative Hüte auszuführen. Ist die Rezession etwa vorbei?

Einige Sammler konnten schon versprechen, beim nächsten Concours d’Elegance ein anderes hübsches Modell aus ihrer Sammlung vorzustellen. Ganz verarmt scheint die Nation noch nicht zu sein. Und wenn ein Oldtimer-Sammler verkaufen muss, hat das zuweilen eher mit seiner persönlichen Situation zu tun: Gary Kohs aus Birmingham, Michigan, lässt demnächst seinen 1938 Bugatti Type 57C versteigern. Seine Süße sei ihm davongelaufen, erzählt er jedem, der es hören möchte, und deswegen müsse er sich leider auch von seinem Wagen trennen.

Das schwarz und grün lackierte Vehikel gilt als eines der wertvollsten Autos der Welt. Es war das persönliche Eigentum von Autobauer Ettore Bugatti – seine Arbeiter hatten den Wagen als Geschenk für ihn zusammengeschraubt. Das gute Stücke könnte bei der Auktion Mitte August über 12 Millionen Dollar erzielen. So hofft jedenfalls der jetzige Besitzer Gary Kohs.

Friday, July 31, 2009

Nothing Compares to Lake Michigan

„I grew up on a Lake Michigan beach and completely took it for granted. I was actually a little disappointed when I first saw an ocean. Lake Michigan, my god – it's fantastic. Nothing compares.“

KOMMENTAR von „annaleighclark“ auf YouTube zum Video „Lost and Found“ aus der Werbekampagne „Pure Michigan“.

Thursday, July 30, 2009

Ann Arbor News wird Dotcom

Farewell, Ann Arbor“, stand auf dem Titel der letzten Ausgabe. Die Tübinger US-Partnerstadt hat keine lokale Tageszeitung mehr – am Donnerstag vergangener Woche endete eine 174-jährige Tradition. Die „Ann Arbor News“ erscheint jetzt unter neuem Namen im Netz, dazu gibt’s zweimal wöchentlich eine gedruckte Ausgabe. Das Ende der „Ann Arbor News“ bedeutet einen erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen: 274 Leute waren nach Angaben von Herausgeberin Laurel Champion zuletzt beim Lokalblatt in der Tübinger US-Partnerstadt beschäftigt – alle wurden entlassen.

Nun, immerhin hat Laurel Champion jetzt einen neuen Job: Sie ist Vizepräsidentin von „AnnArbor.com“, das ist die Nachfolgepublikation des soeben beerdigten Lokalblattes, das zuletzt eine Auflage von 45.000 Exemplaren hatte. 25 ehemalige Mitarbeiter der „Ann Arbor News“ haben ebenfalls eine Anstellung beim neuen Online-Nachrichtenorgan gefunden – im Impressum findet man vor allem beim Sport bekannte Namen. Andere arbeiten jetzt als freie Mitarbeiter für die Internetzeitung, von der es nur noch donnerstags und sonntags eine gedruckte Version gibt. Ganz ohne Printausgabe geht es nicht, denn die braucht man fürs Anzeigengeschäft: Die Wochenendausgaben amerikanischer Zeitungen enthalten dicke Werbebeilagen, die aus Prospekten und vor allem Rabatt-Coupons bestehen. Und die sind seit Beginn der Wirtschaftskrise begehrt wie schon lange nicht mehr: Amerikaner schnippeln eifrig Coupons.

Das Onlineangebot von AnnArbor.com ist kostenlos. Die Druckausgabe muss man kaufen, es gibt sie aber auch im Abonnement, und die bisherigen Abonnenten der „Ann Arbor News“ bekommen das neue Printmedium ins Haus geliefert. Die redaktionelle Schrumpfkur ging an der Zeitung nicht spurlos vorüber, wie Grace Shackman feststellen musste: „Sie war deutlich dünner als früher.“ Aber sonst habe das Blatt – einmal abgesehen vom neuen Namen – ganz ähnlich ausgesehen, berichtete die Historikerin dem TAGBLATT. Shackmann, die selbst publizistisch tätig ist und überDas Gebäude der Ann Arbor News von 1936, ein Entwurf von Albert Kahn, soll verkauft werden © Cornelia Schaible die Stadtgeschichte von Ann Arbor schreibt, bedauert das Ende des Lokalblattes: „Die Zeitung wird uns allen fehlen.“ Und das, so fügte sie hinzu, „obwohl sie nicht so gut war wie sie hätte sein können“.

Dass die journalistische Qualität des Lokalblattes nachgelassen habe, konnte man in Ann Arbor häufig hören – immer mehr langjährige Leser kündigten ihr Abonnement, auch in Grace Shackmans Freundeskreis war das so. In der Universitätsstadt, in der die Mehrheit demokratisch wählt, kam es außerdem nicht gut an, dass die „Ann Arbor News“ bei den Präsidentenwahlen zwei Mal den Republikaner George W. Bush unterstützte. Nach welchen Kriterien die Lokalberichterstattung funktionierte, verstand sowieso niemand. Nur als Beispiel: Als im vergangenen Jahr eine Delegation aus Tübingen in der US-Partnerstadt war, stand in der Zeitung von Ann Arbor darüber kein Wort.

In den USA ist die „Ann Arbor News“ das jüngste Opfer einer Zeitungskrise, die auch Großstädte nicht ausspart: So hat Seattle an der Westküste der Vereinigten Staaten schon seit dem Frühjahr keine gedruckte Tageszeitung mehr – publiziert wird seither ausschließlich übers Internet. Die Online-Ausgabe des „Seattle Post-Intelligencer“ enspricht allerdings mehr dem üblichen Bild einer Internetzeitung als „AnnArbor.com“. Auch die Internetangebote der „Detroit News“ und der „Detroit Free Press“ in der benachbarten Autometropole, die zwar noch täglich drucken, ihren Abonnenten aber nur an zwei beziehungsweise drei Tagen in der Woche das Blatt ins Haus liefern, kommt deutlich attraktiver daher.

Seit zehn Jahren ging das Anzeigengeschäft bei der „Ann Arbor News“ immer weiter zurück, während die Kosten gleichzeitig stiegen – am Ende stand der Entschluss des Verlegers, die „Ann Arbor News“ dicht zu machen und etwas ganz Neues anzufangen. Das Gebäude in der Innenstadt von Ann Arbor, in dem die Zeitung seit 1936 zu Hause war, soll verkauft werden – jetzt genügt ein kleines Redaktionsbüro, das bereits angemietet wurde. Auf diese Weise müsse man nicht weiterhin „den Niedergang“ verwalten, sagte Matt Kraner, der neue Präsident von AnnArbor.com. „Die einzige Chance, den journalistischen Auftrag weiterzuführen, bestand darin, das Modell zu wechseln“, erklärte Steven Newhouse von der Eigentümerfamilie in einem Interview, das in der „Ann Arbor News“ erschien.

Nun ist die Newhouse-Gruppe nicht irgendein Verlagshaus in den USA – tatsächlich handelt es sich um den größten amerikanischen Medienkonzern in Privatbesitz; der offizielle Name ist „Advance Publications“. Zum weit verzweigten Verlagsimperium gehören neben 30 weiteren Tageszeitungen in allen Teilen der USA auch eine lange Reihe von Hochglanztiteln, die alle erdenklichen Themen von Mode übers Reisen bis zum Golfspielen abdecken – das Fashionmagazin „Vogue“ ist ebenso ein Newhouse-Produkt wie die Intellektuellengazette „The New Yorker“. Auch einige Internetportale gehören dazu – und ganz offensichtlich verschiebt sich gerade das Gewicht in Richtung Online-Publikationen. Denn weitere Newhouse-Zeitungen aus Michigan, die bisher ihr Online-Angebot mit der „Ann Arbor News“ teilten, dürften schon bald ebenfalls ausschließlich auf dem Internet zu finden sein – Steven Newhouse hat das bereits angedeutet.

Die Frage ist nur, ob sich die bisherigen Leser so einfach umstellen. Bei Grace Shackman und ihrem Mann, die vor dem Abendessen immer gern Zeitung lasen, ist es noch nicht soweit: „Das ist schon eigenartig“, bemerkte Grace Shackman, „da ist jetzt so eine Leere.“

Sunday, July 26, 2009

American Food

„American Food is whatever happens to be cooking in America right now.“

Der amerikanische Küchenchef und Autor ANTHONY BOURDAIN, in der jüngsten Folge seiner Fernsehsendung „No Reservations“, die ihn nach Baltimore, Detroit und Buffalo führte. In Detroit speiste Bourdain polnisch und libanesisch.