„Vielleicht ist es ein Weltrekord“, sagt Sophia Ellis. Im Bundesstaat Michigan sei sie jedenfalls bestimmt die dienstälteste Lehrkraft. Die Detroiter Deutschlehrerin, die im Juni in den Ruhestand ging, kann in der Tat auf eine stattliche Anzahl von Dienstjahren zurückblicken: Seit 1950 stand sie im Dienst der Detroit Public Schools, zuletzt an der Martin Luther King High School.
Ganz am Anfang ihrer Laufbahn hatte Sophia Ellis naturwissenschaftliche Fächer unterrichtet, später aber vor allem Deutsch – dieser Sprache galt schon immer ihre ganze Leidenschaft, auch außerhalb des Klassenzimmers. Für ihre Verdienste wurde Ellis gestern bei einem Empfang der deutsch-amerikanischen Handelskammer anlässlich des Tages der Deutschen Einheit vom deutschen Honorarkonsul Fred Hoffmann geehrt.
„In Deutschland haben mich die Leute manchmal gefragt, warum ich so viel Deutsch gelernt habe“, erzählte Sophia Ellis den Gästen beim Empfang im Historischen Museum Detroit. „Und ich sagte dann, ich wollte eine berühmte Wissenschaftlerin werden!“ Darauf habe sie ihr Pate gebracht, hatte sie mir schon früher einmal erklärt: „Er sagte, dass alle großen Wissenschaftler aus Deutschland kommen.“ Wie der Mediziner Robert Koch. Und sie träumte davon: „Ich würde werden wie er.“
Zu diesem Zweck las sie eifrig die Detroiter Abendpost und hörte deutsches Radio. Deutsche Einwanderer waren bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die dominierende ethnische Gruppe in Detroit, und so lernte Ellis die Sprache schon als junges Mädchen. Auch an der High School belegte sie Deutsch als erste Fremdsprache. Und sie setzte sich in den Kopf, auf jeden Fall zu studieren.
Ihren Bachelor-Abschluss machte Ellis 1949. Dann wurde sie Lehrerin für Biologie – „ich musste einfach Geld verdienen“. Ihre Deutsch-Studien betrieb sie nebenher weiter. 1964 absolvierte sie in Ann Arbor an der University of Michigan noch ihren Master in deutscher Sprache und Literatur, als einzige schwarze US-Amerikanerin in jenem Jahr. Ihren Traum, einmal nach Deutschland zu reisen, hatte sie sich schon Jahre vorher erfüllt: Im Sommer 1955 arbeitete Ellis erstmals bei einem Freiwilligen-Projekt mit und half dabei, einen Bunker in einen Kirchenraum umzubauen. Die Bunkerkirche St. Sakrament in Düsseldorf-Heerdt ist heute ein Baudenkmal. Zur deutschen Gastfamilie von damals hält Sophia Ellis bis heute Kontakt.
Für ihre Bemühungen um die deutsch-amerikanischen Beziehungen erhielt Ellis 1995 das Bundesverdienstkreuz. Und erst jüngst wurde sie in Washington vom National Council for International Visitors mit dem „Educator of the Year Award“ ausgezeichnet. „Insgesamt hat sie in diesem Jahr schon acht Auszeichnungen bekommen“, staunte Honorkonsul Hoffman beim Handelskammer-Empfang. Verabschiedungs-Partys gab es noch ein paar mehr: Besonders zünftig feierte der Deutschlehrer-Stammtisch im „Rathskeller Dakota Inn“ – mit einer prächtigen Schwarzwälder Kirschtorte zum Dessert (siehe Bild oben).
Ein ausgedehnter Aufenthalt in Deutschland – am besten ein ganzes Jahr – gehört zu Ellis‘ Plänen für den Ruhestand. Außerdem will sie ihre endlich ihre Doktorarbeit in Angriff nehmen. Sophia Ellis: „Hoffentlich werde ich fertig, bevor ich 98 bin.“
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