Als Jennifer Granholm im Jahr 2002 zur Governeurin von Michigan gewählt wurde, schien die demokratische Partei einen neuen Star zu haben – wäre sie nicht in Kanada geboren, hätte man sie womöglich als künftige Präsidentschaftskandidatin gehandelt. Jennifer Granholm ist telegen, äußerst eloquent und vertritt ihre Sache stets mit Enthusiasmus. Der unaufhaltsame Niedergang der einheimischen Autoindustrie in Michigan – die japanischen Autobauer errichten ihre Fabriken im Süden des Landes, wo die Gewerkschaften nur wenig Einfluss haben – schadete ihrer Popularität indessen ganz erheblich. Und noch im Sommer sah es aus, als stünde im Bundesstaat Michigan ein Regierungswechsel bevor: Der Republikaner Dick DeVos, Milliardär und Geschäftsmann, lag in Umfragen deutlich vor Granholm.
Seit den drei Fernsehdebatten, bei denen sich die Kandidaten gegenseitig scharf attackierten, hat die Harvard-Absolventin Granholm in der Wählergunst augenscheinlich wieder zugelegt – die Meinungsforscher sehen sie nach jüngsten Umfragen mit mehr 10 Prozentpunkten in Führung. Es mag damit damit zu tun haben, dass DeVos bei der ersten Fernsehdebatte nahezu jeden Satz mit „This is so disappointing“ anfing. Die rhetorisch nicht besonders eindrucksvolle Performance des Herausforderers blieb sicher im Wählergedächtnis haften – plötzlich war die Rede von „Disappointing Dick“. Das passte auch sehr schön auf einen Bumpersticker.
Vor allem aber fragten sich viele Leute, ob ein Ex-Firmenboss als Gouverneur wirklich eine so gute Idee ist, wie sie zuerst dachten. Denn Dick DeVos ist nicht irgendein Geschäftsmann aus Michigan, sondern der Sohn des Amway-Gründers Richard DeVos. Amway, heute ein Teil des Alticor-Konzerns, vertreibt weltweit Reinigungsmittel und andere Haushaltsprodukte per Netzwerk-Marketing über lokale Geschäftspartner – auch in Deutschland ist Amway äußerst aktiv. „Willkommen in einer Welt voller Chancen“, steht auf der deutschen Amway-Website.
Es ist vor allem eine Welt voller Chancen für den Unternehmer. Bei den Fernsehdebatten wurde Granholm nicht müde zu betonen, dass DeVos in seiner Zeit als Amway-Präsident in den 90er-Jahr viel Geld in China investierte, dafür aber in Michigan 1000 Stellen strich. Was in den Zeitungen ebenfalls Schlagzeilen machte: Dick DeVos steckte mehr als 41 Millionen Dollar in den Gouverneurs-Wahlkampf, davon 35 Millionen aus eigener Tasche – ein Rekord im Industriearbeiterstaat Michigan, aber wahrscheinlich ohne Sympathiebonus. Granholm hat im Wahlkampf knapp 15 Millionen ausgegeben.
Dass DeVos, ein evangelikaler Christ, gegen embryonale Stammzellenforschung ist, Abtreibung auch nach Vergewaltigung oder Inzest strikt ablehnt und an den Schulen am liebsten „Intelligentes Design“ im naturwissenschaftlichen Unterricht einführen würde, mag manchen Wählern ebenfalls nicht gefallen. Interessant wurde es, als plötzlich Rasenschildchen und Billboards mit der Aufschrift "www.republicansforgranholm.com" auftauchten. Jene Republikaner, die DeVos das Fürchten lehrte, teilen die Überzeugung, „dass der beste CEO für den Staat Michigan Jennifer Granholm ist“.
Die morgigen Wahlen dürften spannend werden.