Sunday, February 22, 2009

Winterfreuden

Als ich in Marseille lebte, hörte ich von älteren Damen, die bei Regen grundsätzlich nicht auf die Straße gingen. Das südfranzösische Klima erlaubt solche Extravaganzen. In England würde das niemandem einfallen – nicht einmal der Königin. Sie trägt bei hoher Luftfeuchtigkeit einfach ein flottes Kopftuch über der Krone.

Dafür steht dann in London alles still, wenn – wie kürzlich geschehen – einmal ein paar Zentimeter Schnee fallen. Wäre man im Nordosten der USA ähnlich empfindlich, würde das öffentliche Leben in den Bundesstaaten von Minnesota bis Maine an sechs Monaten im Jahr zum Erliegen kommen. Aber in diesen Breiten kann man mit Schnee umgehen – nur bei einem ganz schlimmen Blizzard bleiben die Leute zu Hause. Das gilt auch für Detroit. Ein durchschnittlicher Schneesturm, wie etwa am Tag der Autoshow-Eröffnung fürs allgemeine Publikum, lässt die Leute einfach kalt. Ich hatte an jenem Januartag gehofft, wir hätten die Cobo Hall weitgehend für uns. Pustekuchen.

Besonders hart im Nehmen sind die Bewohner von Chicago, der mit Sicherheit zugigsten Stadt auf diesem Planeten – kein Wunder, dass Barack Obama meistens im Jacket herumläuft, seit er im milderen Washington residiert. Es soll sogar Bewohner der Region der Großen Seen geben, die den Winter regelrecht herbeisehnen: Dann kann man endlich wieder zum Eisfischen gehen! Stony Creek Lake im Winter © Cornelia SchaibleSobald die Seen zufrieren, stehen dort diese kleinen Hüttchen. Und drinnen sitzt dann einer auf dem Stühlchen und versucht, durch ein kleines Loch im Eis einen möglichst großen Fisch zu fangen. Die im Angler-Fachhandel erhältlichen Eisbohrer gehören zweifellos zu den seltsamsten Werkzeugen, die ich je gesehen habe.

Der Trick ist dann allerdings, bei Tauwetter alles schnell wieder abzubauen und rechtzeitig Land zu gewinnen. Das klappt nicht immer so gut, wie man vor zwei Wochen sehen konnte, als eine größere Eisscholle im Eriesee abbrach und zügig davonschwamm. Dass sich allerdings mehr als hundert erwachsene Menschen auf dieser Scholle befanden, mag den Rest der Welt etwas überrascht haben. Aber hier zu Lande haben die Leute eben Spaß am Winter. Jedenfalls manche.