Friday, August 18, 2006

Say Ya to Da Yoopers (2)

Auf der Oberen Halbinsel von Michigan, üblicherweise kurz U.P. genannt, gilt der Bär als Sympathieträger. Sonst würde nicht so häufig mit ihm geworben. Auch vor dem „Rainbow Lodging Motel“ in Silver City steht einer – ein eher zahmes Exemplar aus Holz, leicht verwittert, das die Autofahrer mit der linken Tatze grüßt. Ein Schild lädt dazu ein, kurz hereinzuschauen und ein Zimmer in Augenschein zu nehmen. Das Motel wirbt zwar mit einem Privatstrand am Lake Superior, aber die meisten Gäste dürften eher Wandern als Baden im Sinn haben: Zum Porcupine Mountains Wilderness State Park ist es von hier aus nur noch ein Katzensprung. Und dort, so steht in den Reiseführern, leben besonders viele Bären.

Der in den Waldgebieten Nordamerikas beheimatete Schwarzbär (Ursus americanus) gilt als scheu; wenn er einen Menschen sehe, ergreife der Bär üblicherweise die Flucht, steht in einem Informationsblatt der Porcupine Mountains. Möglicherweise fürchtet sich aber nicht nur das Tier. „Sie sollten darauf gefasst sein, Bären zu treffen“, warnt die Frau an der Rezeption des „Rainbow“-Motels. „Auch hier im Dorf.“ Die Bildschirmtapete ihres Computers zeigt eine Bärenmutter mit drei Jungen. Das Foto sei nicht im Park entstanden, erklärt sie, sondern hinter dem Café gleich nebenan: „Die füttern die Bären.“

Das ist nun genau das, was die Ranger im nahen Naturpark unbedingt verhindern wollen. Denn: „Lernen die Bären erst, Futter mit Menschen in Verbindung zu bringen, können sie gefährlich werden.“ Ihre natürliche Scheu gehe dann verloren. In den Porcupine Mountains wird diese Regel offenbar befolgt – Bären und die Wanderer scheinen gut miteinander auszukommen. Zumindest halten die Bären respektvollen Abstand: Sie überqueren die Straße zum Parkeingang angeblich immer einige Meter vom Kassenhäuschen entfernt. Wir verlassen den Park allerdings, ohne Bären gesehen zu haben. Das Panorama mit dem Lake of the Clouds, der den Titel vieler Wanderführer schmückt, war die Reise allein schon wert. Petze gibt’s auch anderswo: zum Beispiel im nächsten Dorf.

Wenn man einen schönen Sommerabend in Silver City verbringt und nach dem Dinner noch Lust auf etwas Süßes bekommt, wird man zwangsläufig beim „End of the Rainbow Café“ landen. Und dort, gleich hinter der am Waldrand gelegenen Imbissbude – nein, das ist kein Hund. Das schwarze Tier, das dort sitzt und frisst, ist um einiges größer. Es ist ein ausgewachsener Bär, der an irgendetwas nagt, vermutlich an einem Hühnerbein. Nach kurzer Zeit kommt noch ein weiterer Bär aus dem Wald, offenbar ebenfalls auf der Suche nach einem Snack, den er anschließend geduldig vom Boden klaubt. „Wir füttern ihnen Reste und Sonnenblumenkerne“, steht auf einem Blatt, das neben der Selbstbedienungstheke des winzigen Cafés mit der Aufschrift „RESTARAUNT“ hängt. Die Spezialität des Hauses: frittiertes Huhn. Und zum Nachtisch gibt’s Eis. Wir nehmen Kirscheis, mit dicken schwarzen Michigan-Kirschen drin.

Damit sich Gäste und Bären nicht in die Quere kommen, hat der Besitzer zwischen dem Parkplatz und der Waldwiese hinter dem Café, wo sich die Bären tummeln, einen starken Maschendrahtzaun aufgestellt. Denn ganz Abend über kommen Eltern mit ihren Kindern, die dann eine Weile eisschleckend am Zaun stehen, bevor sie wieder davonfahren. Die Bären nehmen kaum Notiz.

Bären zu füttern mag zwar nicht im Sinne der Naturschützer sein. Aber es ist auf jeden Fall gut fürs Geschäft.