Wednesday, March 28, 2007

Kellerasselwetter

Gestern war ein warmer und schwüler Tag, und prompt gingen die ersten Sommergewitter nieder. Das kann schon einmal vorkommen im März in Michigan – vielleicht schneit es dann wieder im Mai. Als ich spätabends heimkam, regnete es jedenfalls in Strömen. Ich schloss die Tür auf, und da hörte ich schon den Staubsauger. Merkwürdig. Ich ging ins Wohnzimmer, wo mein Mann gerade aus einem Winkel hervorkroch, den Staubsaugerrüssel in der Hand. „Da waren überall Asseln“, sagte er.

Kellerasseln bei uns im Wohnzimmer – das ist nichts Neues. Ich meine, es gibt keinen Keller und unser Apartment ist ebenerdig: Irgendwo müssen die Viecher schließlich hin. Gelegentlich sieht man eine Assel quer durchs Zimmer marschieren, ganz langsam, auf dem langflorigen Teppichboden helfen auch 14 Beinchen nicht viel. Wahrscheinlich greifen die meisten dauernd ins Leere. Nun, auch mir wäre ein Parkettfußboden lieber. Der hätte auch nicht so viele Ritzen wie der lose verlegte Spannteppich, wo sich Asseln nach Herzenslust verstecken können. Wie gesagt, meistens ist mir das egal. Außer, wenn sie massenweise unter den Fernseher kriechen, um dort zu sterben. Oder häuten sie sich bloß?

Asseln sind überhaupt komische Tiere. Es handelt sich dabei nicht um Insekten, sondern um Krebse – im Prinzip sehen sie aus wie die Hummerschwänze, die bei „Red Lobster“ serviert werden. Nur etwas kleiner. Die Landasseln atmen mit Kiemen, und sie mögen es gern feucht. Allerdings nicht zu feucht. Und schwimmen können sie garantiert nicht – folglich, so stelle ich mir vor, flüchten sie bei einem Wolkenbruch gern ins Trockene, sprich: in unsere Wohnung.

Gestern Abend quollen die Asseln jedenfalls förmlich aus allen Löchern, vor allem in Nähe der Balkontür. Mein Mann ging zum nächsten Staubsauger-Angriff über. Aber es nützte nichts – irgendwann gab er auf. Überall waren die kleinen Tierchen, die in Zeitlupe über den Teppich spazierten. Ziemlich planlos. Das unterscheidet sie von Ameisen, die ganz genau zu wissen scheinen, wo sie hinrennen. Ameisenstraßen verfügen über eine präzise Verkehrsordnung. Ich war einmal irgendwo eingeladen, wo Ameisen in Büroklammergröße neben der Küchen-Anrichte die Wand auf und ab marschierten. Keiner nahm Notiz, und auch ich versuchte höflich, sie zu ignorieren.

Hätten wir Ameisen solchen Kalibers, dann würde ich wahrscheinlich den Kammerjäger holen. Aber Asseln? „Mit Gurkenscheiben lassen sich Kellerasseln wirksam in die Flucht schlagen“, las ich auf einer Website mit Haushaltstipps. Aber erstens hatte ich keine Gurke, und zweitens war die Assel-Invasion heute Morgen bereits wieder vorbei. Es hatte aufgehört zu regnen, und draußen war es frühlingshaft kühl und feucht: Kellerasselwetter. Ich fand nur noch eine einzige verirrte Assel, die ich wegsaugen konnte. Mein Mann inspizierte kopfschüttelnd den Wohnzimmerboden, der wieder wie ein Teppich aussah und nicht wie ein Biotop. „Eine Assel ist aber auch wirklich ein Tier, zu dem man nur schwer eine Beziehung aufbauen kann“, sagte er.