Klipp-klapp. Klipp-klapp. Das gleichmäßige Klackern der Pferdehufe ist das einzige nennenswerte Verkehrsgeräusch auf Mackinac Island, und es hat eine entschieden heitere Note. Natürlich hätten wir auch zu Fuß gehen können, von der Anlegestelle ist es wirklich nicht weit nach Mission Point. Zumal das Gepäck von der Fähre direkt ins Hotel gebracht wird. Aber die meisten Teilnehmerinnen der GPWA-Reisegruppe, die an einem milden Maienabend von der Fähre steigen, nehmen ein Pferdetaxi. Denn das lässt einen am einfachsten hineinfinden in den gemächlichen Rhythmus, der auf der Insel herrscht.
Die öffentlichen Transportmittel auf Mackinac Island fahren alle zweispännig. Dem Fahrgast beschert das einen nicht alltäglichen Ausblick: Links und rechts vom Kutschbock, auf dem eine junge Frau sitzt, bewegen sich zwei mächtige Pferdehintern gleichmäßig auf und ab. Es sind braune Kaltblüter mit fahlen Mähnen, schwere Belgier, die klassischen Zugpferde in Amerika. Genau wie die Percheron stammen sie von jenen massigen Pferden ab, auf denen einst die alten Ritter in die Schlacht zogen.
Als ich zum ersten Mal auf dem Michigan State Fair in Detroit war, wunderte ich mich über die Vielzahl der Kaltblutrassen, die dort vorgeführt wurden – vor Kraft strotzende Pferde, die bei der landwirtschaftlichen Leistungsschau unter anderem einen Truck ziehen mussten. Auf dem State Fair werden auch die prächtigsten Gespanne gekürt. Inzwischen ist mir klar, warum so viele Zugpferde ausgerechnet in Michigan das Postkutschenzeitalter überlebt haben: Sie werden noch gebraucht. Mennoniten und Amische spannen im Frühjahr das Rösslein an, um es bei der Feldarbeit einzusetzen. Vor allem aber haben die Pferde im Bundesstaat, in dem die horseless carriage einst ihren Siegeszug antrat, buchstäblich eine Rückzugsinsel gefunden: Mackinac Island.
Die Insel in den Straits of Mackinac ist bereits seit 1898 autofrei: Die Pferde vertrugen den Lärm der Motorkutschen nicht und scheuten. Auf Druck der Mackinac Horsemen’s Association wurden die Autos daraufhin vom idyllischen Eiland verbannt. In den Sommermonaten leben über 600 Pferde auf Mackinac Island; im Winter sind es immerhin noch 30 Stück, die Taxi- und Transportdienste leisten. Neben Zugpferden gibt es selbstverständlich auch Reitpferde, und Gäste können sogar ihr eigenes Pferd für einen Ausritt auf der Insel mitbringen. Die Arnold Ferry Line nimmt auch Pferde mit an Bord.
Auf der Insel der Pferde gelten auch besondere Verkehrsregeln: Ein Pferd hat immer Vorrang. Zum Glück ist das Hufegeklapper nicht zu überhören. Und obwohl gerade die Zugpferde besonders gutmütig sind, sollte man sie nicht einfach streicheln – sie schlafen zuweilen im Stehen und könnten sich unnötig erschrecken. Wer ein Buggy für eine kleine Insel-Spritztour mietet, wird in die equine etiquette eingeführt.
Für Pferdenarren gibt es im Sommer auf der Insel Traumjobs. Im Park des Grand Hotels treffe ich eine schon etwas ältere, einfach gekleidete Frau, die auf einer Bank sitzt und eine Zigarette raucht. Sie genießt den Blick auf das historische Luxushotel, in dem sie nie absteigen wird. Wir kommen ins Gespräch, und sie erzählt mir, dass sie übers Wochenende auf der Insel ist, um ihre Tochter zu besuchen „Sie fährt hier Taxi.“
Nachtrag vom 28. Mai 2008:
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