Zur Zeit der ersten Siedler war die Insel voller Klapperschlangen. Deswegen hielten die Franzosen dort Schweine, die mit den rattlers offenbar kurzen Prozess machten. Als es dann später auf der "Isle aux Cochons" keine Schweine und keine Klapperschlangen mehr gab, nicht einmal mehr Franzosen, fand die Detroiter Bevölkerung den Namen unpassend. Wie unromantisch! Seit 1845 trägt die kleine Insel im Detroit River den Namen Belle Isle, benannt nach einer gewissen Miss Isabella Cass, die man wahrscheinlich nicht kennen muss.
Im Jahr 1879 kaufte die Stadt Detroit Belle Isle. Zahlreiche Bauprojekte sorgten im Anschluss daran, dass die "Schöne Insel" ihrem Namen bald alle Ehre machte. Sogar der prominente Landschaftsgärtner Frederick Law Olmsted, der unter anderem den Central Park in New York plante, lieferte Entwürfe. Das Anna Scripps Whitcomb Conservatory, ein Gewächshaus aus dem Jahr 1904, sowie das Aquarium aus dem gleichen Jahr sind Werke des Detroiter Architekten Albert Kahn. Das Casino wird allerdings nur selten genutzt und ist baulich nicht im allerbesten Zustand. Und das öffentliche Aquarium, das älteste in den Vereinigten Staaten, wurde 2005 geschlossen. Auch andere historische Gebäude sind verlassen und vom Verfall bedroht.
Insgesamt spiegelt Belle Isle den Niedergang der Stadt Detroit wider - ganz offensichtlich ist kein Geld da, um die Einrichtungen zu unterhalten und die Grünanlagen zu pflegen. Nur der Brunnen aus weißem Marmor, ein architektonisches Meisterwerk von 1925 mit dem Namen "James Scott Fountain", ist in hervorragendem Zustand. Als ich beim Weihnachtsmarkt in der Carpathia im vergangenen Jahr Postkarten vom Belle-Isle-Brunnen mit Detroit im Hintergrund anbot, erinnerte sich eine ältere Frau: "Da war ich bei einem Schulausflug!" Das mag wohl ein paar Jahrzehnte her sein. Seither hat sie es nicht mehr dorthin geschafft.
Ein Ausflugsort der Detroiter ist die Insel aber immer geblieben. Samstagsabends geht man dorthin zum Cruisen, sonntags zum Picknick. Außerdem gibt's auf Belle Isle den einzigen Strand der City of Detroit. Der Unternehmer und Rennstallbesitzer Roger Penske brachte auch Vorstädter wieder auf die Insel: Am gestrigen Labor Day wurde dort der Detroit Indy Grand Prix gefahren - das erste Autorennen seit 2001. Wir hatten gestern immerhin das Vergnügen, das Ganze vom Flugzeug aus zu sehen, als wir aus Deutschland zurückkamen. Bei strahlendem Sommerwetter. Es sah richtig niedlich aus.
Nun stellt sich natürlich die Frage, ob ein Autorennen das richtige Mittel ist, um der schönen Insel städteplanerisch endlich wieder gerecht zu werden. Belle Isle ist unzweifelhaft ein äußerst beschauliches Fleckchen Erde, das eine Postkartenaussicht auf Detroit, die Ambassador Bridge und Windsor bietet. Ein Stadtpark mit einer internationalen Grenze in Reichweite! Gelegentlich kann man sogar Frachter vorbeifahren sehen. "In other cities, a place like this would get more attention", zitierte die Free Press eine Detroiterin. Das kann man wohl sagen.