Als ich ein Kind war, schnitzte ich in dieser Jahreszeit Rübengeister. Meine etwas jüngere Kusine war mit Eifer dabei. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer uns das beigebracht hatte, aber irgendwie muss sich ein bisschen geisterhaftes Treiben auch im Schwabenland gehalten haben – eine vage vorchristliche Erinnerung an den Vorabend des Tages, aus dem die Kirche Allerheiligen machte.
Unsere Rübenfratzen hatten allerdings keinen Bezug zu organisiertem Brauchtum; wir freuten uns einfach an den von Kerzen erleuchteten Maskengesichtern. Und meine Kusine verspeiste einmal voll Genuss ein Stück Rübe, das über der Flamme geröstet war. Das Wort Halloween kannten wir damals noch nicht. Und wir forderten keine Süßigkeiten, auch nicht beim Laternenlaufen, das sich eher sporadisch ergab.
Wie ich auf Wikipedia erfahre, hat sich im deutschsprachigen Raum aber gelegentlich ein Heischebrauch um die Rübengeister erhalten, der mancherorts im Martinssingen am 11. November aufgegangen ist: Die Kinder ziehen mit ihren Lichtern von Haus zu Haus und bitten um Süßigkeiten. Genau wie bei den Iren, die verwandtes Brauchtum einst nach Nordamerika exportierten. Dass es nun in Deutschland in veränderter Form wieder eingeführt wird, freut nicht alle – Halloween scheint derzeit der am meisten verhasste US-Import zu sein. Selbst Santa Claus im roten Kunstfaserkostüm hat mehr Fans.
„Süßes oder Saures" – für die evangelische Kirche ist das keine Frage. Am 31. Oktober ist Reformationstag, und sonst gar nichts. Hielt sie im vergangenen Jahr für Kinder noch Lutherbonbons bereit, heißt es heuer für Halloween-Anhänger: „Gib ihnen Saures!" Bislang war mir ein Rätsel, wie sich Halloween überhaupt so schnell ausbreiten konnte. Noch im Jahr 2003 veröffentlichte ich einen Hintergrundsartikel in der „Südwestpresse" über den seltsamen Feiertag, der auch in den USA immer mehr an Bedeutung zulegt. Zitat: „Gemessen am Konsumverhalten darf Halloween inzwischen zu den höchsten amerikanischen Feiertagen gerechnet werden. Zu keiner anderen Zeit werden mehr Süßigkeiten genascht. Das traute Heim wird nur noch zu Weihnachten üppiger dekoriert als für den 31. Oktober."
Heute las ich auf Zeit-Online, dass kurioserweise der Golf-Krieg zur Ausbreitung der fremden Halloween-Bräuche beitrug – als Präsident Bush senior erstmals gegen den Irak ins Feld zog, wurde vielerorts der Karneval aus Pietätsgründen abgesagt. Stattdessen wurden die Faschingskostüme dann an Halloween getragen. So sieht erfolgreiches Marketing aus.
Aber auch die Amerikaner treiben es jedes Jahr bunter, wenn es wieder auf Ende Oktober zugeht. Neuerdings ist Halloween sogar auf den Hund gekommen – Herrchen kann aus einer Vielzahl von Verkleidungen wählen. Sehr hübsch sind alle möglichen tierischen Kostüme, von Marienkäfer bis Stinktier.
Mein Vorschlag, wie Hundchen auf jeder Halloween-Party garantiert gut ankommt: als Hot Dog.