Der Nachhall des Schusses, mit dem Dick Cheney vor einer Woche versehentlich seinen Jagdfreund niederstreckte, ist immer noch deutlich zu vernehmen - jedenfalls im Blätterwald der amerikanischen Presse. Und längst ist klar: Hier geht es um mehr als einen Jagdunfall. Wenn der US-Vizepräsident einen Parteifreund mit einer gepfefferten Ladung Schrot ins Krankenhaus befördert und das anschließend als seine Privatsache behandelt, hat er offenbar eine Grenze überschritten. Damit habe er sich selbst ins Bein geschossen, schrieben manche Zeitungen genüsslich. Die Bildlichkeit ist einfach zu verlockend: Cheneys Fehlschuss als wohlfeile Metapher für die Politik der US-Regierung. Planlos herumballern, das eigentliche Ziel verfehlen und dann noch versuchen, den Kollateralschaden zu vertuschen.
Dass der US-Vizepräsident nach dem Missgeschick bei der Wachteljagd erst einmal gewohnheitsmäßig abtauchte, mag zu der Entwicklung beigetragen haben. Zunächst machte sich Cheney vor allem zur Zielscheibe des Gespötts, ein gefundenes Fressen für die Late-Night-Shows. Zum Schießen, das Ganze. Als das Opfer dann aber einen leichten Herzinfarkt erlitt, war Schluss mit lustig. Vier Tage nach dem Vorfall bequemte sich Cheney endlich, zum Vorfall Stellung zu nehmen - war allerdings der Ansicht, sich korrekt verhalten zu haben. Klar, schuld sind immer die anderen. Doch dieser Schuss ging nach hinten los, um das Bild weiter zu strapazieren.
Der düster wirkende Cheney, der hinter den Kulissen die Strippen zieht, bot bislang wenig Angriffsfläche - so merkwürdig das jetzt klingen mag. Schließlich hat er das Land in einen Krieg hineingelogen. Wer bisher gegen den Irakkrieg war, setzte sich allerdings schnell dem Verdacht aus, ein vaterlandsloser Geselle zu sein. Und ein Weichei noch dazu. Wenn der Lord of Darkness bei der Wachteljagd daneben schießt, kann man das hingegen gefahrlos kritisieren. Und jeder wird verstehen, was eigentlich gemeint ist. "Cheney sagt, der Schuss auf einen Jagdkameraden basierte auf falscher Geheimdienstinformation", spottete Andy Borowitz in seiner Satire zum Sonntag. Der Vizepräsident habe gedacht, er schieße auf einen flüchtigen Terroristen.
Auf einmal wird nun Halali geblasen. Auch die politischen Berichterstatter nehmen den Vorfall zum Anlass, mit Cheney einmal gründlich abzurechnen. Die Schonzeit für die amerikanische Regierung ist endgültig vorbei. In Leitartikeln wird jetzt scharf geschossen. Selbst in der "Detroit Free Press", sonst nicht gerade übermäßig regierungskritisch, ereifert sich die Kolumnistin Rochelle Riley über "ultimate gun hound and war whore Dick Cheney" - und fordert nebenbei ganz nonchalant das Impeachment von Bush. Wie das gehen soll? Na, einfach Monica Lewinsky anrufen: "Nation has a special mission for her!"