Dem Bundesstaat Michigan geht’s wirtschaftlich schlecht. In Zeitungen ist die Rede von einer Ein-Staat-Rezession, und die Arbeitslosenquote liegt deutlich über dem nationalen Durchschnitt. Viele suchen ihr Glück anderswo. Über 30.000 Menschen sind in jüngster Zeit in hoffnungsvollere Gefilde abgewandert, melden die Behörden – und die Zurückgebliebenen müssen sparen. Das wurde mir kurz vor Weihnachten klar, als ich im Luxus-Einkaufszentrum „Somerset Collection“ shoppen ging: Ich musste auf meinem Lieblings-Parkdeck nur zwei Runden drehen, und schon hatte ich einen Parkplatz. Das gab’s noch nie.
Wie ernst die Lage wirklich ist, zeigte ein Erlebnis meiner Freundin: An Heiligabend erwischte sie bei Costco gerade noch die letzte Packung Räucherlachs. Beinahe hätte ihr eine andere preisbewusste Lady den Leckerbissen vor der Nase weggeschnappt. Costco ist ein Markendiscounter, der seinen Kunden 45 Dollar Mitgliedsbeitrag abknöpft, bevor er sie auf Schnäppchenjagd gehen lässt. Costco-Produkte sind inzwischen bei Partys in den besten Kreisen salonfähig, und im Kellerregal so mancher Vorstadtvilla ist das komplette Weinsortiment des Discounters gebunkert. Da kann man richtig sparen.
Zu denken gab mir allerdings, dass gestern eine Palette mit Champagner – eine Veuve Clicquot für lächerliche 30 Dollar – noch kaum berührt schien. Wahrscheinlich geht’s noch billiger. Bei Trader Joe, einem anderen Discounter unter Aldi-Regie, gibt’s einen anständigen Prosecco für unter 10 Dollar. Aber wer im Cadillac, Jaguar oder Hummer vorfährt, hat es meistens auf einen anderen edlen Tropfen abgesehen: Üblicherweise fährt so eine Luxuskarosse mit einer Kiste Charles Shaw im Kofferraum davon. Die Flasche – unter Eingeweihten Two Buck Chuck genannt – kostet in Michigan 2,99 Dollar. Hey, das ist immer noch teurer als das Benzin für den Edelschlitten!
Trotz der ganzen Misere werden die meisten ihren Silvesterabend allerdings nicht mit einer Flasche Pennerglück vor dem Bildschirm verbringen. Die Restaurants tragen der Tatsache Rechnung, dass den Kunden das Geld nicht mehr so locker sitzt, und haben ihre Silvestermenüs neu kalkuliert. Wie gestern in den „Detroit News“ zu lesen war, verlangt das angesagte „Seldom Blues“ im RenCen heuer nur noch schlappe 300 Dollar pro Paar für die Silvestersause, die sogar Live-Musik mit einschließt. Im vergangenen Jahr waren dafür noch 500 Dollar fällig. „I did it solely because of the economy“, sagte der Restaurantinhaber dem „Detroit-News“-Reporter, und wahrscheinlich guckte er dabei ziemlich bestürzt. „The economy is causing a lot of people not to come out.“
Genau. Jetzt wird nämlich gespart – koste es, was es wolle.