Deutsche Denkweisen lassen sich nicht einfach auf die USA übertragen, das merkte die Tübinger Delegation bei ihrem Besuch in der US-Partnerstadt Ann Arbor immer wieder. Und Oberbürgermeister Boris Palmer musste zudem feststellen, dass sich seine smarte Dienstwagenwahl vielleicht doch nicht so weit herumgesprochen hat, wie er dachte – Daimler hatte zwar eine Presse-Information herausgegeben, als der Tübinger OB auf einen Smart Fortwo Micro Hybrid umsattelte, aber in den USA war das im Wesentlichen nur einem grünen Autoblog eine Meldung wert.
Im Forschungs- und Innovationszentrum von Ford in Dearborn bei Detroit hatte man jedenfalls noch nichts davon gehört: Als sich Palmer bei einem informativen Runden Tisch einigen hochkarätigen Ford-Managern vorstellte und seine Geschichte erzählte ("Vielleicht haben Sie davon gehört"), schauten die Herrschaften eher betreten drein. Das bemerkenswerte personelle Aufgebot bei diesem Programmpunkt (normalerweise sieht man diese Leute von weitem bei der Autoshow) verdankte sich den Kontakten und nicht zuletzt der Hartnäckigkeit von Carolyn Melchers, eine der Stützen der Städtepartnerschaft auf der Tübinger Seite. Die aus Detroit stammende Vorsitzende des Partnerschafts-Freundeskreises organisierte auch alle anderen Treffen und Veranstaltungen.
In Dearborn erfuhr die Tübinger Gruppe, was Ford unter Nachhaltigkeit in der Automobilindustrie versteht. Technisch wäre es längst möglich, statt der heutigen Schluckspechte deutlich sparsamere Fahrzeuge oder gar Autos mit Null-Emission auf die US-Straßen zu bringen, stellten die Ford-Leute klar. Nur könnte das niemand zahlen. „Wir wollen aber eine erschwingliche Lösung für Millionen für Autos", sagte John Viera, Direktor für nachhaltige Business-Strategien. Der Plugin-Hybrid (also ein Auto, das an der Steckdose tankt) wird das wahrscheinlich nicht sein: Wie die Chefin der Hybrid-Sparte Nancy Goia offen zugab, stehen dafür noch nicht einmal marktfähige Lithium-Ion-Batterien zur Verfügung. Was jeder im Handy mit sich herumträgt, lässt sich eben mal aufs Auto übertragen: Die Batterie würde zu groß und zu schwer (und mit rund 15.000 Dollar Mehrkosten auch viel zu teuer). Ein interessanter Nebenaspekt bei Elektroautos: Dafür müssten Fahrzeughersteller mit Stromerzeugern kooperieren. „Wir haben vorher noch nie zusammengearbeitet", sagte Goia.
Immerhin war Ford der erste US-Autohersteller, der Hybrid-Fahrzeuge anbot. Dabei handelt es sich allerdings durchweg um schwere Limousinen und Geländewagen, was Boris Palmer zu der Nachfrage veranlasste, ob das wirklich nötig sei. Könnte man nicht einfach kleinere Autos bauen? Nun, auch in den USA werde es demnächst einen Fiesta geben, sagte Gerhard Schmidt, der deutsche Vizepräsident der Ford-Entwicklungsabteilung. Ansonsten herrschten in den USA einfach andere Bedingungen – so ein großes Land brauche auch große Autos. „Und wir müssen schon aufpassen", sagte Schmidt, „dass wir nicht bankrott gehen, bevor wir uns ändern können."
Aus dem Archiv: Tübingen Goes Blue