Thursday, November 27, 2008

Protokoll einer Truthahn-Begnadigung

Zu Thanksgiving müssen in den USA rund 45 Millionen Truthähne ihr Leben lassen. Einer davon, ein eher zierliches Exemplar, schmurgelt gerade in unserem Backofen.

Zur Tradition gehört, dass der Präsident alle Jahre wieder einen Turkey begnadigt. Für die lahme Ente Bush war das Puten-Pardon eine willkommene Gelegenheit, sich endlich wieder einmal den Fotografen zu stellen. Damit keiner denkt, er sei schon klammheimlich nach Texas abgereist. Pumpkin heißt der glückliche Puter, der nach seiner Begnadigung übrigens per United Airlines nach LA fliegen durfte, um dort an der Disney-Thanksgiving-Parade teilzunehmen. Mit von der Partie: ein zweiter Puter namens Pecan, dem allerdings kein Fernsehauftritt vergönnt war.

Man muss schon sagen, Bush beherrscht das Zeremoniell inzwischen perfekt. Was man von Sarah Palins Versuch, etwas Ähnliches hinzukriegen, nicht gerade behaupten kann. Ihre Version einer Truthahn-Begnadigung hätte das Prädikat „Peinlichster Auftritt einer Politikerin aller Zeiten“ zu Recht verdient.

Die Gouverneurin von Alaska fand nichts dabei, das Fernsehteam in den Geflügelstall mitzuschleppen, was schon einmal keine gute Idee war. Merke: Wenn du einen Truthahn begnadigst, zeige möglichst nicht seine Leidensgenossen, deren Schicksal keine so glückliche Wendung nimmt. Das hätten die Fernsehzuschauer indessen noch verkraftet. Aber dass die gewesene Vizekandidatin der Republikaner dann munter weiter plauderte, während hinter ihr ein Arbeiter einen Truthahn nach dem anderen in den Entsafter steckte – nun, da schmeckt das Festmahl gleich nochmal so gut. Und man wird den Eindruck nicht los, dass sich diese Frau irgendwann um Kopf und Kragen redet.

Es gibt doch so manches, wofür man heute dankbar sein kann.

Friday, November 14, 2008

Schliemann am Schreibtisch

In der vierten Klasse wollte ich noch Archäologin werden. Das fällt mir jetzt wieder ein, wenn ich meinen Schreibtisch betrachte. Mein persönliches Troja. Da türmt sich Schicht auf Schicht, jede bestehend aus Zeitungsausschnitten, Artikel-Ausdrucken, Notizblöcken, Landkarten und anderem recherchemäßig wichtigen Material. Irgendwo unter den obersten Feinschichten, die sich mit der späten Wahlperiode beschäftigen, muss das Material zu meiner jüngsten Reisereportage liegen. Dazu älterer Stoff zu einem weiteren Artikel. Ich hatte gerade damit angefangen, als die Geschichte über uns hereinbrach. Dann schrieb ich eine Weile nur noch über Battleground States, das Mehrheitswahlrecht und den Bradley-Effekt. Zumindest die oberste Schicht hat einen historischen Kern, dessen bin ich mir ganz sicher.

Es wird mir nun nichts anderes übrigbleiben, als vorsichtig mit Ausgrabungen zu beginnen – mit aller gebotenen wissenschaftlichen Sorgfalt. Jedenfalls hat die Vermutung, ich hätte vor der Wahlzeit an wichtigen Dingen gearbeitet, in den neuesten Grabungsergebnissen eine Stütze gefunden. Unlängst habe ich Spuren journalistischer Tätigkeit entdeckt, die mehr als fünf Jahre zurückreichen. Solange bin ich nun schon in den USA. Mein Mann sieht dem Ganzen übrigens kopfschüttelnd zu – sein Schreibtisch ist fast leer. Aber er ist auch kein Schreiberling, und seine alten Chemiezeitungen türmen sich unter dem Schreibtisch. Eine Art Altpapier-Akropolis im Parterre. Die verschüttete Unterstadt. Einen Troja-Streit werden wir deswegen aber nicht anfangen.

Wie immer bei derartigen Grabungen werden auch Dinge zutage kommen, nach denen niemand gesucht hat. Ich selbst schon bin gespannt auf die publizistischen Schätze, die ich heben werde! Morgen ist Samstag, und möglicherweise kann die Grabungsserie noch an diesem Wochenende beendet werden.

Tuesday, November 11, 2008

Hungry for Change

Bis vor kurzem gingen viele noch von einer eingebauten republikanischen Mehrheit in diesem Lande aus. Ich muss gestehen, dass ich dazu gehörte.

Die Republikaner würden notfalls auch eine gebackene Kartoffel wählen, las ich ein paar Wochen vor den Wahlen in einem liberalen Blogforum. Schnurzegal wer der Kandidat (oder die Kandidatin) ist – die rechte Mehrheit wird schon irgendwie für den Wahlsieg sorgen.

Nun hat sich allerdings herausgestellt, dass die Marke McCain höchstens in Form von tiefgekühlten Kartoffelstäbchen ins Weiße Haus einzieht (falls die Obamas so etwas essen). Beim nebenstehenden Billboard, gesehen an der Woodward Avenue in Detroit, handelt es sich nämlichMcCain-Fritten-Werbung in Detroit © Franz Gingl mitnichten um übrig gebliebene Wahlwerbung – da hat sich nur die kanadische Frittenfirma McCain ein Späßchen gemacht. Wäre einmal interessant zu wissen, wie viele Autofahrer darauf hereingefallen sind. Schon vor vielen Monaten wunderte man sich in Bloggerkreisen, warum das Logo des republikanischen Präsidentschaftskandidaten so pommesmäßig daherkam: Das ging wohl voll ins Kartoffel-Auge. Die Frittenleute lachten sich ins Fäustchen, färbten ihre Tüten patriotisch blau und blieben ansonsten konsequent beim Thema. Wahlzeit!

Es gab in Downtown Detroit allerdings auch wenig Werbe-Konkurrenz vom gleichnamigen Kandidaten. Wozu auch – dass McCain in der überwiegend von Afroamerikanern bewohnten City of Detroit keine Chance hat, war schon lange klar. Die Überraschung ist vielmehr, dass er in der ganzen Metropole nicht viel ausrichten konnte: Barack Obama siegte auch in den Suburbs. Und das galt nicht nur für die Metropole Detroit: Obama, the Metropolitan Candidate.

Nach der Wahl fiel mir wieder ein, dass ich das alles schon einmal gelesen hatte: Ein Schreiber in der „Washington Post“ hatte das richtig vorausgesehen. „The High Rise of the First Metropolitan Candidate“ von Alec MacGillis – ich hatte keine Mühe, den Artikel online wiederzufinden – beschrieb die USA als “urban-suburban nation, with two-thirds of the population now residing in its largest metropolitan areas”. Und trotzdem tun die Republikaner immer noch so, als lebten die Amerikaner überwiegend auf der Farm. Für ihre Wähler trifft das allerdings schon zu. Aber die sind heutzutage in der Minderheit.

Urbane Zentren, Vorstädte und Collegetowns wählten Obama. Im Wesentlichen waren das die Jungen, die Gebildeten, die Schwarzen, die Mehrheit der Latinos und – ganz generell – 54 Prozent der Frauen. Macht insgesamt 53 Prozent der Wählerstimmen. „Hungry for Change?“ Wahrscheinlich. Allerdings war das auch ein Slogan der Frittenfirma.

Mehr zum Thema auf suite101: Warum Barack Obama gewonnen hat

Wednesday, November 5, 2008

A Beautiful Day

In Ann Arbor, wo Obama einen 83-Prozent-Sieg einfuhr, zogen Studenten über den Campus, und im nahen Detroit tanzten Menschen auf den Straßen: Impressionen vom Wahltag im Bundesstaat Michigan.

Schon in der Frühe wurden überall im Land lange Schlangen vor den Wahllokalen gemeldet, und die Tübinger Partnerstadt Ann Arbor machte keine Ausnahme. In der Unistadt hatten sich im September rund 6000 neue Wähler registrieren lassen, darunter viele Studenten. Strahlender Sonnenschein machte das Warten leicht; für einen 4. November war das Wetter ungewöhnlich warm. Dazu kam eine festliche Aufbruchstimmung – anders lässt sich das nicht beschreiben. UndObama-Büro in Detroit © Franz Gingl noch mehr Leute als sonst hatten einen Kaffeebecher in der Hand, eine bekannte Kaffeehauskette gab zur Feier des Tages einen aus. Die Botschaft war: Wählen gehen!

Unter den Erstwählern waren nicht nur junge Leute: Im Detroiter Fernsehen bekannten gestandene Menschen in den Dreißigern und Vierzigern, zum ersten Mal an die Urne gegangen zu sein. Manche brachten Kinder mit zum Wahllokal, sie sollten den historischen Moment miterleben. Und es gab jede Menge Barack-Obama-T-Shirts. Anhänger des Republikaners John McCain verhielten sich vergleichsweise diskret; sie warben allenfalls mit einem Schildchen im Vorgarten.

In der Michigan-Metropole Detroit, an deren südwestlichem Rand die Stadt Ann Arbor liegt, waren die politischen Präferenzen sichtbar verteilt – zumindest in den reichen Vorstädten lag McCain bei der Abstimmung per Rasenschildchen vorn. Anders im überwiegend von Afroamerikanern bewohnten Detroit: Zehntausende hatten dort bei Veranstaltungen Obama zugejubelt. Und im traditionell demokratischen Ann Arbor, das die Obama-Kampagne erheblich gesponsert hatte (wir berichteten), war der Wahlausgang ohnehin klar. Wie die Lokalzeitung „Ann Arbor News“ kürzlich berichtete, wurde aus einem Garten in der Innenstadt ein McCain-Schildchen geklaut – wahrscheinlich war es das einzige. Noch weniger fein war, dass der Besitzer außerdem ein Päckchen mit Hundekot zugestellt bekam.

Im Laufe des Wahltags wuchs die Spannung. In Chicago, wo Obama mit seiner Familie lebt, strömten die Leute in den Grant Park unweit vom Ufer des Michigansees. Die Großstadt Chicago liegt knapp fünf Autobahnstunden von Ann Arbor entfernt, und viele wünschten, sie wären dort. Aber Wahltage sind gewöhnliche Arbeitstage in Amerika, und so war das für die meisten nicht zu schaffen.

Der Wahlabend dauerte dann doch etwas länger als gedacht. Nachts um elf verkündeten die Fernsehsender endlich den Sieg Obamas. Seine Fans verschickten E-Mails: „Hurra, wir haben gewonnen!“ Auf dem Bildschirm: weinende Menschen, selbst altgediente Fernsehjournalisten schluckten. 400 Jahre nach Ankunft der ersten afrikanischen Sklaven in Nordamerika wählten die USA einen schwarzen Präsidenten. In den großen Städten, auch in Detroit, feierten die Menschen in der Nacht auf den Straßen.

Auch in Ann Arbor hielt es viele nicht zu Hause. Kurz nach halb zwölf, so berichten die lokalen Medien, kamen die ersten feiernden Studenten auf dem zentralen Campus zusammen. Die Menschenmenge setzte sich in Bewegung, und bald zogen 1000 Leute durch die Unistadt. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, zitiert die „Ann Arbor News“ Bürgermeister John Hieftje, der gerade in einer Kneipe seinen eigenen Wahlsieg feierte – er wurde für eine fünfte Amtszeit bestätigt. „Man konnte sie kommen hören, und dann ging die halbe Bar nach draußen und lief mit.“

Die Lokalzeitung, die zwei Mal stramm für Bush gestimmt hatte, konnte sich diesmal übrigens nicht zur Unterstützung eines Kandidaten durchringen – beide hätten eine mangelhafte Kampagne geführt, so die Begründung. In Washtenaw County, also im Landkreis, erhielt McCain nicht einmal 29 Prozent der Stimmen – weniger als Bush im Jahr 2004. Auch die Demokraten im Kongress profitierten von der Obama-Begeisterung: Zwei Republikaner aus dem Repräsentantenhaus verloren im Südwesten Michigans ihren Sitz an den demokratischen Herausforderer.

Im 15. Bezirk, zu dem Ann Arbor gehört, wurde der demokratische Abgeordnete John Dingell mit 73 Prozent im Amt bestätigt. Aber auch Dingell, das am längsten amtierende Mitglied des Repräsentantenhauses, bekommt zu spüren, dass jetzt ein anderer Wind weht: Zu lange hat er die Interessen der Detroiter Autoindustrie gegen Umweltauflagen verteidigt, und so verliert er jetzt wahrscheinlich den Vorsitz im Energie-Ausschuss des Hauses. Der demokratische Senator Carl Levin, seit 1979 im Amt, kann sich über 71 Prozent der Stimmen freuen.

Sunday, November 2, 2008

Die Sache mit den Swing States

In deutschen Publikationen ist derzeit ziemlich häufig zu lesen, dass die US-Präsidentschaftswahlen in den Swing States entschieden werden. Das stimmt so nicht ganz: Swing States sind vielmehr diejenigen Staaten, in denen George W. Bush im Jahr 2004 knapp gewonnen oder John Kerry knapp verloren hat. Dazu gehört auch Michigan - trotzdem passiert hier nichts Wahlentscheidendes, denn Barack Obama führt in den meisten Umfragen zweistellig. Der Bundesstaat ist also nur in der Retrospektive ein Swing State; im Übrigen hat nach 1988 kein Republikaner mehr den Staat gewonnen. Deshalb hat John McCain hier auch schon Anfang Oktober das Handtuch geworfen.

Nun ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Swing States trotzdem eine Rolle im Wahlkampf spielen - jedenfalls in einem frühen Stadium. Ob es sich dann aber tatsächlich um einen Battleground State handelt, entscheiden die weiteren Umfragen. Und in den Tossup States, also den Münzwurfstaaten, bleibt es tatsächlich bis zum Ende spannend: Niemand weiß, auf welche Seite die Münze fällt.

Das erklärt manches. Zum Beispiel die Frage: Was hat die Obama-Kampagne in Arizona verloren? Dass McCains Heimatstaat an den Demokraten geht, ist eher unwahrscheinlich. Nun, es ist ganz einfach: Obama denkt schon an 2012. Die Offensive ist nichts anderes als der Versuch, einen neuen Swing State zu produzieren. Nach der Wahl ist vor der Wahl.

Mehr zum Thema auf suite101: Wahlen in den USA: Noch Fragen?

Saturday, November 1, 2008

Sportlicher Kampfgeist in Ann Arbor

Wer wird gewinnen? Am letzten Wochenende im Oktober, zehn Tage vor dem Wahltermin, herrscht in Ann Arbor Kampfstimmung. Allerdings hat das weniger mit den Präsidentschaftswahlen zu tun – Tübingens US-Partnerstadt ist vom Footballfieber gepackt.

Wie an jedem Samstag, an dem ein Heimspiel im Stadion der University of Michigan (U-M) ansteht, geht es in er Innenstadt von Ann Arbor hoch her. Wolverines heißen die Lokalmatadore, und man erkennt sie und ihre Fans leicht am Uni-Logo: einem gelben „M“ auf blauem Grund. Die meisten Einheimischen tragen am Spieltag blaue oder gelbe Kleidung, was wahrscheinlich nur Europäer lustig finden können. Amerikanischer College-Football ist eine ernsthafte Angelegenheit, auch in der Tübinger Partnerstadt im US-Bundesstaat Michigan.

Das gilt vor allem am Tag der grünen Invasion. Die Grünen, das sind die Spartans von der Michigan State University (East Lansing), die Erzrivalen der U-M. Die Begegnung ist der HöhepunktUnparteiischer T-Shirt-Laden in Ann Arbor © Cornelia Schaible
der Saison. Schon am späten Vormittag stauen sich Autos mit Spartan-Aufklebern in der Hauptstraße der Tübinger Partnerstadt. Es ist ein kalter Herbsttag, und bald sind viele grüne Anoraks unterwegs. Der Inhaber eines T-Shirt-Ladens hängt die Flaggen beider Mannschaften außen ans Schaufenster – Geschäftssinn schlägt Lokalpatriotismus. Auch sonst gibt sich der Besitzer unparteiisch. Jedenfalls lassen die übrigen Auslagen diesen Rückschluss zu: Im Angebot sind T-Shirts, die für beide Präsidentschaftskandidaten werben, für den Demokraten Barack Obama und für seinen republikanischen Konkurrenten John McCain.

Auf die Frage, ob sich McCain-T-Shirts im traditionell Demokraten-freundlichen Ann Arbor überhaupt verkaufen, gibt der Mann nur zögerlich Auskunft. Ja, er habe einige verkauft, antwortet er dann. Die Journalistin lässt nicht locker: Aber wahrscheinlich mehr von der Obama-Sorte? Der Ladenbesitzer bejaht. „Das will ich aber hoffen“, ruft eine Passantin, die das Gespräch mitbekommen hat. „Das will ich aber schwer hoffen!“

Außerhalb des T-Shirt-Ladens dürfte es in der Innenstadt von Ann Arbor nur wenig Hinweise auf die Existenz des republikanischen Kandidaten geben – abgesehen vom Büro der McCain-Wahlhelfer selbst. Auf der Kampagnen-Website ist es als lokales „Victory Office“ (zu Deutsch „Siegesbüro“) aufgeführt. Aber offenbar glauben in der Partei nicht einmal mehr die Optimisten daran, dass die Republikaner am 4. November die 17 Wahlmänner aus Michigan für sich verbuchen können: Schon Anfang Oktober haben John McCain und seine Vizekandidatin Sarah Palin den Wahlkampf in Michigan offiziell eingestellt. Meinungsumfragen zufolge liegt Barack Obama im Bundesstaat mit 17 Prozentpunkten in Führung. Und wie heißt die Stadt in Michigan, aus der die meisten Spenden für die Obama-Kampagne kamen? Richtig, Ann Arbor. Eine knappe halbe Million Dollar waren es Presseberichten zufolge.

Obwohl es keinen Zweifel daran gibt, wen man in der Tübinger Partnerstadt gern im Präsidentenamt sähe, sind die Wahlhelfer im lokalen Obama-Büro an der Ecke von West Liberty und First Street sehr aktiv. Nun, vielleicht nicht gerade vor einem Heimspiel – ein gelbes „M“ am Gebäude deutet schon an, dass auch Wahlkämpfer bisweilen Prioritäten setzen. In diesem Fall geht Sport vor Politik. Allerdings denken nicht alle so: Immer wieder sieht man Leute, die ihren Einkäufen nach vom Markt kommen und außer dem Gemüse noch ein Barack-Obama-Rasenbanner nach Hause tragen. Abgesehen von Werbespots im Fernsehen und im Internet spielt sich der US-Wahlkampf vor allem in Vorgärten ab. Wahlplakate im öffentlichen Raum sind nicht üblich.

Die Quelle für die Obama-Schilder findet sich schließlich auf dem Wochenmarkt: ein Stand der Demokraten. Die Republikaner? Fehlanzeige. Auch Adrian Cleypool hat mit ihnen nichts am Hut: Daran prangen vielmehr Obama-Anstecker, die Cleypool neben passenden T-Shirts aus der eigenen Druckerei verkauft. Schon den ganzen Sommer über stand er jeden Samstag auf demAdrian Cleypool aus Ann Arbor © Cornelia Schaible<br /> Markt – dabei hat ihm der Hut gute Dienste geleistet. Jetzt wirkt der Strohhut nicht mehr saisongemäß. Der Wahlkampf war lang: Seit anderthalb Jahren sei er für Obama im Einsatz, so der 63-Jährige.

Cleypool, der ursprünglich aus Rotterdam stammt, ist seit dem Vietnamkrieg politisch aktiv. Als er eingezogen werden sollte, verweigerte er den Militärdienst aus Gewissensgründen – nach stundenlangem FBI-Verhör konnte er sich damit sogar durchsetzen. Seinen Ersatzdienst leistete Cleypool, der vorher in einer anderen Region von Michigan gelebt hatte, im Krankenhaus in Ann Arbor. Und er blieb in der Unistadt hängen. Von einem Wahlsieg Obamas verspricht er sich eine grundsätzlich Änderung der politischen Kultur – „einen großen Aufbruch“, wie er es nennt.

Mit einem Schild im Garten zeigen die Leute, „dass sie zur Obama-Familie gehören“, meint er. Aktivisten wie Cleypool möchten vor allem sicherstellen, dass die Wähler tatsächlich an die Urnen gehen – sonst nützen die ganzen schönen Umfragewerte nichts. Im Mehrheitswahlsystem der USA, bei dem die siegreiche Partei alle Wahlmänner eines Bundesstaates für sich verpflichtet, bringen oft wenige Stimmen die Entscheidung. 537 Wählerstimmen in Florida verhalfen George W. Bush im Jahr 2000 zum Sieg. Der Demokrat Al Gore erhielt landesweit mehr Wählerstimmen als Bush, wurde aber trotzdem nicht Präsident.

Für knappe Wahlausgänge ist gerade Ann Arbor berühmt. Im Jahr 1977 wurden die Bürgermeisterwahlen mit einer einzigen Stimme entschieden – das steht jedenfalls in einem Blättchen, das zur Wahlzeit in der Filiale einer bekannten Kaffeeshop-Kette ausliegt. Ann Arbors Bürgermeister John Hieftje, der am 4. November für eine fünfte Amtszeit zur Wahl steht, hat in dieser Hinsicht allerdings nichts zu befürchten – es gibt zwar einen Gegenkandidaten von der Libertarian-Partei, aber der stellt keine ernsthafte Konkurrenz dar.

Das soll nicht heißen, dass der Favorit in Ann Arbor nicht gelegentlich einmal verliert. Das Spiel der U-M gegen Michigan State endet 21-35 – der erste Sieg der Spartans seit 2001 über die lange Zeit übermächtigen Wolverines.

Zurück zur Politik. Wie gut sind die Chancen von Barack Obama? Adrian Cleypool gibt sich zuversichtlich: „Am Tag nach der Wahl drucke ich neue T-Shirts.“ Mit der Aufschrift „President Obama“.