Gestern korrigierte ich die Deutsch-Hausaufgaben einer Abschlussklasse an der High School, in denen es um den Erwerb des US-Führerscheins ging. Es waren praktisch alles Variationen zum Satz: "Man muss zwei Klassen und eine Prüfung machen." Klingt zwar gut, liegt aber trotzdem voll daneben. Mein Rotstift kam jedenfalls ausgiebig zum Einsatz.
Nun kommen nicht nur amerikanische Schüler auf die Idee, das englische Wort class ohne viel Federlesens mit "Klasse" zu übersetzen, egal wie der Kontext lautet. Auch Deutsche haben nach ungefähr drei Monaten im Land bereits vergessen, dass es in ihrer Muttersprache das Wort "Unterricht" gibt. Wahrscheinlich hat es gar nie existiert - sie haben es jedenfalls alle restlos aus ihrem Wortschatz getilgt, als sei es irgendwie anrüchig. "Morgen Abend kann ich nicht kommen, denn ich habe eine Computerklasse" ist ein Satz, den ich so oder ähnlich schon x-mal gehört oder gelesen habe. Da möchte man gleich ins Keyboard beißen. Sogar Sprachschulen bieten mitunter "Deutschklassen für Erwachsene" an.
Nun kann ich zwar selbst mit Fug und Recht behaupten, dass ich eine Deutschklasse habe, denn ich unterrichte sie persönlich. Jeden Montagnachmittag. Aber die Kinder haben keine Klasse, sondern Unterricht. Falls ich für mein Teil auf die Idee kommen sollte, eine weitere Fremdsprache zu erlernen, würde ich es vorsichtshalber mit einem Sprachkurs versuchen. Und wenn mir eine Bekannte erzählt, sie habe eine Pianoklasse, nehme ich einfach an, dass sie Klavierstunden nimmt. Wenn sie an der Musikschule oder Akademie unterrichten würde, hätte ich wahrscheinlich schon davon gehört.
Mit dem Wort "Klasse" ist es überhaupt so eine Sache. Manchmal, so erzählte mir die Deutschlehrerin, der ich beim Korrigieren geholfen hatte, komme es vor, dass ein Schüler das Wort grade im Lexikon nachsehe. Und anschließend lese sie dann wieder den schönen Satz: "Ich bin in der zehnten Note."