Tuesday, January 31, 2006

Ein Mini-Las-Vegas für Detroit

Wer hat Angst vor den Medien, die jetzt zum Super Bowl massenweise in die Stadt einfallen?
Niemand mehr, wie es scheint.

"Eure Erwartungen sind so niedrig, dass wir sie auf jeden Fall übertreffen", schrieb Kolumnist Mitch Albom gestern in der "Detroit Free Press". Und sein Kollege Rob Parker von den "Detroit News" stieß ins gleiche Horn: "Superbowl XL wird ein Riesenerfolg."

Warum?

Nun, niemand erwartet Disneyland, wenn er nach Detroit kommt. Und dass es kalt sein kann in Michigan zu dieser Jahreszeit, das hat sich bereits herumgesprochen - allerdings ist es gewöhnlich noch viel eisiger als in diesem Winter. Dafür hat Motor City eine Menge Vorzüge, zumindest für Schlachtenbummler: Die Stadt besitzt ein ausgeprägtes Nachtleben. Wenn die Lichter der Großstadt angehen, sieht man auch nicht mehr, wie heruntergekommen sie ist. Den Football-Fans dürfte das sowieso egal sein. Vor dem Spiel und nach dem Spiel wollen sie nur eines, nämlich Bier. Und das gibt's in Downtown Detroit reichlich, und zwar rund um die Uhr - die Prohibition ist lange her. Heutzutage haben drei Kasinos die ganze Nacht lang geöffnet. "It's a match made in heaven", schreibt Parker. Wenn das nicht für Detroit als Austragungsort des Super Bowls spricht! Dazu die Aussicht auf eine Spritztour ins benachbarte Ausland: Auf der anderen Seite des Flusses liegt Windsor, Kanada. Auch dort gibt's ein Kasino.

Es mag schwierig sein, in Downtown Detroit einen Arbeitsplatz zu finden - ein Platz an der Bartheke findet sich garantiert. Dass sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Restaurants neu angesiedelt haben, hebt auch Bürgermeister Kwame Kilpatrick gern hervor. Mit seinen Kneipen und Kasinos verwandelt sich die Motor City immer mehr in eine Vergnügungsmeile - eine Art Mini-Las-Vegas für die Metro Detroiter. Zwei Sportstadien ziehen ordentlich Publikum an. Aber auch das kulturelle Angebot kann sich sehen lassen, und Vorstädter wie Touristen besuchen die Museen, gehen ins Konzert oder zu einer Show im altehrwürdigen "Fox Theatre".

Allerdings fehlen die Shopping-Möglichkeiten, ohne die kein Amerikaner seine Freizeit sinnvoll gestalten kann. Downtown gibt es nur einen Buchladen und ein paar kleinere Geschäfte. Deswegen sind auch die 10.000 freiwilligen Helfer beim Super Bowl so wichtig – sie sollen den Sportfans nicht zuletzt den Weg zu den zahlreichen Einkaufsmeilen in den Vorstädten weisen. Und zu den Hotels, denn in Detroit gibt es längst nicht genügend Übernachtungsmöglichkeiten.

Wichtig ist, dass die Besucher motorisiert sind, denn in der Autostadt gibt es praktisch kein öffentliches Transportwesen: Das ließen die Stadtoberen, auf entsprechenden Druck von der Autoindustrie, schon vor langer Zeit sterben. Eine der prominentesten Ruinen in Detroit ist der alte Zentralbahnhof an der Ambassador Bridge, die hinüber nach Kanada führt. Das „People Mover“ genannte Bähnchen, das in der Innenstadt seine Runden um ein paar Häuserblocks zieht, kann allenfalls den Weg ins Parkhaus verkürzen.

Immerhin sorgt der Bürgermeister nach Kräften dafür, dass genug Parkmöglichkeiten zur Verfügung stehen – Ford Field hat 65.000 Sitzplätze, da wird’s auch an einem ganz normalen Spieltag eng. Wenn in Detroit schon fast keine Autos mehr gebaut werden, sollen sie wenigstens parken können. Gern auch auf Abrissgrundstücken: Nicht einmal das Büro, in dem das berühmte Motown Label von 1968 bis 1972 residierte, blieb verschont – es wurde eben erst abgebrochen. Wieder ein paar Parkplätze mehr. Und die Musik spielt sowieso woanders.

Mehr über Motown und den Superbowl XL: Wie sich Detroit vorbereitet und wandelt